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Wetter: Warum es erst einmal kühl bleibt

Der Frühling lässt sich Zeit. Ursache ist ein dramatisches atmosphärisches Ereignis im Februar. Das nämlich verursacht nun zweigeteiltes Wetter in Europa – und wir sind auf der kalten Seite der Grenze.
Eine Katze sitz unter einem rosafarbenen Regenschirm auf einem Kissen.
Auch in den nächsten Wochen braucht man in weiten Teilen Deutschlands auf dem Balkon ein dickes Fell.

Regen und kühles Wetter in Deutschland, Hitze in Spanien: Das Wetter in Europa ist derzeit zweigeteilt. Der April war laut Deutschem Wetterdienst zum ersten Mal seit 15 Jahren nasser als der Durchschnitt. Das war zwar nach Jahren der Trockenheit keineswegs unwillkommen, doch wer nun wenigstens im Mai auf ein paar schöne Tage hofft, wird vorerst enttäuscht. Auch in nächster Zeit wird es recht kühl für die Jahreszeit bleiben. Einiges deutet außerdem darauf hin, dass sich an der grundsätzlichen Wetterlage in den nächsten Wochen wenig ändern wird.

Hinter der stabilen Wetterlage steckt – wieder einmal –ein blockierendes Hoch über Grönland. Was es blockiert, sind die Wettersysteme, die normalerweise entlang des Jetstreams von West nach Ost ziehen und im Abstand von wenigen Tagen mal Sonne, mal Regen bringen. Doch begünstigt durch einen schwachen Polarwirbel schwingt der Jetstream weit nach Norden und Süden aus und die großen Wettersysteme bewegen sich kaum.

Deswegen bleibt uns das aktuell eher trübe Wetter noch eine ganze Weile erhalten. Die Temperaturen in Europa sind zweigeteilt. Das stabile Hoch über Grönland begünstigt eine Abfolge aus einem Hochdruckrücken über Westeuropa, der heiße Luft aus Afrika heranführt, und einem benachbarten Tiefdrucktrog über Mittel- und Osteuropa, der kühlere Luft und regnerisches Wetter von Norden und Nordosten bringt. Bis die Wärme aus dem Südwesten dauerhaft zu uns vordingt, dauert es wohl noch mindestens zwei Wochen.

Ein Teil der Erklärung reicht zurück bis in den Februar. Planetare Wellen, großräumige Schwingungen in der Atmosphäre, wechselwirkten mit dem Polarwirbel und transferierten enorme Energie in die arktische Stratosphäre, die Luftschicht zwischen 10 und 50 Kilometer Höhe. Die erwärmte sich dadurch binnen weniger Wochen um rund 40 Grad. Damit gehören solche als plötzliche Stratosphärenerwärmung bezeichnete Ereignisse zu den dramatischsten Wetterumschwüngen auf dem Planeten. Und sie scheinen häufiger zu werden: Es ist das vierte derartige Ereignis in den letzten sechs Jahren.

Die Erwärmung in der Höhe hat deutliche Auswirkungen auf das Wetter am Boden. Sie wirkt auf die tiefen Luftschichten der Arktis zurück und erwärmt sie ebenfalls. Die wichtigste Auswirkung jedoch betrifft die Atmosphäre rund um die Arktis. Im Winter umkreist üblicherweise ein Wirbel aus starken Winden die Nordpolargebiete und trennt die kalte arktische Luft von der wärmeren Luft und den Wettersystemen der mittleren Breiten. Eine stratosphärische Erwärmung im Winter jedoch schwächt den Polarwirbel oder lässt ihn ganz zusammenbrechen.

Das führt in der Regel zu einem charakteristischen Wettermuster, bei dem kalte Luft aus der Arktis weit nach Süden vordringt und klirrende Winterkälte bringt, zuletzt 2021. Im Winter 2023 geschah das allerdings trotz sehr ähnlicher Situation lange nicht. Normalerweise entwickelt sich das Muster binnen zehn Tagen nach der stratosphärischen Erwärmung – dieses Jahr allerdings dauerte es ganze zwei Monate, bis sich die Folgen der stratosphärischen Erwärmung in unserem Wetter zeigten. Erst Ende März begann sich das erwartete Hochdruckgebiet über Grönland zu bilden. Statt im Winter eisige Kälte zu bringen, formt sich das für eine stratosphärische Erwärmung typische Wettermuster im April.

Das macht die Wetterlage für diese Jahreszeit ungewöhnlich. Der Index der Nordatlantischen Oszillation, der die Luftdruckunterschiede über dem Atlantik beschreibt und das Wetter in Europa entscheidend mitbestimmt, ist derzeit deutlich negativ und wird es wohl auch bis weit in den Mai hinein sein. Damit bleibt das Wetter in Europa zweigeteilt, mit Deutschland auf der kühlen, feuchten östlichen Seite der Grenze. Milderes Wetter bekommt vor allem der Südwesten, je weiter man nach Nordosten geht, desto hartnäckiger hält sich das kühle Wetter. Der Frühling kommt dieses Jahr spät.

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