Erdaltertum: Wann startete die Plattentektonik?
In uralten Diamanten haben sich Proben aus dem frühen Erdmantel erhalten, und mit ihnen Spuren früher Plattentektonik: Vor drei Milliarden Jahren veränderten demnach abtauchende Platten die Chemie des Mantels erheblich.
Gebirge und Meere prägen das Antlitz der Erde, und sie sind weit mehr als nur Höhen und Tiefen des Geoids. Sie sind die sichtbaren Symptome des Mechanismus, der die Welt seit Jahrmilliarden immer wieder umgestaltet und erneuert – der Plattentektonik. Strömungen im Erdmantel treiben die Platten der Erdkruste über die Oberfläche des Planeten, zerreißen Kontinente, lassen Meeresboden neu entstehen und wieder vergehen. Seit Jahrmilliarden – aber wie lange genau? Seit geraumer Zeit versuchen Wissenschaftler, den erdgeschichtlichen Beginn dieser Prozesse festzunageln.
Nach der Kollision, die vor 4,5 Milliarden Jahren zur Bildung des Mondes führte, bestand der Planet aus einem globalen Magma-Ozean, der sich langsam abkühlte und eine feste Kruste ausbildete. Dabei formten sich die ersten Kerne der heutigen Kontinente, die Kratone, deren Alter bis ins frühe Archaikum vor mehr als 3,5 Milliarden Jahren zurückreicht. Irgendwann nach der Entstehung dieser frühen Kontinentfragmente begannen die Wilson-Zyklen, die das Wesen der Plattentektonik ausmachen: Kontinente zerreißen und bilden einen Ozean, der sich an einem Mittelozeanischen Rücken permanent erweitert. An anderer Stelle schließt sich ein Ozean, der Meeresboden taucht unter den Kontinent ab, bis die Erdteile kollidieren und Gebirge auftürmen. Dieser Prozess schweißte immer neue Kontinentbruchstücke an die ursprünglichen Kratone an, die Geologen als Terranes und Ophiolithkomplexe in alten und jungen Gebirgen identifizieren können – so wachsen die Kontinente bis heute.
Der wichtigste Bestandteil dieser Prozesse ist die Subduktion, bei der schwerer Meeresboden unter weniger dichte kontinentale Kruste abtaucht. Das passiert dort, wo Kontinente sich aufeinander zu bewegen. Die Subduktion ist der Schlüssel zu dem Rätsel, wann all dies begonnen hat. Denn nur unter bestimmten Bedingungen können Erdplatten wieder in den Mantel abtauchen: Sie müssen dicht genug sein, um in ihm zu versinken.
"Das Problem ist, dass sich die Erde seit ihrer Entstehung abkühlt, und erst wenn ihre Kruste kühl genug ist, ist Plattentektonik möglich", sagt der Geowissenschaftler Stephen Foley von der Universität Mainz. "Aber hat sie sich schnell abgekühlt oder langsam?" Um diese Frage zu beantworten, suchen Wissenschaftler nach den geologischen Spuren der allerersten Wilson-Zyklen. Nur an wenigen Prozent der Erdoberfläche haben sich Gesteine aus dem fraglichen Zeitalter erhalten, und die Jahrmilliarden sind keineswegs sanft mit ihnen umgesprungen. Hitze und Druck haben sie fast bis zur Unkenntlichkeit verändert.
Doch es gibt eine weitere Möglichkeit, Aufschluss über Vorgänge vor über drei Milliarden Jahren zu gewinnen. Mögen an der Oberfläche die Spuren längst getilgt sein, tief in der Kruste gibt es einen weiteren Ort, an dem Relikte aus dieser Zeit von der Erosion unberührt blieben. Die Unterseite der Erdplatten bildet der Lithosphärische Mantel, der mit dem tieferen Erdmantel in enger Wechselwirkung steht, aber zusammen mit der Kruste über den Planeten driftet. Aus dieser Zone stammt die neueste Alterbestimmung für die früheste Plattentektonik, die nun von Steven Shirey von der Carnegie Institution in Washington und dem südafrikanischen Geologen Stephen Richardson durchgeführt und veröffentlich wurde.
