Amerikas »Geburtsurkunde«: Wie zwei Kartografen den amerikanischen Kontinent erfanden
Tief hinter Bäumen und halb zugewachsen steht die ehemalige Binzenmühle mitten im Zentrum der 6000-Seelen-Gemeinde Schallstadt an der Badischen Weinstraße. Vor dem einfachen Holztor liegt ein Mühlstein im tiefen Gras, daneben ein verrosteter Traktor. Die Bruchsteinmauern der Mühlgebäude halten moosbedeckte Spitzdächer mit hölzernen Dachgauben. Drum herum wird viel gebaut, ein neues Rathaus, ein Kulturzentrum, ja, eine ganz moderne Ortsmitte soll entstehen. Die Mühle hingegen scheint in einem bedauernswerten Zustand. Und das, obwohl hier, knapp jenseits der Stadtgrenze von Freiburg, einer der Namensgeber Amerikas geboren wurde.
Schallstadts berühmter Sohn ist der Kartograf Martin Waldseemüller (1472/75–1520). In seinem bedeutendsten Werk aus dem Jahr 1507 wird der neu entdeckte Kontinent jenseits des Atlantiks zum ersten Mal überhaupt als »Amerika« bezeichnet. Und damit hat er, wie es nicht nur die Schallstädter auf ihrer Website ausdrücken, den Kontinent »getauft«.
Lange wurde um die Anerkennung als Geburtsort gerungen, inzwischen aber gilt es als nahezu sicher, dass Waldseemüller im Schallstädter Ortsteil Wolfenweiler geboren wurde. Verdient gemacht hat sich um diese Forschung besonders Horst Reuter, Mitglied des örtlichen Geschichtsvereins. Zum Thema kam der 85-jährige, rüstige Rentner wie die »Jungfrau zum Kinde«. Die »FAZ«-Berichterstattung über den Verkauf von Waldseemüllers berühmtester Karte Anfang der Nullerjahre in die USA habe sein Interesse geweckt. »Der Rest ist history«, erklärt er scherzhaft mit leichtem hessisch-amerikanischen Akzent. Über die Hälfte seines Lebens hat er in den USA verbracht und fühlt sich vielleicht gerade deswegen der Waldseemüllerkarte verpflichtet.
Gegenüber der Binzenmühle, an der Brücke über das Betzenbächle, ist Ende Oktober 2021 feierlich ein Faksimile jener Karte eingeweiht worden. Schon vor Jahren wurde die Straße an der Binzenmühle zu Ehren Waldseemüllers umbenannt. Nur der Stein, der für eine lebensgroße Bronzestatue des Kartografen vorgesehen ist, steht bis heute verwaist da.
Waldseemüller zog als Kind in die Universitätsstadt Freiburg
Während die Library of Congress in Washington etwa zehn Millionen US-Dollar für die Karte Waldseemüllers ausgab, finden sich weder Sponsoren für die Restaurierung der Binzenmühle noch für die Aufstellung der Bronzestatue Waldseemüllers. Der Kartograf scheint verkauft und vergessen. Vor zwei Jahren schrieb die »Badische Zeitung« über Gerüchte, wonach die Binzenmühle »als Ganzes nach USA oder China« kommen könnte. Waldseemüllers Geburtshaus befindet sich seit Generationen in Privatbesitz. Da es nicht unter Denkmalschutz steht, ist es, so die »Badische Zeitung«, »derzeit mehr oder weniger dem Verfall preisgegeben«.
Die Binzenmühle ist vermutlich das letzte noch erhaltene Wohnhaus Waldseemüllers. Sein späteres Elternhaus in Freiburg, in das die Familie um 1480 zog, wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. An dessen Stelle steht nun ein Hörsaalgebäude der Albert-Ludwigs-Universität – just jener Alma Mater also, an der Waldseemüller selbst ab 1490 immatrikuliert war.
Auch Martin Lehmann forscht an der Freiburger Uni. In seiner Dissertation von 2010 und der Habilitation von 2017 beschäftigte er sich intensiv mit der Waldseemüllerkarte. Das mit Amerika, erklärt der studierte Latinist lachend, »ist praktisch eine Fake-Geschichte. Sie stellen Amerika so dar, obwohl sie glauben, dass es nicht so ist«.
