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Waldbrandprävention und -bekämpfung: Vorsorgen im Zeitalter des Feuers

Panzer, Drohnen, Tankrucksäcke: Um der steigenden Waldbrandgefahr zu begegnen, greifen Feuerexperten mittlerweile auf kreative Methoden zurück. Aber auch traditionelle Maßnahmen zur Brandprävention kommen allmählich wieder in Mode.
Bild eines rauchenden Waldbrandes aus der Vogelperspektive
Feuerspezialisten nutzen zunehmend technische Hilfsmittel, um Waldbrände aufzuspüren. So lassen sich etwa mit Drohnen Brandherde aus der Vogelperspektive überwachen.

Dramatische Schilderungen von Feuersbrünsten und lodernden Flammen mag Johann Georg Goldammer nicht besonders. Wenn der Forstwissenschaftler über Waldbrände spricht, wählt er nüchternere Worte. Trotzdem hat er keine Mühe, den Ernst der Lage deutlich zu machen: »Wir stehen vor einem Zeitalter des Feuers. Und wir müssen uns besser darauf vorbereiten.«

Nur wie? Diese Frage beschäftigt den Forscher bereits seit Jahrzehnten. Goldammer leitet das Global Fire Monitoring Center (GFMC), eine Außenstelle des Max-Planck-Instituts für Chemie an der Universität Freiburg. Die Fachleute dort arbeiten für die Vereinten Nationen, beraten Regierungen und Gemeinden, schulen Feuerwehrleute und Forstmitarbeiter. Und sie testen immer wieder neue und alte Ideen: Wie lässt sich das Risiko für gefährliche Großfeuer in Wäldern und anderen Landschaften verringern? Und was tun, wenn es trotzdem brennt?

Antworten auf diese Fragen braucht die Welt immer dringender. Erst im Februar 2022 warnte ein Report des UN-Umweltprogramms UNEP vor der steigenden Feuergefahr: Der Klimawandel und eine veränderte Landnutzung könnten dazu führen, dass die Zahl extremer Brände weltweit bis zum Jahr 2100 um bis zu 50 Prozent zunimmt. Und das betreffe auch Regionen, die man lange für relativ sicher gehalten habe. Einen solchen Trend prognostiziere man bereits seit den 1990er Jahren. »Jetzt ist aber nicht der Moment für Statements nach dem Motto: Wir haben es ja schon immer gesagt«, betont UNEP-Leiterin Inger Andersen. »Wir müssen handeln, damit die Feuer nicht noch schlimmer werden.«

Das gilt auch für Deutschland. Dabei schienen die jüngsten Zahlen der vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft veröffentlichten Waldbrandstatistik auf den ersten Blick keine schlechte Botschaft zu vermitteln: Hatten Feuer im Jahr 2019 bundesweit eine Fläche von 2711 Hektar erfasst, waren es im darauf folgenden Jahr lediglich 368 Hektar und 2021 sogar nur noch 148 Hektar. Diese Entwicklung sei den Anstrengungen der zuständigen Landesstellen zu verdanken, durch die man Waldbrände früher entdecken, schneller bekämpfen und die Schäden somit geringer halten könne, heißt es dazu auf der Website des Ministeriums.

Doch die Hoffnung, das Problem bereits halbwegs im Griff zu haben, erfüllt sich im Sommer 2022 nicht. Allein der Großbrand in der Nähe der brandenburgischen Stadt Falkenberg breitete sich im Juli auf mehr als 800 Hektar Wald und Felder aus. Hunderte Menschen mussten evakuiert werden, Schweine erstickten in zwei brennenden Ställen. Und das war bloß ein Feuer von vielen. »Die Erfahrung der vergangenen Jahre hat gezeigt, dass Brände nicht nur in Wäldern, sondern auch in offenen Landschaften wie Heiden, Mooren und Landwirtschaftsflächen zunehmend Probleme machen«, sagt Johann Georg Goldammer. »Aber die werden in der Statistik bisher gar nicht erfasst.«

Feuer und Wasser

Goldammer und sein Team können sich deshalb keine Pause erlauben. Seit dem Jahr 2000 bilden sie Spezialisten für Feuermanagement aus. Erst Ende Juli 2022 waren Führungskräfte der Berufsfeuerwehren Freiburg und München da, um verschiedene Methoden zur Bekämpfung von Landschaftsbränden zu trainieren.

»Gerade in Regionen, in denen es wenig Wasser gibt, sind Gegenfeuer ein sehr effektives Verfahren zur Brandbekämpfung«Johann Georg Goldammer, Forstwissenschaftler

Auf dem Lehrplan stand dabei zum Beispiel ein Verfahren, das auf den ersten Blick unintuitiv wirkt: Man schickt dem großen Brand ein taktisches, kontrolliertes Feuer entgegen. »Wenn sich Haupt- und Gegenfeuer aufeinander zubewegen, entsteht ein Sog, sie ziehen sich also gegenseitig an«, erklärt Goldammer. Schließlich vereinigen sie sich zu einem einzigen, sehr heißen Feuer. Doch das bricht bald zusammen, weil es keine brennbare Nahrung mehr findet: Da Haupt- und Gegenfeuer aus entgegengesetzten Richtungen gekommen sind, haben sie unterwegs schon jegliches Brennmaterial aufgezehrt. Das vereinigte Feuer kann nun also weder vor noch zurück. »Gerade in Regionen, in denen es wenig Wasser gibt, ist das ein sehr effektives Verfahren zur Brandbekämpfung«, sagt der Experte. Vor allem auf Ackerflächen mache man damit gute Erfahrungen.

