Waldbrände: »Wir haben uns die Forstbrandgefahr selbst geschaffen«
Die beiden großen Waldbrände vom Wochenende bei Treuenbrietzen und Beelitz in Brandenburg sind inzwischen gelöscht. Vor allem Regen hat Entspannung gebracht. Zwischenzeitlich hatten mehr als 400 Hektar in Flammen gestanden. Die Brandgefahr hat sich in der Region in den zurückliegenden Jahren deutlich erhöht. Allein 2022 wurden von den Behörden bereits fast 200 Brände gezählt. Einer der Brände hat auch einen Teil der Versuchsflächen des Langzeitexperiments »Pyrophob« vernichtet. Hier untersuchen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus insgesamt acht Institutionen seit Mai 2020, was Wälder widerstandsfähiger gegen Waldbrände, Hitze und Trockenheit macht. Pierre Ibisch, der Leiter des Forschungsprojekts, erzählt im Gespräch, warum Wälder schlecht brennen, Forste dafür umso besser, wie sich so ein Feuer ausbreitet – und warum kontrollierte Brände sogar ökologisch sinnvoll sein können.
»Spektrum.de«: Herr Ibisch, am Wochenende standen in Brandenburg mehr als 400 Hektar Wald in Flammen. Eine der Flächen brannte bereits im Jahr 2018. Müssen wir uns künftig daran gewöhnen?
Pierre Ibisch: Ich befürchte, dass wir mit Witterungsverhältnissen, wie wir sie am Wochenende erlebt haben, langsam – zumindest im Sommer – auf kalifornische Verhältnisse zusteuern. Das ist völlig verrückt, weil wir hier in Deutschland kein Mittelmeerklima haben, sondern uns immer noch in den gemäßigten Breiten befinden. Aber die Höchsttemperaturen von bis zu 40 Grad, die wir schon in brandenburgischen Kiefernforsten gemessen haben, stehen denen in Kalifornien kaum nach. Dort ist man Waldbrände im Sommer ja leider schon gewohnt. Wenn es über eine längere Zeit viel zu trocken und die Vegetation geschwächt ist und ein starker Wind dazukommt, dann wird es gefährlich.
Was macht gerade Brandenburg zu einem besonders feuergefährdeten Bundesland?
Das Land ist sehr geprägt von Kiefer-Monokulturen. Mehr als 70 Prozent der Waldflächen sind Forste, die von dieser einen Baumart dominiert werden. Die entpuppen sich jetzt als gefährliche Brandsätze – wegen ihres leicht brennbaren, harzigen Holzes und ihrer Nadeln und der geringen Widerstandskraft dieses monotonen, artenarmen Ökosystems. Es hat hier zwar auch in früheren Zeiten schon gebrannt, aber die Dimension der Risiken ist jetzt eine andere. Lange Trockenperioden treffen auf heiße Winde und auf Böden, die kein Wasser halten können. Hier brennt kein Wald, sondern ein Forst – das ist ein Unterschied.
Inwiefern?
Auch wenn man die Begriffe umgangssprachlich gerne synonym verwendet, versuchen wir, da mittlerweile zu differenzieren. Ein Forst ist eine sehr stark vom Menschen veränderte Kulturlandschaft, im Extremfall wie bei den Kiefern eine Baumplantage. Der Boden wird vor der Erstaufforstung gepflügt, die Kiefern werden in Reih und Glied gepflanzt – alle gleich alt, gleich groß, von der gleichen Art. Ein Wald dagegen wächst natürlich und im besten Fall ohne Eingriff von außen. Er ist ein komplexes Ökosystem, gekennzeichnet durch einen hohen Grad von Selbstorganisation und Selbstregulation. Die Natur entscheidet gewissermaßen selbst, wo welche Bäume wachsen und wie sie wachsen. Naturnahe Wälder schaffen sich ihr eigenes Mikroklima, gehen sehr effizient mit knappen Ressourcen wie Wasser und Nährstoffen um. Das ist in diesen Kiefernplantagen anders. Das kommt in der aktuellen Berichterstattung, die sehr stark auf den Klimawandel fokussiert, etwas zu kurz.
