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Antarktis: Warmes Wasser stößt unter »Weltuntergangs-Gletscher« vor

Meerwasser schmilzt den instabilen Thwaites-Gletscher stärker als gedacht. Sein Kollaps würde den Meeresspiegel um mehr als einen halben Meter steigen lassen.
Thwaites-Gletscher
Blick auf die Eiskante des Thwaites-Gletschers.

Wie schnell und wie stark der Meeresspiegel in den nächsten Jahrzehnten steigt, entscheidet sich an einer 120 Kilometer langen Eismauer in der entlegensten Region der Welt. Der Thwaites-Gletscher in der Westantarktis enthält genug gefrorenes Wasser, um den Meeresspiegel um rund einen halben Meter ansteigen zu lassen. Das geht womöglich noch schneller als befürchtet, berichtet jetzt ein Team um Eric Rignot von der University of California.

In der Fachzeitschrift »PNAS« präsentiert die Arbeitsgruppe Satellitendaten, laut denen Meerwasser kilometerweit unter das Eis vordringt. Dieser Prozess lässt das Eis an der Basis des Thwaites-Gletschers schnell schmelzen und macht ihn so instabil. Das eindringende Wasser könne auch erklären, warum der Gletscher in der Vergangenheit sehr viel schneller schrumpfte, als Computermodelle vorhersagen, schreibt das Team außerdem.

Unter den Gletscher vordringendes Meerwasser ist aus zwei Gründen ein Problem für dessen Stabilität. Zum einen lässt es ihn von unten her schmelzen – und das sehr viel stärker als an der Meeresoberfläche. Der Grund: Wenn der Druck steigt, sinkt der Gefrierpunkt. Dadurch ist der Abstand zwischen Gefrierpunkt und Wassertemperatur in der Tiefe größer und das Eis schmilzt schneller. Zum anderen nähert sich das Meer so dem zum Land hin abfallenden Becken, in dem der größte Teil des Thwaites-Gletschers liegt. Fachleute vermuten, dass der Gletscher in einem sich selbst beschleunigenden Prozess zu zerfallen beginnt, wenn Meerwasser anfängt, in das tiefe Becken einzudringen.

Die Arbeitsgruppe nutzte Radardaten des ICEYE-Satellitenverbunds, um die Höhe des Thwaites-Gletschers bei Hoch- und bei Niedrigwasser zu vergleichen. Denn die Gezeiten beeinflussen nicht nur das schwimmende Eis. Der hydrostatische Druck in der Tiefe steigt bei höherem Wasserstand, und deswegen stemmen »Finger« aus Meerwasser an der Gletschersohle das darüberliegende Eis im Rhythmus der Gezeiten ein paar Zentimeter in die Höhe. Wie das Team berichtet, reichen diese Meerwasser-Finger bis zu sechs Kilometer weit unter das eigentlich selbst bei Hochwasser nicht mehr schwimmende Eis.

Dadurch ist der Bereich, in dem warmes Meerwasser den Gletscher von unten schmelzen lässt, viel größer als gedacht. Das macht ihn verwundbarer gegenüber höheren Meerestemperaturen, die durch die globale Erwärmung entstehen. Zudem bestehe die Gefahr, dass sich der Gletscher schon in den nächsten 10 bis 20 Jahren bis zum tiefen Becken zurückzieht und dann immer schneller zerfällt, so das Team. Bisher ist aber noch nicht klar, welche Auswirkungen die neue Entdeckung für die Zukunft des Gletschers hat. Vorerst hofft die Arbeitsgruppe um Rignot, mit den Daten das Verhalten des Gletschers besser modellieren zu können.

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