Sonnenforschung: 20 Jahre Sonnensatellit SOHO
Auch im Zeitalter langlebiger Satelliten und Raumsonden ist es doch etwas Besonderes, wenn eine Mission 20 Jahre lang rund um die Uhr im Einsatz ist und wichtige Bilder und Messdaten zur Erde funkt. Seit dem 2. Dezember 1995 ist das Solar and Heliospheric Observatory (SOHO) im All und beobachtet seitdem das Geschehen auf unserem Tagesgestirn. Die Mission ist ein Gemeinschaftsprojekt der Europäischen Weltraumagentur ESA und der US-amerikanischen Raumfahrtbehörde NASA: Die ESA baute den Satelliten und stellte einen Großteil der zwölf wissenschaftlichen Instrumente an Bord, während die NASA den Start besorgte und die tägliche Betreuung zusammen mit der ESA organisiert.
SOHO befindet sich auf einer Bahn um den Lagrangepunkt L1, der von uns aus gesehen anderthalb Millionen Kilometer vor der Erde in Richtung zur Sonne liegt. An diesem Ort herrscht ein dynamisches Gleichgewicht zwischen den Anziehungskräften von Erde und Sonne. Somit kann sich hier eine Raumsonde ohne große Schubmanöver für lange Zeit aufhalten. Zudem hat eine Sonde am Punkt L1 unser Tagesgestirn stets im Blick, ohne dass Erde oder Mond in ihr Bildfeld geraten. Daraus ergibt sich auch, dass ununterbrochen Sonnenenergie für die Stromversorgung mittels Solarzellen zur Verfügung steht.
SOHO beobachtet unser Tagesgestirn rund um die Uhr in unterschiedlichsten Wellenlängen, die vom Röntgenlicht über Ultraviolett bis ins sichtbare Licht reichen. Von einigen der zwölf Instrumente an Bord werden die Bilder der Sonnenoberfläche und der äußeren Sonnenatmosphäre, der Korona, nach der Übertragung zur Erde sofort automatisch ins Internet eingespeist, wo sie allgemein zugänglich sind. Hier hat jeder die Chance, die Bilder kostenlos zu betrachten und darauf eigene Entdeckungen zu machen.
Zu einem regelrechten "Sport" unter den Amateursonnenforschern entwickelte sich die Suche nach Kometen, die der Sonne extrem nahe kommen. Meist werden die eisigen Besucher bei ihrer nahen Passage am heißen Zentralgestirn zerstört. Im September 2015 wurde der 3000. durch Amateurforscher auf den SOHO-Bildern gefundene Schweifstern vorgestellt. Im Rahmen des Programms Sungrazer können Sie selbst nach Kometen fahnden.
Eine der wichtigsten Aufgaben von SOHO ist die Warnung vor heftigen Eruptionen auf der Sonne. Sie setzen große Mengen an ionisiertem Gas frei, das sich mit hoher Geschwindigkeit auf die Erde zubewegen kann. Trifft ein solcher koronaler Massenauswurf auf das Magnetfeld unseres Planeten, so kommt es je nach seiner Stärke zu einem heftigen geomagnetischen Sturm. Neben Polarlichtern, auch in niedrigen geografischen Breiten, kann ein solches Ereignis schwere Folgen für die Infrastruktur auf der Erde haben. Beispielsweise können die Stromversorgung und die Nachrichtenübermittlung gestört werden oder sogar ganz ausfallen, mit milliardenschweren Folgen für die Wirtschaft. Also ist eine stetige Überwachung unseres Tagesgestirns auch aus kommerzieller Sicht sehr wichtig.
Mitte 1998, also rund dreieinhalb Jahre nach dem Start, sah es so aus, als wäre SOHO bereits am Ende: Die Funkverbindung brach ab, und die Sonde geriet ins Taumeln. Grund dafür war ein Fehler in der Betriebssoftware der Sonde. Durch intensive Bemühungen von ESA und NASA und unter Zuhilfenahme der 305-Meter-Antenne des Radioobservatoriums Arecibo auf Puerto Rico gelang es schließlich nach einem Monat Funkstille, die Sonde aufzuspüren. Danach war noch rund ein Vierteljahr an Arbeit erforderlich, um SOHO wieder völlig zu reaktivieren. Seither arbeitet der Satellit, von kleineren technischen Problemen abgesehen, einwandfrei. Allerdings kann bei einem 20-jährigen Weltraumobservatorium jeder Tag der letzte sein. SOHO ist aber heute längst nicht mehr allein auf weiter Flur, denn das Solar Dynamics Observatory SDO und die beiden Sonden des Programms STEREO haben die Sonne fest im Blick und erlauben sogar einen Blick auf die von der Erde abgewandte Seite.
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