Vulkanologie: Vulkanausbruch im Untergeschoss
Münchner Geowissenschaftler simulieren Eruptionen von Feuerbergen im Labor. Jetzt haben sie auch die Asche vom isländischen Vulkan Eyjafjallajökull unter der Lupe.
Als im März der isländische Vulkan Eyjafjallajökull ausbrach, herrschte am Lehrstuhl für Mineralogie und Petrologie der Ludwig-Maximilian-Universität München gespannte Erwartungshaltung. Aufmerksam verfolgten die Wissenschaftler die Berichte ihrer Kollegen von der Vulkaninsel. Schnell war klar: Die Aschewolke des Feuerbergs wird nach Europa ziehen. Durch den Ascheauswurf bot sich den Münchner Forschern und ihren europäischen Kollegen eine seltene Gelegenheit: Sie konnten den Einfluss der winzigen Partikel auf die Atmosphäre studieren und welche Auswirkungen die schwebenden Teilchen auf Flugzeugturbinen haben könnten. Zahlreiche Ascheproben lagern jetzt in den Labors des Instituts und werden wie wertvolle Schätze gehortet, bereit noch einmal den Weg durch einen künstlichen Vulkanschlot anzutreten.
"Die Eyjafjallajökull-Aschewolke war nur ein kleines Naturereignis, verglichen mit vielen anderen Vulkanausbrüchen in geologischen Zeitdimensionen. Doch die Auswirkungen des Vulkanstaubs auf Europa waren einmalig", erklärt Donald Bruce Dingwell, Leiter des LMU-Lehrstuhls für Mineralogie und Petrologie, der sich der Erforschung von Feuerbergen verschrieben hat. Das Spezialgebiet des Kanadiers ist die so genannte "Experimentelle Vulkanologie".
Eyjafjallajökulls Asche im Labor
Mit seinem Team stellt Dingwell die Bedingungen, wie sie im Inneren von Vulkanen herrschen, in seinen Labors nach und untersucht deren Auswurfprodukte auf Fließverhalten, Bruchfestigkeit und Zusammensetzung ihrer Gase. Die Münchner Geowissenschaftler gehören damit zu einer Handvoll Arbeitsgruppen, die sich weltweit mit der experimentellen Simulation von Feuerbergen beschäftigen.
Vesuv unter Dauerbewachung
Zu Forschung vor Ort gesellt sich auch eine gute Portion Analyse am Computer: Immer wichtiger wird die Simulation realistischer Erdbebenszenarien auf modernen Supercomputern wie am Leibnizrechenzentrum in München. "Erst in den letzten Jahren wurden solche Simulationen überhaupt möglich, bei denen die seismische Wellenausbreitung in einer aktiven Vulkanregion mit realistischen Eigenschaften berechnet werden kann", erklärt Dingwell. Davor reichte die Rechenkapazität einfach nicht aus.
Einer der mittlerweile besonders akribisch überwachten Vulkane ist der Vesuv in Italien: Hier wäre das Leben von rund zwei Millionen Menschen gefährdet – Dass der Feuerberg tödlich sein kann, mussten vor knapp 2000 Jahren die Römer leidvoll erfahren, als ihre Städte Pompeji, Herculaneum, und Stabiae von Aschewolken verschüttet wurden. "Heute wissen wir weit besser, wie der Vulkan tickt", erläutert Dingwell. "Es gibt zahlreiche Frühwarnsysteme und Evakuierungspläne für den Fall einer Eruption, die wir gemeinsam mit den italienischen Kollegen ständig verfeinern."
Feuerspucker im Keller
Direkt in München vor Ort befindet sich das Glanzstück für die Forscherarbeit der Vulkanologen: Vier Stockwerke unter Dingwells Büro im Keller des Instituts befinden sich bis zu vier Meter hohe, silbrig glänzende Stahlzylinder. "Hier stehen unsere Miniatur-Vulkane", erklärt Kai-Uwe Hess, wissenschaftlicher Mitarbeiter in Dingwells Team. Am unteren Ende des Zylinders ist ein Ofen installiert. Wenn die Forscher die Türen öffnen, schlagen ihnen Temperaturen von bis zu 1300 Grad Celsius entgegen. Hier erhitzen die Geowissenschaftler Gesteinsproben, die sie rund um den Globus von den Vulkanen nach München transportiert haben. In dem Ofen werden die Proben zudem unter hohen Druck von bis zu 500 bar gesetzt. "Ganz ähnliche Bedingungen herrschen auch in einem Vulkan", erläutert Hess.
Genau wie Magma in einem Feuerberg werden die Gesteinsproben in den Zylindern zur Explosion gebracht. Dabei verteilt sich der Staub in den oberen Abschnitten der Röhre, in dem die Wissenschaftler die Atmosphäre simulieren. Bei der Explosion wird mit einer Laseranordnung gemessen, wie hoch die Geschwindigkeit der Partikel ist, wenn sie in diese Atmosphäre eintreten. So bestimmen die Forscher, wie weit die Partikel geflogen wären, wenn sie bei einem realen Vulkanausbruch ausgeworfen worden wären, und werten aus, welche Größe die Teilchen hatten, die während der so genannten Fragmentierung entstanden sind.