Die beiden Wissenschaftler untersuchten winzige Einschlüsse in Diamanten aus alten Kratonen, die in ihrem Panzer aus Kohlenstoff seit dem Erdaltertum unverändert geblieben waren. Dabei stellten sie fest, dass sich die Verunreinigungen in zwei Gruppen aufteilen: Alle Proben, die älter als drei Milliarden Jahre sind, weisen eine peridotitische Zusammensetzung auf, während in den jüngeren Einschlüssen Eklogite weit überwiegen. Diese Ergebnisse deuten nach Ansicht der beteiligten Forscher auf eine grundlegende Änderung in der Chemie des oberen Erdmantels hin: Peridotite sind unveränderte Mantelgesteine, während Eklogite entstehen, indem vulkanischer Basalt tief in den Mantel hineingelangt – wie es bei der Subduktion geschieht. Dass die Diamanten keine Eklogite enthalten, die älter als drei Milliarden Jahre sind, bedeute mithin, dass es vor diesem Zeitpunkt keine Subduktion und damit auch keine Plattentektonik gab.
Dass die Frage damit erledigt ist, glaubt Foley indes nicht. Das Thema sei seit Jahren sehr umstritten, erklärt er: "Der Zeitpunkt von drei Milliarden Jahren vor heute passt gut zu vielen bisherigen Schätzungen, aber manche Wissenschaftler setzen den Beginn der Plattentektonik noch deutlich früher an."
Einige Befunde nämlich scheinen der neuen Datierung zu widersprechen. 2008 datierten Wissenschaftler einen Teil des Kanadischen Schildes auf 4,28 Milliarden Jahre – und vermeinen in den Gesteinen die Reste uralten Ozeanbodens zu erblicken. Und das ist kein Einzelfall, weiß Foley: "Bei plattentektonischen Vorgängen entstehen erkennbare, horizontal gelagerte Strukturen, und man findet sie in Gesteinen, die über 3,5 Milliarden Jahre alt sind. Die Frage ist: Gibt es einen alternativen Entstehungsmechanismus für solche Strukturen?"
Auch was den frühen Erdmantel angeht, sind längst nicht alle Widersprüche ausgeräumt. Basierend auf Einschlüssen in bis zu 4,2 Milliarden Jahre alten Zirkonen bestimmten vor drei Jahren US-Forscher den Wärmefluss durch den Erdmantel zu jenen Zeiten und kamen auf abnorm niedrige Werte, geringer sogar als heute. Das kann nur dann hinkommen, wenn irgendetwas den Wärmefluss am Entstehungsort der Zirkone lokal verringert hat, und der einzige bekannte Mechanismus, der den Wärmefluss in so großen Tiefen beeinflusst, ist die Subduktion. Und: Es gibt sehr wohl Wissenschaftler, die Eklogite auf ein höheres Alter als drei Milliarden Jahre datieren. Die Frage nach dem Beginn der Plattentektonik wird die Forschung sicherlich noch eine Weile beschäftigen.
Nach der Kollision, die vor 4,5 Milliarden Jahren zur Bildung des Mondes führte, bestand der Planet aus einem globalen Magma-Ozean, der sich langsam abkühlte und eine feste Kruste ausbildete. Dabei formten sich die ersten Kerne der heutigen Kontinente, die Kratone, deren Alter bis ins frühe Archaikum vor mehr als 3,5 Milliarden Jahren zurückreicht. Irgendwann nach der Entstehung dieser frühen Kontinentfragmente begannen die Wilson-Zyklen, die das Wesen der Plattentektonik ausmachen: Kontinente zerreißen und bilden einen Ozean, der sich an einem Mittelozeanischen Rücken permanent erweitert. An anderer Stelle schließt sich ein Ozean, der Meeresboden taucht unter den Kontinent ab, bis die Erdteile kollidieren und Gebirge auftürmen. Dieser Prozess schweißte immer neue Kontinentbruchstücke an die ursprünglichen Kratone an, die Geologen als Terranes und Ophiolithkomplexe in alten und jungen Gebirgen identifizieren können – so wachsen die Kontinente bis heute.
Der wichtigste Bestandteil dieser Prozesse ist die Subduktion, bei der schwerer Meeresboden unter weniger dichte kontinentale Kruste abtaucht. Das passiert dort, wo Kontinente sich aufeinander zu bewegen. Die Subduktion ist der Schlüssel zu dem Rätsel, wann all dies begonnen hat. Denn nur unter bestimmten Bedingungen können Erdplatten wieder in den Mantel abtauchen: Sie müssen dicht genug sein, um in ihm zu versinken.
