Polarforschung: Wann wird's mal wieder richtig Winter?
Palmen am Pol? Was heute noch wie eine klimawandlerische Utopie klingt, war vor Jahrmillionen schon einmal Realität. Wie damals stehen Arktis und Antarktis jetzt wieder vor großen Umwälzungen: die neuesten Trends.
Gegen diesen Wandel verblassen momentan noch selbst die düstersten Vorhersagen aus den Rechnern der Klimamodellierer: Innerhalb weniger tausend Jahren stiegen weltweit die Durchschnittstemperaturen zwischen 4 und 8, mancherorts sogar bis zu 15 Grad Celsius – und das ausgehend von einem bereits sehr hohen Niveau. Am Ende der Aufheizung vor 55 Millionen Jahren war es im globalen Mittel kuschelige 30 Grad warm. Heute liegen die Werte gerade einmal halb so hoch.
Auch die Ozeane erwärmten sich während dieses so genannten Paläozän/Eozän-Thermischen-Maximums (PETM) entsprechend: Selbst rund um Antarktis und Arktis hatte es Badetemperaturen um 20 Grad Celsius, was die marinen Lebensgemeinschaften gehörig umwälzte; im Nordpolarmeer tummelten sich sogar tropische Algen. Die Bedingungen für die Mikropflanzen waren dabei mitunter so günstig, dass immer wieder sauerstoffzehrende Algenblüten auftraten. Auf dem arktischen Festland herrschte ebenfalls blühendes Leben mit dichter Vegetation, wie Geologen um Mark Pagani von der Yale-Universität nun anhand von fossilen Ablagerungen feststellten [1].
Die vergleichsweise hohen Temperaturen vor dem PETM erwärmten demnach den gesamten ozeanischen Wasserkörper, sodass die in der Tiefe lagernden gefrorenen Methanhydrate instabil wurden und plötzlich ausgasten – bereits drei bis vier Kelvin genügen dafür. Methan ist zum einen ein sehr effektives Treibhausgas, das folglich die nachfolgende weitere Aufheizung mit auslöste. Zum anderen reagiert das Gas in der Luft sehr schnell zu Kohlendioxid, das letztlich in seiner 13C-armen Form von den Pflanzen aufgenommen wurde.
Alles in allem dauerte diese heiße Phase etwa 100 000 Jahre, bis sich wieder gemäßigte Verhältnisse einstellten. Heute ist die Erde noch weit von den Zuständen des PETM entfernt, aber der gegenwärtige Klimawandel zeichnet sich wie damals deutlich in den polaren Breiten ab. Weit überdurchschnittlich haben sich bislang Teile der Arktis oder der Antarktischen Halbinsel erwärmt, das Packeis schwindet, und die Gletscher tauen. Das gilt auch für Ostgrönland, wo der kilometerdicke Eispanzer der Insel ausdünnt und große Schmelzwasserströme ihren Beitrag zum beobachteten Meeresspiegelanstieg leisten. So verlor diese Eiskappe laut Laser-Altimetriedaten von Satelliten zwischen 1997 und 2003 hochgerechnet jährlich etwa achtzig Kubikkilometer Masse – vornehmlich an den Rändern, während die zentralen Bereiche noch stabil erscheinen.
Letzteres schlägt sich jetzt im Umfeld Grönlands nieder: Nach den GRACE-Messungen, die den gesamten Bereich des Nordpols erfassen, verloren die Gletscher dort zwischen 2002 und Ende 2005 im Schnitt um die 220 Kubikkilometer Masse pro Jahr – fast dreimal so viel wie zu Beginn des Jahrtausends mit richtig extremen Werten ab 2004. Im Schwitzkasten befinden sich vor allem die Eismassen im Südosten der Insel, aber auch ihr Nordosten sowie Spitzbergen sind betroffen und damit Gebiete, denen bislang allenfalls vernachlässigbare Verluste zugeschrieben wurden. Doch selbst das relativ kleine Spitzbergen schüttete in nur einem Jahr Schmelzwasser aus 75 Kubikkilometern Eis in den Nordatlantik – Ausdruck des seit der Jahrtausendwende nochmals beschleunigten Temperaturanstiegs in der Arktis, so Chen.
Umgerechnet auf die Weltmeere steigt allein wegen der grönländischen Schmelze der Meeresspiegel jährlich um 0,54 Millimeter: Ein Anstieg, der noch höher ausfallen würde, gäbe es nicht gleichzeitig auch erhöhte Schneefallmengen über Land, die in den zentralen Bereichen Grönlands das Eis sogar anwachsen lassen sollen. Aber trifft diese Zunahme an Niederschlägen tatsächlich zu? Ergebnisse aus der Antarktis von Andrew Monaghan von der Ohio State University und seinen Kollegen lassen dies jedenfalls bezweifeln [3].