Die wichtigste Waffe im Kampf gegen Landschaftsbrände bleibt allerdings nach wie vor das Wasser. Doch wie bringt man es am besten zum Ort des Geschehens? In Deutschland gibt es bisher nur wenige Löschfahrzeuge, die auch auf schwierigem Gelände operieren können. In der Land- und Forstwirtschaft dagegen sind jede Menge geländegängige Fahrzeuge und Maschinen im Einsatz. Kann man die im Notfall vielleicht schnell für einen Löscheinsatz umrüsten? An dieser Idee hat das Freiburger Team seit 2020 zusammen mit der Spezialfirma Welte getüftelt. Vor wenigen Wochen hat der von ihnen entwickelte »Tankrucksack« die letzten Tests bestanden. Er besteht im Prinzip aus einer großen Box, die einen Wassertank mit einem Fassungsvermögen von 300 bis 1600 Litern und einen separaten Tank für Schaumlöschmittel enthält. Der »Rucksack« lässt sich an Forstmaschinen, Traktoren und alle möglichen anderen Geländefahrzeuge anhängen, die selbst schwer zugängliche Gebiete erreichen können.

Angehängt | Mit dem »Tankrucksack« lassen sich Forstmaschinen und Traktoren zu Löschfahrzeugen umrüsten, die auch auf schwierigem Gelände operieren können.

Panzer und Drohnen

Überall kommt man allerdings selbst mit solchen Fahrzeugen nicht hin. Oft hapert es dabei nicht an der Geländegängigkeit, sondern an der Sicherheit. Denn vor allem in Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern brechen immer wieder Feuer auf ehemaligen Truppenübungsplätzen oder in den Kampfgebieten des Zweiten Weltkriegs aus. Dort liegt vielerorts noch jede Menge Munition, die einem bei einem Brand leicht um die Ohren fliegen kann. Deshalb muss die Feuerwehr aus Sicherheitsgründen einen Abstand von 1000 Metern zu solchen munitionsbelasteten Flächen halten. Löschen ist aus dieser Entfernung unmöglich. Selbst von Hubschraubern aus lassen sich Löschladungen aus einem Kilometer Höhe nicht genau genug platzieren.

Die Feuerexperten des GFMC untersuchten zwischen 2010 und 2014 in einem Forschungs- und Entwicklungsprojekt auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz Jüterbog-Ost in Brandenburg, ob sich die wertvollen Heideflächen dort durch den gezielten Einsatz von Feuer offen halten lassen. Eigentlich ging es dabei um Fragen von Ökologie und Naturschutz. Allerdings sind auch in diesem Gebiet die Flächen munitionsbelastet. Und so wurde rasch klar, dass man spezielle Methoden brauchte, um dort kontrolliert und gefahrlos Feuer legen und wieder löschen zu können. »Wir haben dazu alte Panzer aus russischer Produktion getestet, die von einer Spezialfirma zur Feuerbekämpfung umgerüstet wurden«, erinnert sich Johann Georg Goldammer.

In Zusammenarbeit mit dem Unternehmen DiBuKa (Dienstleistungen im Brand- und Katastrophenschutzfall) in Sachsen-Anhalt entstand so der Feuerlöschpanzer »SPOT 55«. Er besitzt zwei Tanks mit einem Fassungsvermögen von insgesamt 11 000 Litern und ist vorn und hinten mit mehreren Löschkanonen ausgestattet. Im Einsatz wird seine Oberfläche mit einem Sprühnebel aus zahlreichen Düsen gekühlt. Fährt er mit Menschen an Bord durch ein Brandgebiet, sind die Passagiere in seinem Inneren gegen Hitze, Explosionen und Radioaktivität geschützt. Bei Bedarf lässt sich der Panzer sogar aus einer Entfernung von bis zu 1500 Metern fernsteuern. Inzwischen verfügt die DiBuKa über weitere gepanzerte Helfer. So kam Ende Juli 2022 bei einem Waldbrand in der Nähe von Torgau in Sachsen ein Schützenpanzer »Marder« zum Einsatz, den die Experten zu einem Löschpanzer umgebaut hatten.

Panzer im Löscheinsatz | Bei einem Waldbrand in Sachsen nutzten Spezialisten im Sommer 2022 einen »Marder«-Panzer, der zum Löschfahrzeug umgebaut worden war. Das Gefährt ist deutlich sicherer als normale Löschfahrzeuge.

