Geophysik: Wachstum der Anden ist kein alter Hut
Unter Teilen der Anden verhält sich das Erdinnere wie eine überdimensionale Lavalampe: Zähflüssiges Magma steigt wie ein riesiger Ballon in der Erdkruste auf und lässt das Gebirge langsam, aber stetig wachsen. Gleichzeitig senkt sich die Oberfläche an den Rändern der Blase in einem weitläufigen Umkreis geringfügig ab. Die entstehende Form gleiche daher einem riesigen, breitkrempigen Sombrero, schreiben Wissenschaftler der University of California in La Jolla und werfen mit ihrer Studie neues Licht auf eine alte Frage der Geowissenschaften: Wie lässt Magma Berge wachsen, ohne dass dazu Lava austreten muss?
Weite Abschnitte der Anden sind durch Vulkanismus entstanden, der sich unter anderem aus Gesteinsmaterial der Nazca-Platte speist: Sie taucht hier im Verlauf der Plattentektonik unter die Südamerikanische Platte ab und wird aufgeschmolzen. Dabei entstehende Magmablasen drücken das Gebirge an manchen Orten immer noch nach oben. Wie das genau passiert, ist jedoch umstritten. Eine neuere Theorie aus den letzten Jahren geht davon aus, dass Magma Gänge und Kammern durch darüberliegende Gesteinsschichten schmilzt und darin aufsteigt. Eine ältere Annahme führte dagegen das Wachstum von Bergen auf ballonartig emporsteigendes Magma zurück, wofür es zwar Anhaltspunkte, aber keine empirischen Beobachtungen gab.
Die Geophysiker Yuri Fialko und Jill Pearse haben daher eine Hochebene in den Zentralanden von Bolivien, den Altiplano, über 18 Jahre hinweg überwacht. Mit Hilfe von Satelliten der Europäischen Raumfahrtbehörde nahmen sie über die gesamte Zeit Radarbilder der Region um den erloschenen Vulkan Uturuncu auf. Anhand der so genannten Phasenverschiebung der zum Satelliten reflektierten Radarwellen konnten sie Veränderungen der Erdoberfläche messen. Die Forscher bestätigten in ihrer Langzeitstudie das bereits bekannte Höhenwachstum der Ebene um zehn Millimeter pro Jahr; der ausgedehnte Beobachtungszeitraum erlaubte ihnen aber auch, die zuvor unbekannte Absenkung der Erde in einem Umkreis von bis zu zehn Kilometern um das Wachstumszentrum herum zu entdecken und zu messen.
Den Zusammenhang zwischen Wachstum und Absenkung haben die Wissenschaftler anschließend mit Computermodellen untersucht. Zunächst verwendeten sie ein Modell, in dem davon ausgegangen wurde, dass Magma sich durch Gänge einen Weg nach oben schmilzt. Damit konnte das Heben und Senken der Erdoberfläche jedoch nur erklärt werden, wenn die Magmaquelle deutlich tiefer gelegen hätte als tatsächlich gemessen – nur dann wäre das Magma heiß genug gewesen, um sich den Weg nach oben zu bahnen. Das Lavalampenmodell hingegen konnte die Veränderungen ohne solche Widersprüche erklären.
Die Forscher zeigen mit ihrer Studie erstmals, dass ballonartig aufsteigendes Magma über lange Zeit bestehen und zum stetigen Wachstum von Gebirgen beitragen kann. Einen Ausbruch des seit 270 000 Jahren erloschenen Uturuncu müsse man aber vorerst nicht fürchten, schreiben die Forscher. Modellberechnungen sagen ein vorzeitiges Erstarren des Magmas voraus. Auch aktuelle seismische und geochemische Untersuchungen liefern keine Hinweise auf eine Reaktivierung des Vulkans.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.