Der Geograf und Historiker Lehmann vertritt die These, dass Waldseemüller im Verbund mit seinem ehemaligen Freiburger Kommilitonen, dem Elsässer Matthias Ringmann (1482–1511), einen Kontinent erschuf, für den es damals noch keine Belege gab – zumindest keine, die wir heute kennen. Ziel der beiden: ein portugiesisches Wirtschaftskomplott gegen die spanische Krone zu schmieden. »Die Karte ist eigentlich ein propagandistisches Werk, um die Spanier abzuhalten, auf dem Westweg die Gewürzinseln zu erreichen.«
Waldseemüllers Kompagnon Ringmann gilt als Verfasser der 100 Seiten starken »Cosmographiae Introductio«, des Begleitwerks zur Waldseemüllerkarte. In dieser kosmografischen Einführung stehen die bekannten Worte, mit denen Ringmann dem Kontinent den Namen gab: »Nun aber sind diese eben besprochenen (Erd-)Teile weithin erkundet und auch der andere, vierte Teil ist vor Kurzem von Amerigo Vespucci entdeckt worden. Ich sehe nicht, warum jemand mit Recht verbieten sollte, diesen vierten Teil nach seinem Entdecker (…) Amerika zu nennen.« Er wählte die weibliche Form, weil, wie er schreibt, »auch Europa und Asien nach Frauen benannt wurden«.
Sciencefiction in der Frühen Neuzeit
Dieser viel zitierte Absatz ließ aber oft den folgenden übersehen, der, obwohl in nüchternem Tonfall gehalten, für die Zeitgenossen eine weit gewaltigere Aussage bereithielt: »Die Erde ist nun auf diese Weise bekanntermaßen in vier Teile geteilt, und die ersten drei Teile bilden eine zusammenhängende Landmasse, der vierte Teil ist ein solitärer Kontinent, weil er erwiesenermaßen auf jeder Seite vom Meer umgeben ist.«
Dass das Vorhandensein eines vierten und vor allem separaten Kontinents überhaupt nicht der zeitlichen Vorstellung entsprach, ist für Lehmann das eigentlich Bemerkenswerte bei der Benennung Amerikas. Auch dass Ringmann diese Gegebenheit als so selbstverständlich und erwiesen darstellt, ist außergewöhnlich, denn er vergrößerte damit die damalige Welt über die Vorstellungswelt der Zeitgenossen hinaus. Christoph Kolumbus selbst war zeitlebens davon überzeugt, die Inseln, an denen er gelandet war, gehörten zu Asien. Seine Entdeckung war für Europa vielleicht spektakulär, aber im Grunde keine Zeitenwende. Portugiesen wie Spanier hatten im Laufe des 15. Jahrhunderts in regelmäßigen Abständen »Entdeckungen« gemacht bei ihren Fahrten rund um Afrika und nach Asien.
Aber eine »Neue Welt« eingezeichnet zu finden, wo man bislang nur einen Ozean vermutete, noch dazu auf einer immensen Weltkarte, musste Waldseemüllers Zeitgenossen erscheinen wie den Menschen heute die Entdeckung eines erdähnlichen Planeten in einer fernen Galaxie – eines bewohnten noch dazu, denn auch auf den Ländern südlich des Äquators lebten ja ganz offensichtlich Menschen. Dabei galt es zuvor als wenn nicht ausgeschlossen, so doch höchst unwahrscheinlich, dass es die sagenhaften Antipoden, die »Gegenfüßler«, tatsächlich gab und man sie sogar per Schiff erreichen konnte. Genau das aber beschrieb der Florentiner Amerigo Vespucci in seinen Reisechroniken, was diese Bücher im Europa des beginnenden 16. Jahrhunderts zu begehrten Bestsellern machte.
