Direkt zum Inhalt

Meeresspiegelanstieg: Warmzeit ließ Teile der Ostantarktis schmelzen

Wie hoch der Meeresspiegel steigt, hängt auch davon ab, wie stabil die größte Eiskappe der Welt ist. Uran in einstigem Meeresboden überbringt nun unerfreuliche Nachrichten.
Rund um die Antarktis trifft das stürmischste Meer auf die größten Eismassen der Welt.

Der Ostantarktische Eisschild, die größte Gletscherkappe des Planeten, galt bisher als wenig anfällig für den Klimawandel. Eine Reihe von Indizien, darunter Klimamodelle ebenso wie Untersuchungen in der Antarktis selbst, schienen zu zeigen, dass diese gigantische Masse gefrorenen Wassers selbst bei mehreren Grad Erwärmung nicht nennenswert schmilzt. Das machte bisher Hoffnung, dass die Ostantarktis auch im menschengemachten Klimawandel für den Meeresspiegel noch auf Jahrhunderte hinaus keine Rolle spielen würde. Allerdings scheint sich diese Hoffnung endgültig zu zerschlagen.

Eine Arbeitsgruppe um Terrence Blackburn von der University of California in Santa Cruz berichtet nun von Hinweisen, dass große Teile des ostantarktischen Wilkes-Beckens zwischen zwei Kaltzeiten eisfrei waren. Wie das Team in »Nature« schreibt, hatte sich das Eis in der Region während der als MIS 11 bezeichneten Warmzeit vor etwa 400 000 Jahren um etwa 700 Kilometer zurückgezogen. Das erhöhte den Meeresspiegel um etwa drei bis vier Meter; MIS 11 war vermutlich nur etwa ein bis zwei Grad wärmer als das 20. Jahrhundert. Die Arbeitsgruppe untersuchte die Konzentration des Isotops Uran-234 in den Sedimenten rund um das Wilkes-Becken.

Dieses Zerfallsprodukt entsteht in Gestein und reichert sich in Wasser an, das unter einem Eisschild gefangen ist. Dort ist etwa die 20-fache Konzentration des Isotops im Wasser als im offenen Meer, was sich im Sediment widerspiegelt. Die Daten zeigen den dramatischen Eisrückgang während MIS 11. Bisher gingen viele Fachleute davon aus, dass der Meeresspiegel in dieser Periode nur etwa sechs bis zehn Meter höher lag als heute. Das ist nur plausibel, wenn die Ostantarktis stabil blieb – denn das Inlandeis Grönlands schmolz damals zu großen Teilen ebenso wie die Westantarktis. Die Resultate von Blackburn und seinem Team deuten nun darauf hin, dass das nicht der Fall war. Damit sind nicht nur höhere Schätzungen des Meeresspiegels in MIS 11 von bis zu 20 Metern über dem heutigen Niveau plausibel – es stellt auch auf Basis von früheren Meeresspiegeln vermutete Obergrenzen für den Anstieg durch den menschengemachten Klimawandel in Frage.

Der Befund der Arbeitsgruppe kommt nicht völlig überraschend. Dass gerade die Eismasse des Wilkes-Beckens instabil sein könnte, hatte sich schon in früheren Studien angedeutet. So ist bekannt, dass das Eis dort in einem mehrere hundert Meter tiefen Trog liegt, der zum Landesinneren abfällt. Nur eine etwa 30 Kilometer breite Eisbarriere trennt diesen Trog vom Meer. Wenn relativ warmes Meerwasser in den Trog zu laufen beginnt, könnte das Eis aufschwimmen und sehr schnell zerfallen. »Sehr schnell« heißt in diesem Fall vermutlich binnen einiger Jahrhunderte, so dass kein heute lebender Mensch tatsächlich offenes Meer im Wilkes-Becken sehen wird. Das Verhalten des Ostantarktischen Eisschildes beeinflusst jedoch nicht nur, wie hoch der Meeresspiegel insgesamt steigt, sondern auch wie groß in den nächsten Jahrzehnten der Anstieg von Jahr zu Jahr sein wird.

WEITERLESEN MIT »SPEKTRUM +«

Im Abo erhalten Sie exklusiven Zugang zu allen Premiumartikeln von »spektrum.de« sowie »Spektrum - Die Woche« als PDF- und App-Ausgabe. Testen Sie 30 Tage uneingeschränkten Zugang zu »Spektrum+« gratis:

Jetzt testen

(Sie müssen Javascript erlauben, um nach der Anmeldung auf diesen Artikel zugreifen zu können)

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.