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Wahrnehmung: Bildstabilisator im Gehirn entdeckt

Schwenkt man eine Videokamera schnell hin und her, wird das Bild unscharf. Tun wir das Gleiche mit unserem Körper, bleibt der Seheindruck jedoch stabil. Fachleute wissen nun, woran das liegt.
Verschwommene Aufnahme von Menschen, die sich in einer modernen, lichtdurchfluteten Halle mit großen Glasfenstern bewegen. Die Personen sind in Bewegung und scheinen geschäftig zu sein, was auf eine Umgebung wie einen Flughafen oder ein Bürogebäude hindeutet. Die Szene vermittelt Dynamik und Aktivität.
Ständig bewegen wir unsere Augen, den Kopf oder den ganzen Körper. Hätte unser Gehirn keinen Bildstabilisator, würden wir alles verschwommen sehen.

Warum sehen wir unsere Umgebung scharf, selbst wenn wir uns schnell bewegen? Auf diese Frage fand ein österreichisches Forscherteam nun eine Antwort. Neurowissenschaftler unter der Leitung von Maximilian Jösch vom Institute of Science and Technology Austria in Klosterneuburg haben einen Mechanismus im Gehirn der Maus entdeckt, welcher die auf Grund von Bewegung zu erwartende visuelle Verzerrung vorhersagt und umgehend korrigiert. Er befindet sich auf einer frühen Verarbeitungsstufe der Sehsignale: im ventralen Nucleus geniculatus lateralis (vLGN), einem Teil des Thalamus in der Mitte des Gehirns.

Die Fachleute nutzten eine Technik namens Zwei-Photonen-Kalzium-Bildgebung, um die Hirnaktivität der Versuchsmäuse zu erfassen, während diese auf einem winzigen Laufband rannten. Über den Tieren befand sich eine Kuppel, auf die eine Bewegungsszene projiziert wurde. »Mit diesem Aufbau können wir die Aktivität der vLGN-Neurone beobachten, während die Maus durch eine virtuelle Welt wandert«, sagt Maximilian Jösch in einer Pressemitteilung des Instituts.

Das Team fand heraus, dass der vLGN eine Vielzahl von Bewegungs- und Sinnesinformationen aus dem gesamten Gehirn kombiniert, um daraus ein Korrektursignal zu berechnen. Das Areal erhält dazu Kopien der motorischen Befehle der Hirnrinde und prognostiziert daraus die resultierende Unschärfe des Bilds. Auf diese Weise »schärft« der vLGN die visuellen Signale, während sich das Auge bewegt oder das Tier selbst läuft. All das geschieht, noch bevor die Informationen in andere Hirnregionen gelangen, wo sie zu einem komplexen Seheindruck weiterverarbeitet werden.

Den Forschern zufolge handelt es sich um einen grundlegenden Mechanismus im Gehirn, der vermutlich im visuellen System aller Wirbeltiere existiert. »Ähnliche Strukturen gibt es auch bei Primaten«, sagt Jösch. »Sehr wahrscheinlich auch beim Menschen.«

  • Quellen
Nature Neuroscience 10.1038/s41593–025–01874-w, 2025

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