Ein Thinktank in den Vogesen
Geschrieben hat Ringmann sein kleines und doch so explosives Werk zu Waldseemüllers Karte in Saint Dié, 70 Kilometer Luftlinie von Freiburg in den französischen Vogesen, dem damaligen Herzogtum Lothringen. Hier bildete Ringmann zusammen mit Waldseemüller auf Einladung des Herzogs René II. das Gymnasium Vosagense, einen kartografischen Gelehrtenzirkel. Ihre Aufgabe bestand darin, ein neues, sozusagen multimediales Kartenwerk zu erstellen: Es umfasste neben der großen Weltkarte und dem Begleittext der »Cosmographiae Introductio« auch eine Globussegmentkarte, einen Faltglobus, den die Käufer nach einer Anleitung zusammensetzen konnten. Für die Zeitgenossen muss schon allein dieses frühneuzeitliche Medienpaket eine Sensation gewesen sein.
»Inhaltlich war Ringmann die Nummer eins« bei der Zusammenstellung des Kartenmaterials, erklärt Lehmann; Waldseemüller hingegen derjenige, der die Karte ausarbeitete und zeichnete. Herzog René hatte beste Kontakte in die europäischen Machtzentralen und konnte so den beiden Gelehrten eine Vielzahl an teilweise geheimen Quellen zur Verfügung stellen. Unter anderem konnte das Team Waldseemüller-Ringmann auf den »Mundus Novus«-Brief Vespuccis zurückgreifen, in welchem er die »Neue Welt« beschrieb. Auf der späteren Waldseemüllerkarte machten sie Vespucci zum »Kronzeugen ihrer Amerikadarstellung«, so Lehmann, »aber Vespucci hat nie gesagt, dass Amerika separat ist, ganz im Gegenteil, für ihn hing das an Asien dran«.
Der Privatdozent am Seminar für Griechische und Lateinische Philologie der Freiburger Universität erklärt: »Vespucci sagt auf Latein, dass das ein Kontinent ist, aber das Problem ist, dass der Begriff Kontinent, lateinisch continens, ›zusammenhängen‹ heißt, und deswegen spricht er von einem zusammenhängenden Land« und nicht wie im modernen Sinne zu verstehen von einem separaten Kontinent.
Während Christoph Kolumbus im Oktober 1492 in der Karibik landete und mehrere Inseln entdeckte, reiste Vespucci wahrscheinlich bis zu viermal zwischen 1497 oder 1499 und 1504 nach Amerika, die genauen Details sind umstritten. Auf diesen Reisen konnte er einen Großteil der Ostküste Südamerikas erkunden, etwa von Venezuela bis ins heutige Argentinien. Er erkannte zudem, dass es sich bei der vor ihm liegenden, riesigen Landmasse nicht um vorgelagerte Inseln Asiens handelte, wie es Kolumbus beschrieben hatte, sondern um eine »Neue Welt«, die aber ein Teil von Asien sein müsse. Sein »Mundus Novus«-Brief machte auch auf Grund seiner bildreichen Sprache Furore in Europa, wurde nachgedruckt, literarisch erweitert und verfälscht. In einer abgeänderten Form gelangte dieser Brief nach Saint Dié und wurde von Ringmann rezipiert und übersetzt.
Dabei veränderte Ringmann den ursprünglichen Wortsinn von »continens« zu »insula«. Nach Meinung Lehmanns tat er dies aus ganz weltlichen Gründen. Denn die »riesige Landmasse, die sich von Norden nach Süden wälzt und praktisch wie ein Riegel alles versperrt und gleichzeitig den Pazifik auffaltet, ist eine so lange Strecke, die kann kein Mensch überwinden«. Die Westroute zu den Gewürzinseln – und um nichts anderes ging es Kolumbus und den Spaniern – schien laut dieser Karte unmöglich: »Wenn die Spanier das glauben würden, dann würden sie verzweifeln.« Sie hätten die Suche nach dem Westweg genauso gut einstellen können.