Die technischen Fortschritte der vergangenen Jahre machen die Brandbekämpfung aber auch auf munitionsfreien Flächen leichter. »Drohnen zum Beispiel können sehr wichtige Informationen liefern – gerade in unübersichtlichem Gelände«, erklärt Johann Georg Goldammer. Wie fliegende Augen erkunden sie mit ihren Infrarotsensoren, wo typische Feuertemperaturen herrschen. Und wenn sie derartige Stellen gefunden haben, können sie beobachten, wie sich der Brand ausbreitet. »Noch ist nicht jede Feuerwehr mit solchen Drohnen ausgerüstet«, berichtet der Freiburger Experte. »Doch sie werden immer häufiger eingesetzt.«

Mit vereinten Kräften

Für Goldammer ist die erfolgreiche Bekämpfung von Landschaftsbränden aber nicht nur eine Frage der Technik, sondern auch eine der Kooperation. Die traditionelle Vorstellung, dass für Feuer eben die Feuerwehr zuständig sei und niemand sonst, hält er für nicht mehr zeitgemäß. »Feuer kennt keine Grenzen zwischen Vegetationstypen, Landeigentümern oder Zuständigkeiten. Also müssen bei der Bekämpfung alle an einem Strang ziehen.«

Wie das gehen kann, erproben er und sein Team im »Freiburger Modell«: In den vergangenen Jahren hat sich in der Stadt eine enge Zusammenarbeit zwischen dem GFMC, der Feuerwehr, der Freiburger Verkehrs AG und dem Forstamt entwickelt. Ziel ist es, für den Ernstfall gemeinsam zu planen und zu üben. Im Modellrevier Schauinsland ist so beispielsweise eine Waldbrandkarte entstanden, die wichtige Informationen über das Gelände, besonders gefährdete Lagen und mögliche Zufahrten enthält. Der Revierförster und seine Forstwirte verfügen zudem über Handgeräte und eine Ausbildung in der Brandbekämpfung. So können sie Feuer aufhalten, bis die von ortskundigen Forstleuten geleitete Feuerwehr eintrifft. »Diese Kooperation hat sich schon bei mehreren Bränden bewährt. Auch in diesem Jahr«, sagt Goldammer.

Doch nicht nur bei der Brandbekämpfung sei das Engagement der Forstwirtschaft gefragt, sondern auch bei der Prävention, erklärt der Forscher. Sie müsse versuchen, ihre Flächen weniger feuerempfindlich zu machen. »Aus alten forstwissenschaftlichen Lehrbüchern kann man da einiges lernen«, findet Goldammer. Zum Beispiel über das Anlegen von Schneisen, die Feuer aufhalten können.

Feuer mit Feuer bekämpfen | Manchmal legen Einsatzkräfte selbst Brände. So können freigebrannte Schneisen oder Gegenfeuer zum Beispiel dabei helfen, großflächige Feuer zu verhindern.

Tradition haben etwa die so genannten Wundstreifen entlang von Straßen, Bahngleisen oder viel genutzten Waldwegen. Dort wird auf einer Breite von einem oder wenigen Metern der Boden gepflügt oder umgegraben. Falls an den Verkehrswegen ein Feuer ausbricht, breitet es sich vielleicht auf die direkt angrenzende Grasfläche aus. Dann aber trifft es auf den Streifen, in dem es keinen Brennstoff mehr findet – und kommt erst mal nicht weiter. Selbst wenn ein paar Funken das Hindernis überwinden, können die so entstandenen kleinen Feuer leicht unter Kontrolle gebracht werden.

Das gleiche Prinzip steckt auch hinter den bis zu 30 und mehr Meter breiten Brandschutzstreifen, aus denen Totholz, Gestrüpp und anderes brennbares Material entfernt wird. Oder hinter den bis zu 100 Meter breiten Waldbrandriegeln, in denen gezielt weniger brennbare Laubbäume angepflanzt werden. Dort wird der Wald intensiv durchforstet und das Unterholz mechanisch entfernt, durch kontrolliertes Abbrennen oder durch weidende Tiere – alles mit dem Ziel, Feuern möglichst wenig Nahrung zu bieten und so ihre Ausbreitung zu stoppen.

Lange Zeit waren solche Maßnahmen vielerorts aus der Mode gekommen. In den vergangenen Jahren hat das Interesse an ihnen jedoch wieder zugenommen. »Man muss allerdings bedenken, dass diese Verfahren für unser altes Klima entwickelt wurden«, sagt Johann Georg Goldammer. Ob und in welcher Form sie im Klima der Zukunft noch hilfreich sind, müsse sich erst zeigen.

Der Forstwissenschaftler sieht zudem ein weiteres Problem auf die Welt zukommen: »Wenn man das Risiko von Waldbränden reduziert, geht das zu Lasten der Biodiversität.« Schließlich ist Totholz nicht nur potenzielles Brennmaterial, sondern auch Nahrung und Lebensraum für zahlreiche Tiere. Es komplett aus den Ökosystemen zu entfernen, ist daher auch in den Augen des Feuerexperten keine Lösung. Doch in strategisch ausgewählten Bereichen müsse man den Brandschutz in den Vordergrund stellen, um den Rest des Waldes zu schützen. Vor den Flammen im Zeitalter des Feuers.

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