Wallace-Linie: Warum es keine Kängurus auf Bali gibt
Kängurus, Koalas und Wombats sind die typische Tierwelt Australiens. Doch je weiter man nach Nordwesten kommt, desto weniger Beuteltierarten leben dort. Und auf den großen indonesischen Inseln Sumatra, Borneo oder Java fehlen sie völlig. Umgekehrt existierten Tiger, Nashörner, Elefanten oder Affen niemals auf dem Fünften Kontinent in freier Natur. Benannt ist die Grenze zwischen beiden Faunenreichen nach dem britischen Evolutionsforscher Alfred Russell Wallace, der sie beschrieb. Loïc Pellissier von der ETH Zürich und sein Team haben in »Science« eine neue Erklärung für diese markante Trennlinie veröffentlicht, die zwischen Sulawesi und Borneo sowie Lombok und Bali verläuft: Das Klima habe entscheidend die Ausbreitung verschiedener Tierarten beeinflusst.
Denn völlig unüberwindlich war die Wallace-Linie nicht, und Tierarten haben sie in beide Richtungen überquert. Allerdings gelang dies mehr Faunenelementen, die aus Asien stammten und es nach Neuguinea oder Australien schafften als umgekehrt. Bislang wurde vor allem die Plattentektonik herangezogen, um die Unterschiede zu erklären: Vor 45 Millionen Jahren begann die Australische Platte nordwärts zu driften und schob sich unter die Eurasische Platte. Die Distanzen schrumpften, der weite Ozeane zwischen den Landmassen verkleinerte sich. Zugleich wuchsen als Folge der tektonischen Bewegungen unzählige vulkanische Inseln zwischen den beiden Kontinenten aus dem Meer, die Tiere und Pflanzen als Trittsteine nutzten, um west- oder ostwärts zu wandern. Tiefe Meeresgräben und starke Meeresströmungen an der Wallace-Linie bildeten dabei jedoch einen neuen Riegel.
Doch diese Entwicklung erklärt nicht die Asymmetrie in der Wanderung: Während den Vorfahren zahlreicher Giftschlangenarten, Warane, Tüpfelmäuse oder Flughunde der Sprung nach Australien gelang, erreichten deutlich weniger Beuteltiere die indonesischen Inseln. Pellissier und Co entwickelten daher für ihren Ansatz ein neues Modell, in das neben den Plattenbewegungen auch Klimavariablen und die Verbreitungsdaten von 20 000 Vogel-, Säugetier-, Reptilien- und Amphibienarten einflossen, die heute noch in der Region leben.
Die Simulationen zeigen, dass das Klima zumindest eine starke Rolle gespielt hat. Die meisten »Asiaten« gelangten über Inselhopping nach Neuguinea und Australien; gleichzeitig herrschte auf diesen Eilanden ein feuchtheißes tropisches Klima. Umgekehrt hatten sich die »Australier« in einem kühleren und im Lauf der Zeit zunehmend trockeneren Klima entwickelt, weshalb sie weniger leicht auf den tropischen Inseln Fuß fassen konnten: Ihre Ausbreitung wurde durch das Klima der damaligen Zeit beschränkt.
Das asiatische Klima begünstigte also Lebewesen, die über die tropischen Inseln der als Wallacea genannten Faunenregion nach Australien gelangten, insbesondere solche, die ein breites Spektrum an Klimabedingungen tolerieren konnten. Dies erleichterte die Ansiedlung von Lebewesen auf dem für sie neuen Kontinent.
Dazu kommen physiologische Eigenschaften von tropischen Arten, die im Schnitt schneller wachsen, sich häufiger fortpflanzen und stärkere Konkurrenzfähigkeit besitzen als Arten höherer Breiten: Unter tropischen Bedingungen sind sie diesen dann überlegen, wenn sie aufeinandertreffen. Umgekehrt mussten sich die australischen Arten an Trockenheit und stärkeren Wechsel zwischen kühleren und heißeren Phasen anpassen, die im Tiefland der indonesischen Inseln eine untergeordnete Rolle spielen. »Viele australische Frösche vergraben sich beispielsweise im Erdboden und ruhen dort für längere Zeit«, betont Alexander Skeels, der Erstautor der Studie von der ETH. »Bei tropischen Fröschen ist das selten.«
»Wir verstehen heutige Verbreitungsmuster der biologischen Vielfalt nur dann, wenn wir die geologische Entwicklung und die klimatischen Bedingungen der Vorzeit in unsere Überlegungen miteinbeziehen«, sagt Pellissier. Denn die Vergangenheit prägt die tropische Artenvielfalt bis heute. Sie helfe zu verstehen, weshalb man heute in den Tropen mehr Arten finde als in gemäßigten Breiten, so der Forscher.
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