»In der Zeit der Renaissance war es üblich, mit Karten Politik zu machen«
Für Lehmann segelten Ringmann und Waldseemüller kartografisch unter portugiesischer Flagge. Dafür spricht seiner Meinung nach, dass sie beide Schüler des in Freiburg lehrenden Gregor Reisch (etwa 1470–1525) gewesen sind. Dieser war zu jener Zeit ein bekannter Kartäuserprior, dessen Klosterbibliothek in Freiburg »zeitweise den Mittelpunkt des geistigen Lebens im südwestdeutschen Raum bildete«, wie der Freiburger Forscher in seiner Dissertation ausführt. Außerdem war er Berater und Beichtvater des habsburgischen Königs Maximilian (1459–1519), dem späteren Kaiser des Heiligen Römischen Reiches. Maximilian hatte gute Kontakte nach Lissabon, seine Mutter war Portugiesin, und der portugiesische Hof war ausländischen Investoren gegenüber generell aufgeschlossener als der in Madrid. Außerdem stand Maximilian in der Schuld der Augsburger Fugger, die auf den portugiesischen Schiffen nach Indien fuhren und enorm von deren Gewürzhandel profitierten.
In den Freiburger Archiven fand sich ein Dokument aus dem Jahr 1492. Darin beklagt sich König Maximilian beim Stadtrat über die unzureichende Aufklärung des Mordes an einem Metzgermeister der Stadt. Ein König und ein Metzger, das passt nur zusammen, wenn man weiß, dass es sich bei dem Metzger um Conrat Waldseemüller, Martins Vater, handelte, und man, wie Lehmann, von einer Verbindung zwischen Maximilian, Reisch und Waldseemüller junior ausgeht.
Die in Saint Dié entstandene Karte hält aus Lehmanns Sicht aber noch weitere Beweise portugiesischen Einflusses bereit. Denn während Afrika und Europa sehr gut getroffen sind und Waldseemüller anscheinend auf aktuelles Kartenmaterial der Portugiesen zurückgreifen konnte, erscheint Indien und der Rest Asiens noch wie zu Zeiten Claudius Ptolemäus (um 100–160). Auch in der Legende am oberen Rand der Waldseemüllerkarte steht das Bild des antiken Geografen dem Vespuccis gegenüber. Die neue Erkenntnis (Vespucci) mit dem Verständnis der alten Welt (Ptolemäus) zu verbinden, verlieh der Karte die nötige Wissenschaftlichkeit.
Präzise im Bekannten, vage in allem anderen
»Es ging um Verschleierung«, erläutert Lehmann, der davon ausgeht, dass die Auftraggeber der beiden Kartografen zwar die Spanier im Westen verunsichern, aber gleichzeitig nicht die gerade erst entdeckten Seewege um Indien preisgeben wollten, denn das Rennen zu den Gewürzinseln war noch unentschieden. Einen weiteren Beleg für seine These findet Lehmann in einer anderen Karte Waldseemüllers, der »Carta Marina«. Diese 1516 gefertigte Seekarte zeigt nun deutlich die eigentlichen Begebenheiten auf dem Weg zu den kurz zuvor von Europäern entdeckten Molukken: »Hier ging es nun um Dokumentation, denn zu diesem Zeitpunkt waren die Portugiesen bereits vor den Spaniern dort angekommen«, jetzt ging es darum, die Besitzverhältnisse klar aufzuzeigen.
Was aber auch Lehmann nicht erklären kann, ist, wie Waldseemüller die Westküste Südamerikas in ihren groben Zügen so prägnant wiedergeben konnte. Hatten sie in Saint Dié geheime Berichte von Europäern, die die amerikanische Pazifikküste bereist hatten? Der Erste, der laut offiziellen Quellen dorthin gelangte, war der spanische Konquistador Vasco Núñez de Balboa im Jahr 1513; da war die Karte längst gedruckt. »Die müssen eine völlige Außenseiterquelle benutzt haben, um ihr politisches Ziel zu verwirklichen, in der Annahme, dass es wahrscheinlich ohnehin nicht stimmt«, meint Lehmann.
Gab es geheime Aufzeichnungen?
Welche Quellen das gewesen sein könnten, darüber kann auch der Freiburger Forscher nur spekulieren. Vielleicht eine aus China oder Arabien, von Seefahrern, die Amerika über den Pazifik her erreicht haben könnten. Vielleicht war sogar Vespucci noch viel weitergefahren, als er öffentlich einräumte, wie einige andere Fachleute mutmaßen. Manche Stellen in seinen Briefen lassen sich so auslegen. Das wäre dann ein Verstoß gegen den Vertrag von Tordesillas gewesen, der die Welt seit 1494 in eine spanische, westliche und eine portugiesische, östliche Einflusssphäre aufteilte.
