Verbrechensaufklärung: War der Gärtner tatsächlich der Mörder?
Ein Fingerabdruck des Mörders auf dem Couchtisch, ein Fußabdruck im Rosenbeet, ein Haar auf der Jacke des Toten - jeder weiß, dass anhand solcher Spuren Kriminalfälle gelöst werden, da sie eindeutig dem Täter zugeordnet werden können. Aber können sie das wirklich?
Nicht schlecht staunten die spanischen Behörden, als ihnen wenige Wochen nach den Madrider Zuganschlägen vom 11. März 2004 das FBI mitteilte, man habe anhand der Fingerabdrücke auf einer Plastiktüte Brandon Mayfield, einen Anwalt aus Oregon, als einen der Terroristen eindeutig identifiziert und verhaftet. Trotz immer größerer Zweifel an der Schuld Mayfields, der nachweislich seit elf Jahren nicht in Spanien gewesen war, beharrten die amerikanischen Behörden so lange auf ihrer Meinung, bis die spanische Polizei den Attentäter überführte: Sein Fingerabdruck stimmte ebenfalls mit dem am Tatort überein. Mayfield wurde sofort auf freien Fuß gesetzt. Doch wie konnte es zu dieser Verwechslung kommen – der Fingerabdruck eines Menschen ist doch einzigartig?
Defizite entstehen aber auch durch Fehler beim Abgleich durch Forensiker, wie im Fall von Brandon Mayfield. Das zeigen die Resultate eines standardisierten Tests, der prüft, wie gut Ermittler Fingerabdrücke identifizieren können. Dieser ergab über viele Jahre, dass immerhin einem Viertel der Ermittler bei mindestens einem von zwölf Abdrücken Fehler unterlaufen. In etwa vier Prozent aller Fälle wurde dabei ein "Unschuldiger" fälschlicherweise als "Täter" identifiziert. Dabei gilt dieser Test unter Fachleuten als einfach, da die Abdrücke viel deutlicher sind als an einem realen Tatort üblich. Zudem wissen alle, die ihn absolvieren, dass sich ein schlechtes Ergebnis negativ auf ihre berufliche Laufbahn auswirken kann. Sacks vermutet daher, dass ihnen im Ermittlungsalltag noch mehr Fehler unterlaufen könnten, da sie sich dort nicht in gleichem Maße anstrengen.
Allerdings stellt der Fingerabdruck trotz aller Einschränkungen noch eines der zuverlässigeren klassischen Beweismittel dar. Die Stimmerkennung liefert dagegen eine Fehlerquote von über 60 Prozent, der Vergleich von Handschriften von 40 bis 100 Prozent. Nicht besser sieht es bei der Analyse von Bissspuren aus: Dabei wird in sechs von zehn Fällen ein Unschuldiger als Täter idetifiziert, bei der mikroskopischen Haaranalyse sind es 12 Prozent.
Angesichts dieser Zahlen verwundert es nicht, dass zahlreiche Unschuldige im Gefängnis sitzen – allein 14 davon konnten im letzten Jahrzehnt in den USA vor der Todesstrafe gerettet werden. Eine Analyse der Gerichtsakten von 86 zu Unrecht Verurteilten ergab, dass in immerhin 63 Prozent dieser Fälle unter anderem ein falsch zugeordnetes Beweismittel zu dem Urteil geführt hatte, in 27 Prozent der Fälle hatte ein forensischer Gutachter falsch oder missverständlich ausgesagt. Die Unschuld der Inhaftierten konnte später zweifelsfrei durch eine DNA-Analyse belegt werden. Doch halt – kann man denn angesichts der geringen Zuverlässigkeit so vieler Verfahren dem genetischen Fingerabdruck überhaupt trauen?
Man kann. Als Ergebnis einer DNA-Analyse wird stets eine ziemlich genaue Wahrscheinlichkeit angegeben, ob zwei verglichene Proben identisch sind. Diese stützt sich auf eine breite Datenbasis an Erkenntnissen zur Häufigkeit bestimmter genetischer Merkmale und deren Verteilung in der Bevölkerung. Warum aber ist diese Methode so viel gründlicher erforscht als andere?
