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Evolution: War Eisen das ursprüngliche »Metall des Lebens«?

Heutige Zellen bauen verschiedene Metalle in ihre Enzyme ein. Die frühesten Lebensformen hingegen könnten ganz auf Eisen gesetzt haben.
Frühe Lebensformen
Das Leben auf unserem Planeten entstand mutmaßlich im Archaikum, der Erdurzeit. Damals enthielten die Ozeane große Mengen an gelöstem Eisen. Das Metall könnte deshalb eine zentrale Rolle in der Biochemie frühester Zellen gespielt haben.

Zu Beginn der biologischen Evolution könnte Eisen das universelle »Metall des Lebens« gewesen sein. Zu diesem Ergebnis kommt eine Forschungsgruppe um die Geowissenschaftlerin Jena Johnson von der University of Michigan. Die Fachleute berichten darüber im Journal »PNAS«.

Biologische Organismen benötigen Metalle, um zu leben. Sie betreiben zahlreiche lebensnotwendige Funktionen – Stoffwechsel, Atmung, Vervielfältigung und so weiter – großteils mit Hilfe von Metalloenzymen. Das sind biochemische Katalysatoren, die Metalle als unerlässliche Bestandteile enthalten: Ohne diese könnten sie ihre katalytische Funktion nicht erfüllen. Oft handelt es sich dabei um so genannte Übergangsmetalle, eine Gruppe von Elementen bestimmter Ordnungszahlen. Eisen, Chrom und Nickel beispielsweise sind Übergangsmetalle. Heutige Zellen besitzen Enzyme mit sehr verschiedenen Übergangsmetallen; zu den häufigsten zählen Eisen, Mangan, Kobalt, Kupfer und Zink.

Die Fachleute um Johnson stellen in ihrer Arbeit eine ungewöhnliche Hypothese auf. Ihren Untersuchungen zufolge könnte Eisen das früheste und anfangs einzige Übergangsmetall des Lebens gewesen sein. Die Ozeane zur Entstehungszeit des Lebens hätten einen so hohen Eisengehalt gehabt, dass er den der anderen Übergangsmetalle bei Weitem übertroffen habe.

Gesteinsanalysen deuten darauf hin, dass die Meere in der Zeit des Archaikums (4 bis 2,5 Milliarden Jahre vor heute) enorme Mengen zweiwertigen Eisens enthielten. Das Archaikum endete mit der »großen Sauerstoffkrise«, einem starken Anstieg der Sauerstoffkonzentration in den Gewässern und der Atmosphäre, verursacht von fotosynthetisch aktiven Organismen. Der Sauerstoff habe, so Johnson & Co, das zwei- zu dreiwertigem Eisen oxidiert, das deutlich schlechter wasserlöslich sei, wodurch die Eisenkonzentration im Wasser gesunken sei.

Erdgeschichtliche Zäsur

Mit einem Computermodell berechnete die Forschungsgruppe, wie hoch die Konzentrationen verschiedener Metalle – darunter Eisen, Mangan, Kobalt, Nickel, Kupfer und Zink – in den früheren Ozeanen maximal gewesen sein konnten. Dabei kam heraus: Die Menge an gelöstem Eisen war anfangs vergleichsweise hoch, ging aber infolge der großen Sauerstoffkrise deutlich zurück, während sich die Konzentrationen anderer Übergangsmetalle nur wenig änderten.

Die starke Präsenz des Eisens in den Ozeanen des Archaikums habe dazu geführt, dass andere Übergangsmetalle kaum eine Chance gehabt hätten, an Biomoleküle gebunden zu werden – sie hätten mit dem allgegenwärtigen Eisen nicht konkurrieren können, schreibt die Forschungsgruppe. Das würde bedeuten, dass die damaligen Metalloenzyme fast durchweg diesen Stoff enthalten haben müssten. Um das zu prüfen, durchforstete die Arbeitsgruppe die Fachliteratur darauf hin, ob sich (Nicht-Eisen-)Übergangsmetalle in heutigen Enzymen durch Eisen oder Magnesium ersetzen lassen. Sie fanden in jedem Fall Beispiele dafür, dass ein solcher Ersatz möglich ist. Metalloenzyme etwa, die Zink enthalten, lassen sich unter bestimmten Voraussetzungen auch mit Eisen »betreiben«.

»Zink und Eisen sind ein wirklich gutes Beispiel, denn Zink ist heute absolut lebensnotwendig«, äußert Joan Valentine von der University of Michigan, eine der beteiligten Forscherinnen, in einer Pressemitteilung. »Dass es Leben ohne Zink geben könnte, war für mich schwer vorstellbar, bis wir bemerkten, dass Eisen in entsprechenden Metalloenzymen oft sogar besser funktioniert als Zink – vorausgesetzt, es ist kein Sauerstoff da, der das Eisen oxidiert.« Nach der großen Sauerstoffkrise, als die Eisenkonzentration im Wasser abstürzte, seien die Lebewesen gezwungen gewesen, auch andere Metalle in ihre Enzyme einzubauen. Das habe dann neue Funktionen ermöglicht und die Vielfalt der Lebensformen erhöht.

Die Chemikerin Martina Preiner vom Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie forscht ebenfalls über die Entstehung des Lebens. An der Studie von Johnson & Co war sie nicht beteiligt, hält die Arbeit aber für interessant. Viele chemische Reaktionen, die mutmaßlich in den frühesten Lebensformen und ihren Vorstufen stattgefunden hätten, ließen sich mit Eisenmineralen oder Eisenionen katalysieren, erläutert sie. »Das haben sowohl unsere eigenen Arbeiten als auch die anderer Forschungsgruppen gezeigt.« Das spreche gleichermaßen für eine große Rolle des Eisens in der Frühzeit des Lebens.

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  • Quellen

PNAS 121, e2318692121, 2024

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