Doch für solche geheimen Fahrten gebe es »bisher keine belastbaren Beweise«, sagt John Hessler. Der Kurator der Washingtoner Sammlung für Archäologie und Geschichte des frühen Amerikas an der Library of Congress hat sich eingehend mit der dort verwahrten Waldseemüllerkarte beschäftigt. Er konnte anhand eines Computerabgleichs die »auffallende Ähnlichkeit« der von Waldseemüller gezeichneten Umrisse mit den wirklichen Proportionen des südamerikanischen Kontinents nachweisen. »Aber leider haben wir absolut keine Quellen«, erklärt der Wissenschaftshistoriker, »die uns einen Hinweis darauf geben könnten, wie Waldseemüller zu dieser Schlussfolgerung kam.«
»Der Witz ist, die wussten gar nicht, dass sie richtiglagen«Martin Lehmann
Deswegen geht Hessler von einem kartografischen Zufall aus, von einem Glückstreffer Waldseemüllers. Man merkt ihm an, dass er mit dieser Begründung selbst nicht sehr zufrieden ist. »Das Seltsame an der Karte von 1507 ist, dass sie im Grunde eine Geografie zeigt, die wir heute wiedererkennen.« Aber für ihn als Historiker, erklärt er, gelten nur die anhand von Dokumenten und Tatsachen bewiesenen Fakten: »Spekulieren ist gefährlich auf diesem Terrain.« Selbst wenn es obskure Quellen bis nach Saint Dié geschafft hätten, wie hätte ein Waldseemüller ihren Wahrheitsgehalt richtig einschätzen können?
Einmal noch wird der Name Amerika getilgt
Nach Ringmanns frühem Tod 1511 wurde der Name »America« von Waldseemüller auf der fünf Jahre später gedruckten »Carta Marina« ausdrücklich nicht mehr verwendet. Der vormals neue Kontinent war nun wieder ein Teil Asiens. Im Erläuterungstext dazu vermerkte Waldseemüller ernüchtert und fast schuldbewusst, dass er versuche, nicht »den Anschein von Zweifeln oder Irrtümern zu erwecken« und erklärt dann, dass er seine frühere Weltkarte vor allem auf der Basis des antiken Ptolemäus ausgearbeitet hätte, weswegen es zu »Ungenauigkeiten« gekommen sei. »Der Witz ist«, sagt Lehmann, »die wussten gar nicht, dass sie richtiglagen.«
Mochte Waldseemüller auch zurückrudern, die Kunde vom Kontinent jenseits des Atlantiks war in der Welt und mit ihr sein neuer Name. Im Jahr 1538 wandte ihn Gerhard Mercator (1512–1594) auch auf den nördlichen Teil des Doppelkontinents an. Die mehr als 1000 Exemplare der ursprünglichen Waldseemüllerkarte hatten zu diesem Zeitpunkt ihre Relevanz verloren. Nur eine einzige überdauerte die Jahrhunderte: in einer Bibliothek des oberschwäbischen Schlosses Wolfegg, wo sie als berühmte »Geburtsurkunde« Amerikas vor genau 120 Jahren wiederentdeckt wurde.
In Waldseemüllers und Ringmanns ehemaliger Wirkungsstätte Saint Dié feiert man sich nun alljährlich als Wiege Amerikas. Beim Festival International de Géographie, das immer im Oktober stattfindet, wird der Amerigo-Vespucci-Preis für Reise- und Abenteuerliteratur vergeben. Dass man dabei auch fiktionale Werke einreichen darf, ist, bei Lichte betrachtet, vielleicht gar nicht so unpassend.
In Teil 1 dieser Geschichte besuchten wir jene rustikale Turmbibliothek, in der vor 120 Jahren ein kartenkundiger Jesuitenpater die damals meistgesuchte Karte der Welt entdeckte.
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