Wie meinen Sie das genau?
Nun, wir hätten in Deutschland, zumal in Norddeutschland, eigentlich gar keine erhöhte Waldbrandgefahr. Natürlich für unsere Klimazone sind schlecht brennbare Laubmischwälder. Nadelwälder wachsen hier nicht flächig, in höheren Gebirgslagen vielleicht mal vereinzelt. Wir haben uns die Forstbrandgefahr, wie ich es jetzt mal bewusst nenne, selbst geschaffen.
Was brennt denn da? Die Bäume? Der Boden? Das Totholz?
Im intakten Kiefernforst brennt in der Regel zunächst die trockene Nadelstreu am Boden. Ein solches Bodenfeuer muss noch nicht sehr intensiv sein und wird auch nicht so heiß. Dann kommt es darauf an, ob das Feuer auf weiteren Brennstoff trifft und wie die Witterung ist. Bei heftigem Wind können die Flammen höher auflodern, mehr Borke erfassen, dann sogar in die Krone springen und schnell außer Kontrolle geraten.
Sie sind am Forschungsprojekt »Pyrophob« beteiligt, das im Mai 2020 startete – auch als Antwort auf das große Feuer in der Region Treuenbrietzen im Jahr 2018. Mit dem Vorhaben soll die Frage beantwortet werden, wie ein feuerfester Wald aussehen kann. Gibt es schon erste Erkenntnisse?
Wir schauen uns vor allem an, wie sich die Flächen, die gebrannt haben, erholen und welche Pflanzen sich dort neu ansiedeln. Die große Frage lautet: Wie kommen wir zu einem Wald, der pyrophob, also feuerfest, und widerstandsfähiger als die Ausgangssituation ist? Ist das ein Wald, der den extremen Bedingungen des Klimawandels widerstehen kann? Das untersuchen wir auf verschiedenen Versuchsflächen mit unterschiedlichen Bedingungen – mit und ohne Totholz, mit und ohne starke Bodenbearbeitung, mit und ohne Aufforstung. Doch der neuerliche Brand am vergangenen Freitag hat einen beträchtlichen Teil des Forschungsdesigns und auch viele Messgeräte zerstört. Dabei waren die ersten Ergebnisse sehr interessant: Es siedelten sich dort Bäumen von allein an, vor allem Zitterpappeln, die viel effektiver wuchsen als alles, was von Menschenhand gepflanzt wurde. Außerdem bildeten sich bereits eine Moosschicht und Krautpflanzen, die den Boden beschatten und Wasser darin halten. Es entwickelte sich ein richtiges Mikroklima. Gleichzeitig war klar, dass innerhalb von vier Jahren kein feuerfester Wald entstehen kann. Dieser Zweitbrand hat uns deshalb nun zurückgeworfen. Wir sind aber gespannt, ob die Wurzelnetzwerke, etwa die der Pappeln, das Feuer überstanden haben und wieder neu austreiben.
Was, wenn nicht?
Das wäre auf lange Sicht sehr beunruhigend. Denn wenn der Boden einmal so geschädigt ist, dass nichts mehr austreibt oder sich neu ansiedeln kann, und keine Bäume mehr da sind, die Samen verbreiten, droht uns eine Versteppung. Wir schauen mit Sorge auf Gebiete etwa in Colorado, im Südwesten der USA, wo man das schon beobachten kann. Hier zu Lande ist es zum Glück noch nicht so weit gekommen, aber wir müssen die Waldentwicklung jetzt entschlossen fördern, mit deutlich mehr finanziellen Ressourcen. Leicht brennbare Kiefernforste sollten aus meiner Sicht der Vergangenheit angehören. Das muss verboten werden.