Die nachgewiesenen Mengen schwanken jedoch von Jahr zu Jahr und auch im Vergleich der Jahrzehnte, was langfristige Prognosen erschwert. Phasen ausgeprägter Schneefälle wechseln sich mit eher trockenen Perioden ab, falls man dies angesichts von durchschnittlich 182 Millimeter Flüssigkeit pro Jahr überhaupt so pointiert ausdrücken darf. Selbst über dem großen Ostantarktischen Eisschild konnten die Wissenschaftler keine Zunahme seit 1992 verzeichnen und widersprechen damit früheren Erkenntnissen, die auf einen positiven Trend schlossen. Demnach legte dort die Eisdecke tatsächlich zu, was laut Monaghan aber vielleicht auch mit einer schnelleren Wandlung von Schnee in Eis zusammenhängen könnte.
Letztlich trägt damit die Antarktis wie die Arktis doch auch zum Meeresspiegelanstieg bei – das Westantarktische Eisschild immerhin um knapp 0,2 Millimeter pro Jahr. Baden kann man vor Ort übrigens jetzt schon, allerdings vorerst nur bei heißen unterseeisches Quellen wie auf Deception Island. Aber wir stehen wohl auch erst am Anfang des neuen Klimawandels.
Auch die Ozeane erwärmten sich während dieses so genannten Paläozän/Eozän-Thermischen-Maximums (PETM) entsprechend: Selbst rund um Antarktis und Arktis hatte es Badetemperaturen um 20 Grad Celsius, was die marinen Lebensgemeinschaften gehörig umwälzte; im Nordpolarmeer tummelten sich sogar tropische Algen. Die Bedingungen für die Mikropflanzen waren dabei mitunter so günstig, dass immer wieder sauerstoffzehrende Algenblüten auftraten. Auf dem arktischen Festland herrschte ebenfalls blühendes Leben mit dichter Vegetation, wie Geologen um Mark Pagani von der Yale-Universität nun anhand von fossilen Ablagerungen feststellten [1].
So dominierten in den organischen Überresten der Sedimentbohrkerne verschiedene langkettige Alkane – auch Paraffine genannt – mit mehr als 23 Kohlenstoff-Atomen, die üblicherweise aus den Wachsen höherer Landpflanzen stammen, neben kürzeren Alkanverbindungen mit 17 Kohlenstoff-Atomen, die von Algen sowie fotosynthetisch aktiven Bakterien aufgebaut werden. In den Verbindungen wiesen die Forscher jedoch weniger Kohlenstoff-13-Isotope nach als zu anderen Zeiten üblich, was auf die Ursache des enormen Treibhauseffekts hinweist.
Die vergleichsweise hohen Temperaturen vor dem PETM erwärmten demnach den gesamten ozeanischen Wasserkörper, sodass die in der Tiefe lagernden gefrorenen Methanhydrate instabil wurden und plötzlich ausgasten – bereits drei bis vier Kelvin genügen dafür. Methan ist zum einen ein sehr effektives Treibhausgas, das folglich die nachfolgende weitere Aufheizung mit auslöste. Zum anderen reagiert das Gas in der Luft sehr schnell zu Kohlendioxid, das letztlich in seiner 13C-armen Form von den Pflanzen aufgenommen wurde.
Neben Kohlenstoff bestehen die Paraffine zudem aus Wasserstoff, dessen Isotopenverhältnisse wiederum Auskunft über die Herkunft genutzten Wassers geben. In mittleren und äquatorialen Breiten etwa bauen die Pflanzen mehr Deuterium in ihre Stoffwechselprodukte ein als weiter im Norden, da das Isotop im Verlauf des Wasserdampftransports aus den Tropen zunehmend ausregnet und entsprechend reduziert am Polarkreis ankommt. Während des PETM war jedoch das Gegenteil der Fall und der Deuterium-Gehalt in der arktischen Biomasse deutlich höher. Mehr Wasserdampf aus Süden zog saisonal nach Norden, regnete sich dort über Land intensiv ab und tränkte die Vegetation: monsunale Verhältnisse also am Nordpol.
Alles in allem dauerte diese heiße Phase etwa 100 000 Jahre, bis sich wieder gemäßigte Verhältnisse einstellten. Heute ist die Erde noch weit von den Zuständen des PETM entfernt, aber der gegenwärtige Klimawandel zeichnet sich wie damals deutlich in den polaren Breiten ab. Weit überdurchschnittlich haben sich bislang Teile der Arktis oder der Antarktischen Halbinsel erwärmt, das Packeis schwindet, und die Gletscher tauen. Das gilt auch für Ostgrönland, wo der kilometerdicke Eispanzer der Insel ausdünnt und große Schmelzwasserströme ihren Beitrag zum beobachteten Meeresspiegelanstieg leisten. So verlor diese Eiskappe laut Laser-Altimetriedaten von Satelliten zwischen 1997 und 2003 hochgerechnet jährlich etwa achtzig Kubikkilometer Masse – vornehmlich an den Rändern, während die zentralen Bereiche noch stabil erscheinen.