Im Gegensatz zu bisherigen Verfahren, die schon sehr lange in der Kriminologie eingesetzt werden, ging die DNA-Analyse in den 1980er Jahren direkt aus der grundlagenwissenschaftlichen Erforschung des menschlichen Erbguts hervor. Als sie erstmals als Beweismittel angeführt wurde, beäugten sie Richter, Anwälte und Wissenschaftler zunächst kritisch. Um den Zweifeln zu begegnen, untermauerten Forscher ihre Glaubwürdigkeit, indem sie die Anwendung standardisierten und die Auswertung auf eine fundierte Datenbasis über die Verteilung bestimmter Gensequenzen in der Bevölkerung normierten.
Da die althergebrachten Methoden vor Gericht niemals derart kritisch hinterfragt wurden wie die noch junge Gentechnik, fehlen bisher solche Studien. Stattdessen nehmen Forensiker weiterhin an, dass Fingerabdruck, Bissspur und Handschrift jedes Menschen einzigartig seien, ohne jedoch diese Behauptung mit Daten untermauern zu können. Zusätzlich streiten einige Wissenschaftler ab, dass jedes wissenschaftliche Verfahren mit einer kalkulierbaren Fehlerrate behaftet sei. Entgegen der Behauptung eines FBI-Wissenschaftlers, es sei unmöglich, eine solche Quote zu schätzen, da sie einem ständigen Wandel unterläge, ist jedoch die Anzahl falsch identifizierter Fingerabdrücke in dem oben beschriebenen Test seit 1995 konstant. Außerdem können ohne die Analyse typischer Fehler auch die verwendeten Methoden nicht verbessert werden.
Sacks fordert als Konsequenz die Forensiker dazu auf, ihre Methoden einer modernen wissenschaftlichen Prüfung zu unterziehen. Ansonsten bleibt zu befürchten, dass sie irgendwann ihre Glaubwürdigkeit in den Augen der Justiz verlieren. Dann blieben jedoch zahlreiche Spuren ungenutzt, die vielleicht nicht mit Sicherheit, jedoch mit gewisser Wahrscheinlichkeit auf einen Täter hinweisen. Nur so kann sich aus vielen Puzzleteilen eines Falles ein glaubwürdiges Gesamtbild ergeben – und damit ist der Wahrheitsfindung sicherlich mehr gedient als durch das Beharren auf überkommenen Annahmen.
Nein, ein Fingerabdruck ist offensichtlich nicht so unverwechelsbar wie lange angenommen. Leider weiß niemand genau, wie eindeutig er tatsächlich ist. Zwar zeigen Fälle wie der von Brandon Mayfield, dass ein und dasselbe charakteristische Muster bei verschiedenen Menschen auftreten kann. Allerdings fanden Michael Sacks von der Arizona State University und seine Kollegen bei einer Durchsicht der Literatur keine einzige Analyse darüber, wie häufig ein Muster in der Bevölkerung vorkommen können. Dabei wären solche Untersuchungen mit relativ wenig Aufwand durchzuführen, indem man die in den riesigen Datenbanken von Polizei und Geheimdiensten gespeicherten Fingerabdrücke auf Ähnlichkeiten vergleicht.
Defizite entstehen aber auch durch Fehler beim Abgleich durch Forensiker, wie im Fall von Brandon Mayfield. Das zeigen die Resultate eines standardisierten Tests, der prüft, wie gut Ermittler Fingerabdrücke identifizieren können. Dieser ergab über viele Jahre, dass immerhin einem Viertel der Ermittler bei mindestens einem von zwölf Abdrücken Fehler unterlaufen. In etwa vier Prozent aller Fälle wurde dabei ein "Unschuldiger" fälschlicherweise als "Täter" identifiziert. Dabei gilt dieser Test unter Fachleuten als einfach, da die Abdrücke viel deutlicher sind als an einem realen Tatort üblich. Zudem wissen alle, die ihn absolvieren, dass sich ein schlechtes Ergebnis negativ auf ihre berufliche Laufbahn auswirken kann. Sacks vermutet daher, dass ihnen im Ermittlungsalltag noch mehr Fehler unterlaufen könnten, da sie sich dort nicht in gleichem Maße anstrengen.
