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Meeresschildkröten: Warme Jahrzehnte ließen fast ausschließlich Weibchen schlüpfen

Bei Meeresschildkröten entscheidet die Temperatur im Sand darüber, ob das Jungtier männlich oder weiblich wird. Am Great Barrier Reef verheißt das nichts Gutes für die Tiere.
Eine Suppenschildkröte auf dem Weg ins Wasser

Die Grüne Meeresschildkröte, auch Suppenschildkröte genannt, könnte durch die schnellen Klimaveränderungen künftig ihre Fortpflanzungsfähigkeit einbüßen und infolgedessen aussterben. Anlass zu dieser Sorge gibt eine umfassende Untersuchung von Niststränden am Great Barrier Reef in Australien. Im Norden des Untersuchungsgebiets waren in den zurückliegenden Jahren fast ausschließlich Weibchen geschlüpft. Sollte dieser Trend anhalten, dürfte es für viele Weibchen unmöglich werden, ein Männchen für die Paarung zu finden.

Wie sehr sich das Geschlechterverhältnis verschoben hat, bestimmte ein Forscherteam um Michael Jensen vom Fischereiforschungszentrum der US-amerikanischen Atmosphären- und Ozeanforschungsbehörde NOAA im kalifornischen La Jolla. Die Ergebnisse publizierten die Wissenschaftler im Fachjournal »Current Biology«.

Bei Meeresschildkröten hängt das Geschlecht des Nachwuchses von der Temperatur des Geleges ab: Ist der Sand kühler, entstehen mehr Männchen, ist er wärmer, mehr Weibchen. Die hohen Durchschnittstemperaturen, die in den vergangenen zwei Jahrzehnten im Norden Australiens herrschten, haben deshalb zu einer markanten Zunahme des Anteils der Weibchen geführt. Rund 86 Prozent der erwachsenen Tiere, die aus den nördlichsten Nistgebieten stammten, waren weiblich, bei jungen und halbwüchsigen Tieren lag dieser Anteil sogar bei 99 Prozent. Bei Tieren von weiter südlich gelegenen, kühleren Stränden fanden Jensen und Co ein weniger extremes Missverhältnis, allerdings waren auch hier Weibchen mit rund 65 bis 70 Prozent Anteil deutlich in der Mehrheit.

Die Befürchtung, dass der weltweite Temperaturanstieg das Geschlechterverhältnis dramatisch verändern könnte, gibt es schon länger. Allerdings war es bislang schwer, die Tiere eindeutig ihren Schlupfstränden zuzuordnen. Dies gelang Jensen und Kollegen jetzt erstmals, indem sie unter anderem mit genetischen Methoden die Herkunft von hunderten Tieren bestimmten.

Sollten die Durchschnittstemperaturen in Australien weiterhin ansteigen, was auf Grund des Klimawandels zu erwarten ist, dürften an immer mehr Stränden nur noch weibliche Individuen schlüpfen – mit dramatischen Folgen für die Gesamtpopulation. Denkbar wäre zwar, dass sich die Schildkröten durch Selektionsprozesse schnell genug den veränderten Gegebenheiten anpassen können, zumal sie in den zurückliegenden Jahrmillionen auch deutlich wärmere Phasen überstanden. Doch die Standorttreue der Tiere und ihr langsamer Reproduktionszyklus machen den Forschern wenig Hoffnung, dass diese Anpassung mit der Rasanz der Klimaveränderung Schritt halten kann.

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