"Das Problem ist, dass sich die Erde seit ihrer Entstehung abkühlt, und erst wenn ihre Kruste kühl genug ist, ist Plattentektonik möglich", sagt der Geowissenschaftler Stephen Foley von der Universität Mainz. "Aber hat sie sich schnell abgekühlt oder langsam?" Um diese Frage zu beantworten, suchen Wissenschaftler nach den geologischen Spuren der allerersten Wilson-Zyklen. Nur an wenigen Prozent der Erdoberfläche haben sich Gesteine aus dem fraglichen Zeitalter erhalten, und die Jahrmilliarden sind keineswegs sanft mit ihnen umgesprungen. Hitze und Druck haben sie fast bis zur Unkenntlichkeit verändert.
Doch es gibt eine weitere Möglichkeit, Aufschluss über Vorgänge vor über drei Milliarden Jahren zu gewinnen. Mögen an der Oberfläche die Spuren längst getilgt sein, tief in der Kruste gibt es einen weiteren Ort, an dem Relikte aus dieser Zeit von der Erosion unberührt blieben. Die Unterseite der Erdplatten bildet der Lithosphärische Mantel, der mit dem tieferen Erdmantel in enger Wechselwirkung steht, aber zusammen mit der Kruste über den Planeten driftet. Aus dieser Zone stammt die neueste Alterbestimmung für die früheste Plattentektonik, die nun von Steven Shirey von der Carnegie Institution in Washington und dem südafrikanischen Geologen Stephen Richardson durchgeführt und veröffentlich wurde.
Die beiden Wissenschaftler untersuchten winzige Einschlüsse in Diamanten aus alten Kratonen, die in ihrem Panzer aus Kohlenstoff seit dem Erdaltertum unverändert geblieben waren. Dabei stellten sie fest, dass sich die Verunreinigungen in zwei Gruppen aufteilen: Alle Proben, die älter als drei Milliarden Jahre sind, weisen eine peridotitische Zusammensetzung auf, während in den jüngeren Einschlüssen Eklogite weit überwiegen. Diese Ergebnisse deuten nach Ansicht der beteiligten Forscher auf eine grundlegende Änderung in der Chemie des oberen Erdmantels hin: Peridotite sind unveränderte Mantelgesteine, während Eklogite entstehen, indem vulkanischer Basalt tief in den Mantel hineingelangt – wie es bei der Subduktion geschieht. Dass die Diamanten keine Eklogite enthalten, die älter als drei Milliarden Jahre sind, bedeute mithin, dass es vor diesem Zeitpunkt keine Subduktion und damit auch keine Plattentektonik gab.
Dass die Frage damit erledigt ist, glaubt Foley indes nicht. Das Thema sei seit Jahren sehr umstritten, erklärt er: "Der Zeitpunkt von drei Milliarden Jahren vor heute passt gut zu vielen bisherigen Schätzungen, aber manche Wissenschaftler setzen den Beginn der Plattentektonik noch deutlich früher an."
Einige Befunde nämlich scheinen der neuen Datierung zu widersprechen. 2008 datierten Wissenschaftler einen Teil des Kanadischen Schildes auf 4,28 Milliarden Jahre – und vermeinen in den Gesteinen die Reste uralten Ozeanbodens zu erblicken. Und das ist kein Einzelfall, weiß Foley: "Bei plattentektonischen Vorgängen entstehen erkennbare, horizontal gelagerte Strukturen, und man findet sie in Gesteinen, die über 3,5 Milliarden Jahre alt sind. Die Frage ist: Gibt es einen alternativen Entstehungsmechanismus für solche Strukturen?"
Auch was den frühen Erdmantel angeht, sind längst nicht alle Widersprüche ausgeräumt. Basierend auf Einschlüssen in bis zu 4,2 Milliarden Jahre alten Zirkonen bestimmten vor drei Jahren US-Forscher den Wärmefluss durch den Erdmantel zu jenen Zeiten und kamen auf abnorm niedrige Werte, geringer sogar als heute. Das kann nur dann hinkommen, wenn irgendetwas den Wärmefluss am Entstehungsort der Zirkone lokal verringert hat, und der einzige bekannte Mechanismus, der den Wärmefluss in so großen Tiefen beeinflusst, ist die Subduktion. Und: Es gibt sehr wohl Wissenschaftler, die Eklogite auf ein höheres Alter als drei Milliarden Jahre datieren. Die Frage nach dem Beginn der Plattentektonik wird die Forschung sicherlich noch eine Weile beschäftigen.
Schreiben Sie uns!
Beitrag schreiben