Allerdings stellt der Fingerabdruck trotz aller Einschränkungen noch eines der zuverlässigeren klassischen Beweismittel dar. Die Stimmerkennung liefert dagegen eine Fehlerquote von über 60 Prozent, der Vergleich von Handschriften von 40 bis 100 Prozent. Nicht besser sieht es bei der Analyse von Bissspuren aus: Dabei wird in sechs von zehn Fällen ein Unschuldiger als Täter idetifiziert, bei der mikroskopischen Haaranalyse sind es 12 Prozent.
Angesichts dieser Zahlen verwundert es nicht, dass zahlreiche Unschuldige im Gefängnis sitzen – allein 14 davon konnten im letzten Jahrzehnt in den USA vor der Todesstrafe gerettet werden. Eine Analyse der Gerichtsakten von 86 zu Unrecht Verurteilten ergab, dass in immerhin 63 Prozent dieser Fälle unter anderem ein falsch zugeordnetes Beweismittel zu dem Urteil geführt hatte, in 27 Prozent der Fälle hatte ein forensischer Gutachter falsch oder missverständlich ausgesagt. Die Unschuld der Inhaftierten konnte später zweifelsfrei durch eine DNA-Analyse belegt werden. Doch halt – kann man denn angesichts der geringen Zuverlässigkeit so vieler Verfahren dem genetischen Fingerabdruck überhaupt trauen?
Man kann. Als Ergebnis einer DNA-Analyse wird stets eine ziemlich genaue Wahrscheinlichkeit angegeben, ob zwei verglichene Proben identisch sind. Diese stützt sich auf eine breite Datenbasis an Erkenntnissen zur Häufigkeit bestimmter genetischer Merkmale und deren Verteilung in der Bevölkerung. Warum aber ist diese Methode so viel gründlicher erforscht als andere?
Im Gegensatz zu bisherigen Verfahren, die schon sehr lange in der Kriminologie eingesetzt werden, ging die DNA-Analyse in den 1980er Jahren direkt aus der grundlagenwissenschaftlichen Erforschung des menschlichen Erbguts hervor. Als sie erstmals als Beweismittel angeführt wurde, beäugten sie Richter, Anwälte und Wissenschaftler zunächst kritisch. Um den Zweifeln zu begegnen, untermauerten Forscher ihre Glaubwürdigkeit, indem sie die Anwendung standardisierten und die Auswertung auf eine fundierte Datenbasis über die Verteilung bestimmter Gensequenzen in der Bevölkerung normierten.
Da die althergebrachten Methoden vor Gericht niemals derart kritisch hinterfragt wurden wie die noch junge Gentechnik, fehlen bisher solche Studien. Stattdessen nehmen Forensiker weiterhin an, dass Fingerabdruck, Bissspur und Handschrift jedes Menschen einzigartig seien, ohne jedoch diese Behauptung mit Daten untermauern zu können. Zusätzlich streiten einige Wissenschaftler ab, dass jedes wissenschaftliche Verfahren mit einer kalkulierbaren Fehlerrate behaftet sei. Entgegen der Behauptung eines FBI-Wissenschaftlers, es sei unmöglich, eine solche Quote zu schätzen, da sie einem ständigen Wandel unterläge, ist jedoch die Anzahl falsch identifizierter Fingerabdrücke in dem oben beschriebenen Test seit 1995 konstant. Außerdem können ohne die Analyse typischer Fehler auch die verwendeten Methoden nicht verbessert werden.
Sacks fordert als Konsequenz die Forensiker dazu auf, ihre Methoden einer modernen wissenschaftlichen Prüfung zu unterziehen. Ansonsten bleibt zu befürchten, dass sie irgendwann ihre Glaubwürdigkeit in den Augen der Justiz verlieren. Dann blieben jedoch zahlreiche Spuren ungenutzt, die vielleicht nicht mit Sicherheit, jedoch mit gewisser Wahrscheinlichkeit auf einen Täter hinweisen. Nur so kann sich aus vielen Puzzleteilen eines Falles ein glaubwürdiges Gesamtbild ergeben – und damit ist der Wahrheitsfindung sicherlich mehr gedient als durch das Beharren auf überkommenen Annahmen.
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