Dieser Schwund hat sich nun seit 2004 noch einmal deutlich beschleunigt, sollten sich die Daten von Jianli Chen von der Universität von Texas in Austin und seinen Kollegen zukünftig bestätigen [2]. Mit Hilfe von Satellitendaten der GRACE-Mission (Gravity Recovery and Climate Experiment) maßen sie die Veränderungen der Erdanziehung in der Arktis, da auch die Gravitation jahrezseitlichen oder periodischen Schwankungen unterliegt: Erdbeben können diese Kraft verändern, indem sie die Erdkruste an der einen Stelle ausdünnen und an einer anderen verdicken. Ähnliches gilt für aufsteigende Landmassen nach der Eiszeit, nachdem sie ihrer aufliegenden Gletscherlast entledigt wurden. Und auch wechselnde Eis- und Wassermengen über Land und im Meer beeinflussen die örtlichen Gravitationsverhältnisse.
Letzteres schlägt sich jetzt im Umfeld Grönlands nieder: Nach den GRACE-Messungen, die den gesamten Bereich des Nordpols erfassen, verloren die Gletscher dort zwischen 2002 und Ende 2005 im Schnitt um die 220 Kubikkilometer Masse pro Jahr – fast dreimal so viel wie zu Beginn des Jahrtausends mit richtig extremen Werten ab 2004. Im Schwitzkasten befinden sich vor allem die Eismassen im Südosten der Insel, aber auch ihr Nordosten sowie Spitzbergen sind betroffen und damit Gebiete, denen bislang allenfalls vernachlässigbare Verluste zugeschrieben wurden. Doch selbst das relativ kleine Spitzbergen schüttete in nur einem Jahr Schmelzwasser aus 75 Kubikkilometern Eis in den Nordatlantik – Ausdruck des seit der Jahrtausendwende nochmals beschleunigten Temperaturanstiegs in der Arktis, so Chen.
Umgerechnet auf die Weltmeere steigt allein wegen der grönländischen Schmelze der Meeresspiegel jährlich um 0,54 Millimeter: Ein Anstieg, der noch höher ausfallen würde, gäbe es nicht gleichzeitig auch erhöhte Schneefallmengen über Land, die in den zentralen Bereichen Grönlands das Eis sogar anwachsen lassen sollen. Aber trifft diese Zunahme an Niederschlägen tatsächlich zu? Ergebnisse aus der Antarktis von Andrew Monaghan von der Ohio State University und seinen Kollegen lassen dies jedenfalls bezweifeln [3].
Wie in der Arktis sollte es auch über dem Südpol stärker schneien, weil erwärmte Luft mehr Feuchtigkeit aufnehmen kann, die wiederum als Schnee die Kerngebieten der Polarregionen nähren würde. Tatsächlich hat sich auch die Troposphäre über dem Südkontinent seit den 1970er Jahren deutlich aufgeheizt. Aber während sich an den Rändern der Antarktis – etwa auf der Antarktischen Halbinsel oder dem Westantarktischen Eisschelf – das Eis zurückzieht, blieben erhöhte Schneefälle im Innern wohl aus: Die gesammelten Zahlen aus Eisbohrkernen, Schneegruben, Wetterstationen und weiteren meteorologischen Berechnungen belegen, dass es antarktisweit zumindest während der letzten fünfzig Jahren keinen ausgeprägten positiven Niederschlagstrend gibt – wenn überhaupt, so die Glaziologen, sei sogar eher ein minimaler Rückgang auszumachen.
Die nachgewiesenen Mengen schwanken jedoch von Jahr zu Jahr und auch im Vergleich der Jahrzehnte, was langfristige Prognosen erschwert. Phasen ausgeprägter Schneefälle wechseln sich mit eher trockenen Perioden ab, falls man dies angesichts von durchschnittlich 182 Millimeter Flüssigkeit pro Jahr überhaupt so pointiert ausdrücken darf. Selbst über dem großen Ostantarktischen Eisschild konnten die Wissenschaftler keine Zunahme seit 1992 verzeichnen und widersprechen damit früheren Erkenntnissen, die auf einen positiven Trend schlossen. Demnach legte dort die Eisdecke tatsächlich zu, was laut Monaghan aber vielleicht auch mit einer schnelleren Wandlung von Schnee in Eis zusammenhängen könnte.
Letztlich trägt damit die Antarktis wie die Arktis doch auch zum Meeresspiegelanstieg bei – das Westantarktische Eisschild immerhin um knapp 0,2 Millimeter pro Jahr. Baden kann man vor Ort übrigens jetzt schon, allerdings vorerst nur bei heißen unterseeisches Quellen wie auf Deception Island. Aber wir stehen wohl auch erst am Anfang des neuen Klimawandels.
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