Wälder: Europas Bäume sterben schneller
Die Dürren der vergangenen Jahre in verschiedenen europäischen Regionen haben dafür gesorgt, dass die wichtigsten Baumarten des Kontinents überdurchschnittlich häufig absterben und die Waldökosysteme unter Druck geraten. Zu diesem Schluss kommt eine Studie von Jan-Peter George von Universität Tartu in Estland und seinem Team, die auf dem bioRxiv vorab veröffentlicht wurde. Besonders betroffen davon ist der »Brotbaum« der Forstwirtschaft, die Fichte: Ihre jährliche Sterblichkeitsrate lag zwischen 2010 und 2020 um 60 Prozent höher als im Vergleichszeitraum von 1995 bis 2009.
Auch Kiefern mit 40 Prozent und Buchen mit 36 Prozent mehr toten Bäumen litten unter der Trockenheit, während bei Eichen die Mortalität nur um 3,6 Prozent zunahm. Die Arbeitsgruppe verließ sich bei ihrer Auswertung nicht nur auf Satellitenbilder, da sich aus diesen Daten nicht immer sicher rückschließen lässt, ob ein Baum gefällt wurde oder abstarb. Stattdessen ergänzten sie ihren Datensatz mit drei Millionen Beobachtungspunkten vor Ort, die im Rahmen des Langzeitprojekts International Co-operative Programme on Assessment and Monitoring of Air Pollution Effects on Forests (ICP Forests) gesammelt wurden.
Bei allen untersuchten Baumarten lag die Sterblichkeit seit 2012 über dem langjährigen Schnitt des Vergleichszeitraums, es starben also regelmäßig mehr Bäume ab als vorher üblich. Verursacht wurde dies überwiegend durch Bodentrockenheit, wie der Vergleich mit Feuchtedaten zeigte: Auf ein Dürrejahr folgte stets ein überdurchschnittliches Absterben der Bäume im Jahr darauf. Die außergewöhnliche Trockenheit 2018 in Deutschland ist dafür ein gutes Beispiel: Nach Schätzungen des deutschen Landwirtschaftsministeriums vernichtete die Trockenheit 2018 selbst mehrere Millionen Bäume, die insgesamt eine Fläche von etwa 2450 Quadratkilometern bedecken würden. Das Sterben setzte sich allerdings auch 2019 fort, das ebenfalls zu trocken ausfiel, was den geschwächten Bäumen weiter zusetzte. Da fast alle Regionen Europas in den letzten Jahren von Trockenheit betroffen waren, ist das Baumsterben ein kontinentweites Phänomen.
Die Bäume verkümmern jedoch nicht nur wegen der direkten Folgen der Dürre: Diese macht sie auch anfälliger für Krankheiten und Schädlinge. Gestresste Fichten etwa werden leichter von Borkenkäfern befallen, weil sie nicht genügend Harz bilden können, um diese abzuwehren. Massenvermehrungen der Insekten verstärken dann das Baumsterben. Dazu können in trockenen Wäldern leichter Feuer ausbrechen und sich ausbreiten.
Ein Teil der Probleme ist dabei hausgemacht, gerade bei den Fichten: Sie wird vielerorts standortuntypisch und in Monokulturen angepflanzt und ist sehr trockenheitsanfällig. Ihr Absterben bedeutet daher starke Verluste für die Holzwirtschaft. George und Co raten dringend zum Umbau der Wälder, um sie widerstandsfähiger zu machen. Kahlschläge sind dabei allerdings heikel, da sich die freien Flächen stärker aufheizen können, was neu gepflanzte Bäume wiederum unter Hitze- und Trockenstress setzt. Zudem verkleinert sich durch das Baumsterben die Rolle der europäischen Wälder als Kohlenstoffsenke, wodurch sich der Klimawandel verstärkt – was wiederum Dürren wahrscheinlicher macht.
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