Der Eyjafjallajökull wandert ins Labor
Mit dem gleichen System wird das Team nun in nächster Zeit die Ascheprodukte des isländischen Vulkans Eyjafjallajökull untersuchen. Dafür hat Corrado Cimarelli, ein weiterer Mitarbeiter Dingwells, direkt am Vulkan viele Kilogramm Auswurfprodukte gesammelt. Als er im Mai den Vulkan besuchte, hatte sich das romantische isländische Landschaftsbild aus Feuer und Eis rund um den Vulkan stark verändert. "Ich bin durch eine Region gelaufen, die an eine Wüste aus schwarzem Sand erinnert hat", erzählt Cimarelli. Als Cimarelli am Vulkan ankam, hatte seine Eruptionstätigkeit bereits nachgelassen. Doch obwohl der Geowissenschaftler seine Ascheproben rund sieben Kilometer entfernt von der Caldera sammelte, musste er immer noch eine Atemmaske tragen. "Wir haben auch die Aschekonzentration in der Luft gemessen", erzählt er. "Sie war dreimal höher als es für Menschen erträglich wäre." Selbst acht Kilometer entfernt vom Krater prasselten immer noch rund mehrere hundert Gramm Asche stündlich auf den stark abgeschmolzenen Gletscher nieder.
"Mit den Experimenten betreiben wir Vulkanologie im Zeitraffer", sagt Dingwell. "Wir haben nicht die vielen Milliarden Jahre Zeit, die die Erdentwicklung hatte. Also müssen wir schneller sein." Fast wöchentlich finden Dingwells Mitarbeiter überraschende Eigenschaften von Lavagesteinen. Gesteinsschmelzen sind komplizierte Materialgemische, die bei jedem Vulkan unterschiedlich zusammengesetzt sind. Oder wie es Dingwell sagt: "Vulkane sind Individualisten, von denen wir noch längst nicht alles wissen.
"Die Eyjafjallajökull-Aschewolke war nur ein kleines Naturereignis, verglichen mit vielen anderen Vulkanausbrüchen in geologischen Zeitdimensionen. Doch die Auswirkungen des Vulkanstaubs auf Europa waren einmalig", erklärt Donald Bruce Dingwell, Leiter des LMU-Lehrstuhls für Mineralogie und Petrologie, der sich der Erforschung von Feuerbergen verschrieben hat. Das Spezialgebiet des Kanadiers ist die so genannte "Experimentelle Vulkanologie".
Eyjafjallajökulls Asche im Labor
Mit seinem Team stellt Dingwell die Bedingungen, wie sie im Inneren von Vulkanen herrschen, in seinen Labors nach und untersucht deren Auswurfprodukte auf Fließverhalten, Bruchfestigkeit und Zusammensetzung ihrer Gase. Die Münchner Geowissenschaftler gehören damit zu einer Handvoll Arbeitsgruppen, die sich weltweit mit der experimentellen Simulation von Feuerbergen beschäftigen.
Damit haben sie sich ehrgeizige Ziele gesteckt: Sie wollen verstehen, wie die Feuerberge funktionieren und wann und warum sie ausbrechen. "Noch in den 1990er Jahren hat es niemand für möglich gehalten, dass man ein Vulkansystem jemals auch nur annähernd experimentell nachbauen kann", erzählt Dingwell. Die Natur erschien einfach zu komplex. Fast 20 Jahre später hat sich das Weltbild verändert. Denn die Vulkanologen haben einige der gefährlichsten Feuerberge weltweit unter einem engmaschigen Überwachungsnetz, das die Chemie der Auswurfprodukte wie Laven oder Asche analysiert oder mit seismischen Sensoren quasi in die Berge hinein hört. Selbst aus dem Weltall bleibt keine Veränderung auf der Erdoberfläche mehr verborgen: Satelliten bemerken schon die kleinste Hebung oder Senkung der Erdoberfläche rund um Ätna und Co. So besitzen die meisten der gefährlichen Vulkane mittlerweile ein umfassendes Datendossier über ihre Allüren und damit über ihr Gefahrenpotential für die Anwohner.
Vesuv unter Dauerbewachung
Zu Forschung vor Ort gesellt sich auch eine gute Portion Analyse am Computer: Immer wichtiger wird die Simulation realistischer Erdbebenszenarien auf modernen Supercomputern wie am Leibnizrechenzentrum in München. "Erst in den letzten Jahren wurden solche Simulationen überhaupt möglich, bei denen die seismische Wellenausbreitung in einer aktiven Vulkanregion mit realistischen Eigenschaften berechnet werden kann", erklärt Dingwell. Davor reichte die Rechenkapazität einfach nicht aus.
