Coronavirus: Bluthochdruck beeinflusst Covid-Krankheitsverlauf
Menschen mit Bluthochdruck erkranken häufiger schwer an Covid-19 und haben ein erhöhtes Sterberisiko. Warum das so ist, hat eine deutsche Forschungsgruppe jetzt an den Zellproben von Erkrankten untersucht. Daneben gingen sie einer weiteren Frage nach: Nutzt oder schadet die Therapie mit verbreiteten blutdrucksenkenden Medikamenten bei einer Sars-CoV-2-Infektion? Antworten gibt das Team, darunter der Virologe Christian Drosten, jetzt in »Nature Biotechnology«.
Die Gruppe analysierte die Immunantwort von 114 761 Zellen aus Nasen-Rachen-Abstrichen von 32 Covid-19-Patienten und -Patientinnen sowie von 16 nicht infizierten Kontrollpersonen. Ergebnis: Bei Menschen mit hohem Blutdruck waren verschiedene Immunzellen schon vor der Infektion mit dem neuartigen Coronavirus entzündlich vorbelastet, und nach der Infektion entwickelten sie häufiger eine überschießende Immunreaktion, verbunden mit einem schweren Krankheitsverlauf. Die Immunaktivierung sei der entscheidende Faktor, der bei Bluthochdruck zum erhöhten Risiko von schwerem Covid-19 beitrage, urteilt das Team in seiner Studie. »Erhöhte Entzündungswerte sind unabhängig vom Herz-Kreislauf-Status immer ein Warnsignal, dass die Covid-19-Erkrankung schwer verlaufen wird«, sagt der Kardiologe Ulf Landmesser, ärztlicher Leiter an der Berliner Charité, in einer gemeinsamen Pressemitteilung.
Die überschießende Immunantwort nach Infektion mit dem Coronavirus lasse sich aber mit bestimmten blutdrucksenkenden Mitteln dämpfen, wie die Studie nahelegt. Die Gruppe hatte 90 Covid-19-Erkrankte mit Bluthochdruck und 54 ohne Bluthochdruck oder andere Herz-Kreislauf-Erkrankungen verglichen. Ergebnis: Bei Bluthochdruck verlief die Krankheit rund viermal häufiger lebensbedrohlich – aber nicht, wenn der Bluthochdruck mit ACE-Hemmern behandelt wurde. Dann war das Risiko für einen schweren Verlauf nicht merklich größer als bei Menschen ohne Herz-Kreislauf-Probleme. Bei Einnahme von Angiotensin-Rezeptorblockern, einem anderen Blutdrucksenker, blieb das Risiko um den Faktor vier erhöht.
Das Coronavirus Sars-CoV-2 nutzt als Eintrittspforte in die Wirtszellen den Rezeptor ACE2 auf der Zelloberfläche. Zunächst hatte man befürchtet, dass ACE-Hemmer oder Angiotensin-Rezeptorblocker die Zahl der ACE2-Rezeptoren erhöhen könnten und es dem Virus so leichter machen, in die Zelle einzudringen. Doch das Gegenteil war der Fall, wie die Analyse von Zellen aus den Atemwegen von Covid-19-Patienten zeigten. Bei einer Therapie mit ACE-Hemmern fiel die Entzündungsreaktion gedämpfter aus, die Zellen reagierten stärker antiviral, und die Viruslast war rascher abgebaut als bei einer Behandlung mit Angiotensin-II-Rezeptorblockern. ACE-Hemmer könnten so dazu beitragen, die Viruskonzentration schneller zu senken und die Schwere der Erkrankung zu mildern.
Klinische Wirksamkeit noch nicht belegt
»ACE-Hemmer könnten das Risiko von Patienten mit Bluthochdruck für einen schweren Krankheitsverlauf verringern«, sagt Irina Lehmann, Professorin für Umweltepigenetik und Lungenforschung an der Berliner Charité, deren Mitarbeiterin Saskia Trump die Studie als Erstautorin veröffentlichte. Die Gruppe warnt aber, die kleine Stichprobe lasse noch nicht auf eine klinische Wirksamkeit der Medikamente schließen; Einflüsse etwa von anderen Medikamenten seien nicht auszuschließen.
Bluthochdruckpatienten haben im Fall einer Sars-CoV-2-Infektion ein erhöhtes Risiko für überschießende Immunreaktionen, eine schwere Lungenentzündung und Organschäden. Von den mehr als 75 Millionen Menschen, die sich weltweit mit Sars-CoV-2 angesteckt haben, litten nach Angaben der Forscher mehr als 16 Millionen gleichzeitig an Bluthochdruck. In Deutschland leidet knapp jeder zweite Mann und mehr als jede dritte Frau unter Bluthochdruck. Das ergab 2020 eine bundesweite Studie unter mehr als 100 000 Erwachsenen zwischen 20 und 79 Jahren. Ein Teil von ihnen ist demnach »gut eingestellt«, das heißt, der Blutdruck liegt dank Medikation im Normbereich. Bei anderen gelingt das nicht, und ein Teil der Betroffenen weiß nichts von der eigenen Erkrankung.
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