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Ein neues Verfahren ermöglicht die schnelle und berührungslose Prüfung, ob Bauteile fehlerfrei verklebt sind, Schutzschichten auf Flugzeugturbinen richtig haften oder Verbundwerkstoffe gut verarbeitet sind. Die Technik ermöglicht sogar eine vollautomatische hundertprozentige Qualitätskontrolle in der industriellen Produktion.
Flugzeugturbinen müssen besonders hohen Belastungen standhalten: Sie werden mit mehr als 800 Grad Celsius heißen Gasen betrieben. So entstehen wenig Abgase und die Turbinen arbeiten effektiv. Gleichzeitig unterliegen sie hohen mechanischen Belastungen durch Zentrifugalkräfte. Bei diesen extremen Bedingungen verschleißt das Material schnell. Um die Turbinenschaufeln vor Korrosion und Hitze zu schützen, werden sie mit dünnen Schichten überzogen. Haften die Beschichtungen nicht richtig oder haben sie nicht die geforderte Dicke, können die Turbinen dennoch beschädigt werden. Die Folge: Sie müssen repariert oder ausgetauscht werden. Um diese teuren Ausfälle zu vermeiden, werden die Schichten schon bei der Produktion der Turbinenschaufeln auf Fehlstellen und Schichtdicke untersucht. Die bisherigen Prüfverfahren sind jedoch sehr zeitintensiv und aufwendig. Schneller und effektiver arbeitet die vom Fraunhofer-Institut für Zerstörungsfreie Prüfverfahren (IZFP) entwickelte Impuls-Thermografie-Prüftechnik: Mit der neuen Technik können die Schichten berührungslos und vollautomatisch auf Fehlstellen, Haftungsschäden und Schichtdicke untersucht werden.

Dazu wird die Oberfläche der beschichteten Turbine mit Blitzlampen für zehn Millisekunden erwärmt. Haftet die Schutzschicht gut auf der Turbine, verteilt sich die Wärme gleichmäßig. Haftungsfehler wie zum Beispiel Delaminationen (Querrisse) behindern jedoch den Wärmefluss in die Tiefe. "Da Luft ein schlechter Wärmeleiter ist, erwärmt sich das Material oberhalb der fehlerhaften Stelle stärker als die Umgebung", erklärt Günter Walle, wissenschaftlicher Mitarbeiter des IZFP, die Funktionsweise der Prüftechnik. Dieser Temperaturkontrast wird von einer Infrarotkamera registriert. Leistungsfähige Infrarotkamerasysteme können sogar Temperaturunterschiede von 0,03 Grad Celsius sichtbar machen.

Die Auswertung der Bilddaten übernimmt eine Software, die über 200 Infrarotbilder pro Sekunde erfassen und sie auf Fehlstellen, Materialeigenschaften und Schichtdicke auswerten kann. So können zum Beispiel Haftungsfehler sofort entdeckt und mangelhafte Turbinenschaufeln aussortiert werden.

Die Impuls-Thermografie-Anlage eignet sich jedoch nicht nur zur Kontrolle von Schutzschichten auf Turbinenschaufeln, sondern auch zur Qualitätssicherung von faserverstärkten Verbundmaterialien oder Klebeverbindungen. Das Prüfsystem erkennt Fehler wie Delaminationen oder Poren in geklebten Blechen für den Automobilbau ebenso wie in hochwertigen Kunststoffen. "Das Prüfsystem kann überall dort eingesetzt werden, wo Materialien oder Materialverbunde im oberflächennahen Bereich schnell und berührungslos auf Fehlstellen oder Schichtdicken untersucht werden müssen", beschreibt IZFP-Wissenschaftler Udo Netzelmann das Anwendungsspektrum der Anlage. Das modular aufgebaute System kann dabei sowohl für die Qualitätssicherung in der industriellen Produktion als auch als mobiles Prüfgerät zur regelmäßigen Wartung sicherheitsrelevanter Komponenten genutzt werden. "Es ist sogar eine hundertprozentige Prüfung innerhalb der Produktlinie möglich", betont der Fraunhofer-Forscher.

"Die Impuls-Thermografie ist eine noch relativ junge Technik, die sich in den vergangenen Jahren stark weiterentwickelt hat. Jetzt steht sie vor ihrem Durchbruch in die Industrie", schätzt IZPF-Mitarbeiter Walle die weitere Entwicklung ein. Die Fraunhofer-Allianz Vision gibt auf der Hannover Messe einen Einblick in die verschiedenen Bereiche, in denen die neue Prüftechnik künftig zur Qualitätssicherung beitragen kann.

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