Einer der mittlerweile besonders akribisch überwachten Vulkane ist der Vesuv in Italien: Hier wäre das Leben von rund zwei Millionen Menschen gefährdet – Dass der Feuerberg tödlich sein kann, mussten vor knapp 2000 Jahren die Römer leidvoll erfahren, als ihre Städte Pompeji, Herculaneum, und Stabiae von Aschewolken verschüttet wurden. "Heute wissen wir weit besser, wie der Vulkan tickt", erläutert Dingwell. "Es gibt zahlreiche Frühwarnsysteme und Evakuierungspläne für den Fall einer Eruption, die wir gemeinsam mit den italienischen Kollegen ständig verfeinern."
Feuerspucker im Keller
Direkt in München vor Ort befindet sich das Glanzstück für die Forscherarbeit der Vulkanologen: Vier Stockwerke unter Dingwells Büro im Keller des Instituts befinden sich bis zu vier Meter hohe, silbrig glänzende Stahlzylinder. "Hier stehen unsere Miniatur-Vulkane", erklärt Kai-Uwe Hess, wissenschaftlicher Mitarbeiter in Dingwells Team. Am unteren Ende des Zylinders ist ein Ofen installiert. Wenn die Forscher die Türen öffnen, schlagen ihnen Temperaturen von bis zu 1300 Grad Celsius entgegen. Hier erhitzen die Geowissenschaftler Gesteinsproben, die sie rund um den Globus von den Vulkanen nach München transportiert haben. In dem Ofen werden die Proben zudem unter hohen Druck von bis zu 500 bar gesetzt. "Ganz ähnliche Bedingungen herrschen auch in einem Vulkan", erläutert Hess.
Genau wie Magma in einem Feuerberg werden die Gesteinsproben in den Zylindern zur Explosion gebracht. Dabei verteilt sich der Staub in den oberen Abschnitten der Röhre, in dem die Wissenschaftler die Atmosphäre simulieren. Bei der Explosion wird mit einer Laseranordnung gemessen, wie hoch die Geschwindigkeit der Partikel ist, wenn sie in diese Atmosphäre eintreten. So bestimmen die Forscher, wie weit die Partikel geflogen wären, wenn sie bei einem realen Vulkanausbruch ausgeworfen worden wären, und werten aus, welche Größe die Teilchen hatten, die während der so genannten Fragmentierung entstanden sind.
Der Eyjafjallajökull wandert ins Labor
Mit dem gleichen System wird das Team nun in nächster Zeit die Ascheprodukte des isländischen Vulkans Eyjafjallajökull untersuchen. Dafür hat Corrado Cimarelli, ein weiterer Mitarbeiter Dingwells, direkt am Vulkan viele Kilogramm Auswurfprodukte gesammelt. Als er im Mai den Vulkan besuchte, hatte sich das romantische isländische Landschaftsbild aus Feuer und Eis rund um den Vulkan stark verändert. "Ich bin durch eine Region gelaufen, die an eine Wüste aus schwarzem Sand erinnert hat", erzählt Cimarelli. Als Cimarelli am Vulkan ankam, hatte seine Eruptionstätigkeit bereits nachgelassen. Doch obwohl der Geowissenschaftler seine Ascheproben rund sieben Kilometer entfernt von der Caldera sammelte, musste er immer noch eine Atemmaske tragen. "Wir haben auch die Aschekonzentration in der Luft gemessen", erzählt er. "Sie war dreimal höher als es für Menschen erträglich wäre." Selbst acht Kilometer entfernt vom Krater prasselten immer noch rund mehrere hundert Gramm Asche stündlich auf den stark abgeschmolzenen Gletscher nieder.
Die gesammelten Ascheproben stehen nun fein säuberlich sortiert im Münchner Labor. Einige Proben werden auf ihre chemische Zusammensetzung untersucht, andere noch einmal erhitzt, unter Druck gesetzt und dann durch den künstlichen Vulkan gejagt. "Diese Untersuchungen helfen uns, die Charakteristika von Eyjafjallajökulls Magma besser kennenzulernen", sagt Cimarelli. Die Geowissenschaftler analysieren dabei vor allem, wie viel Glas die Asche enthält und bei welchen Temperaturen diese schmilzt. "Die Daten sind besonders wichtig für die Luftfahrt", erklärt Ulrich Küppers, der ebenfalls an der Arbeit beteiligt ist. "Wenn man weiß, bei welchen Temperaturen die Asche schmilzt, kann man die Sicherheitsstandarts für Triebwerke anpassen", so Küppers. Denn in den heißen Flugzeugtriebwerken könnten die Partikel erneut aufgeschmolzen werden und damit zu einem Ausfall der Technik führen.
"Mit den Experimenten betreiben wir Vulkanologie im Zeitraffer", sagt Dingwell. "Wir haben nicht die vielen Milliarden Jahre Zeit, die die Erdentwicklung hatte. Also müssen wir schneller sein." Fast wöchentlich finden Dingwells Mitarbeiter überraschende Eigenschaften von Lavagesteinen. Gesteinsschmelzen sind komplizierte Materialgemische, die bei jedem Vulkan unterschiedlich zusammengesetzt sind. Oder wie es Dingwell sagt: "Vulkane sind Individualisten, von denen wir noch längst nicht alles wissen.
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