Verschwörungsglaube: Fühlt sich richtig an
Was Menschen für wahr und richtig halten, hängt teils damit zusammen, wie sie Wahrheit definieren. Zweifelt jemand an der Existenz von objektiven Fakten, ist er anfälliger für Verschwörungstheorien und andere Pseudowahrheiten. Das schloss ein schwedisches Forschungsteam aus einer Onlinebefragung von Stichproben aus der schwedischen und der britischen Bevölkerung. Wie die Gruppe im »Journal of Research in Personality« berichtet, erscheinen Verschwörungstheorien vor allem dann glaubwürdiger, wenn Wahrheit zur Gefühlssache erklärt wird. Paradoxerweise sinkt damit zugleich die Toleranz für Andersdenkende: Ihnen wird keine eigene gefühlte Wahrheit zugestanden.
Die Forschenden um Julia Aspernäs von der Universität in Linköping hatten mehr als 1400 Versuchspersonen zu deren Ansichten und Überzeugungen befragt. Was verstanden sie unter Wahrheit? Wie sehr glaubten sie an Verschwörungstheorien? Würden sie ihre Meinung ändern, wenn es Gegenbeweise gibt? Darüber hinaus wurde ihr analytisches Denken mit Logikaufgaben auf die Probe gestellt, und sie sollten die Tiefsinnigkeit von sinnfreien Sätzen und von alten Weisheiten beurteilen.
Die Antworten zum Thema Wahrheit ließen sich statistisch auf zwei Arten von Wahrheitsrelativismus zurückführen, die zwar oft Hand in Hand gehen, aber nicht immer. Die eine: Wahrheit sei eine Frage des subjektiven Empfindens. Der Hang zum Subjektivismus zeigte sich zum Beispiel in der Zustimmung zu Aussagen wie »Es gibt keine Wahrheit, nur Meinungen« und »Wenn sich etwas richtig anfühlt, dann ist es wahr«. Die andere Form von Relativismus: Wahrheit sei eine Frage der Perspektive, der Gesellschaft. Eine Beispielaussage: »Eine Behauptung kann in einer Kultur wahr sein und in einer anderen nicht.«
Für den Kulturrelativismus fanden die Forschenden nur schwache oder keine Assoziationen mit Verschwörungsglauben, für den Subjektivismus jedoch schon. »Wer die Wahrheit für subjektiv hielt, glaubt eher an Verschwörungstheorien und hält auch eher an seiner Überzeugung fest, wenn die Fakten dagegensprechen«, berichten die Forschenden. Das sei auch dann der Fall, wenn sich die Versuchspersonen nicht in anderen Merkmalen wie ihrer politischen Einstellung oder ihren analytischen Fähigkeiten unterschieden. Die Subjektivisten waren überdies stärker als die Kulturrelativisten geneigt, in unsinnigen Sätzen eine tiefere Bedeutung zu erkennen.
»Ich denke, dass viele Menschen, die den Begriff der Wahrheit relativieren, es eigentlich gut meinen«, sagt Aspernäs in einer Pressemitteilung. »Aber unsere Ergebnisse zeigen, dass eine solche Sichtweise unter Umständen gefährlich sein kann.« Wenn Subjektivsten die Wahrheit daran festmachen, ob sich etwas »richtig« anfühlt, hindere sie das womöglich daran, analytisches Denken einzusetzen und Verschwörungstheorien zu hinterfragen.
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