Wie könnte der Wald der Zukunft aussehen? Werden wir wegen des Klimawandels auch über neue Baumarten sprechen müssen, etwa über Douglasien oder Zedern?
Ich sehe vorerst keine Zukunft für neue Baumarten aus wärmeren Gegenden bei uns. Unsere Wälder werden von Dutzenden von Baumarten gebildet, die teilweise auch in trockeneren und wärmeren Gebieten vorkommen. Das Entscheidende ist, dass wir einen Wald nicht nur als Ansammlung von Bäumen verstehen, sondern als komplexes System. Heimische Bäume kommen in gesunden Ökosystemen nachweislich auch mit einem extremeren Klima besser zurecht als in stark genutzten Beständen. Die aktuelle Strategie muss darin bestehen, mit gesunden Wäldern Zeit zu kaufen, bis uns einfällt, wie wir die Klimakrise nachhaltig bekämpfen können. Flächige Waldgebiete sind in Dürrezeiten relevant, um Wasserkreisläufe zu erhalten. Aus ihnen verdunstet Wasser, das Wolken bildet und für Niederschläge sorgt, wenn diese nicht vom Atlantik kommen.
Wie kann ein ökologisch sinnvoller und nachhaltiger Waldumbau gelingen?
Das ist eine gute Frage. Wir reden schon recht lange darüber und kommen offenkundig nicht voran. Es gibt ökologisch-biotische Hindernisse, aber vor allem natürlich sozioökonomische. Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer müssen zunächst einmal wirklich wegwollen von der Kiefer. Doch Kiefern wachsen schnell, sie sind der Brotbaum der Holzwirtschaft. Andere Baumarten liefern vielleicht nicht das Holz, das derzeit nachgefragt ist. Das kann aber kein Argument sein. Was nützt ein vermeintlich effizienter Forst, der abbrennt? Außerdem muss man sich fragen, wie man die Waldentwicklung angehen will. Einfach neue Bäume zu pflanzen, führt zu keiner ordentlichen Strukturvielfalt, denn dann sind die neuen Pflanzen wieder alle gleich alt und gleich groß. Laubbaumsämlinge sind zudem ein beliebter Snack bei diversen Pflanzenfressern. Es muss also gegebenenfalls – zumindest in Monokulturen – straffer gejagt werden, bis das Ökosystem sich besser selbst regulieren kann.
Das schürt aber neue Interessenkonflikte.
Natürlich. Das alles braucht auch Zeit. Vor allem muss es sich für Waldbesitzer lohnen, nicht nur Holz zu produzieren, sondern auch andere Ökosystemleistungen von gesellschaftlicher Relevanz zu erbringen – etwa Kühlung und Wasserrückhaltung oder Senkung von Landschaftsbrandrisiken. Das muss der Gesellschaft etwas wert sein, wir brauchen ein angemessenes Honorierungssystem.
Können Sie einem Waldbrand – solange niemand ernsthaft zu Schaden kommt – auch etwas Gutes abgewinnen?
Einem Brand in dem Ausmaß wie am Wochenende natürlich nicht. Das macht mir Angst und macht mich betroffen. Doch kontrollierte Brände können den Waldumbau möglicherweise beschleunigen. Wir haben das zwar noch nicht publiziert, aber eine qualitative Beobachtung aus unserem Projekt ist, dass sich nach einem leichten Bodenfeuer in einem Kiefernforst sehr viel leichter Pionierbäume wie Zitterpappeln und Birken ansiedeln. Zudem erhöht sich die gesamte Biodiversität. Wir haben eine deutliche Steigerung der Artenzahl gesehen, quer durch alle Taxa – bei den Pflanzen, Vögeln, Insekten. Dadurch entsteht mehr Interaktion, ökologische Prozesse werden angekurbelt. Ein Feuer kann dahingehend neue Impulse setzen und geradezu paradoxerweise vielleicht auch in Kiefernforsten die Brennbarkeit absenken.
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