Bedrohtes Tier frisst bedrohtes Tier: Warum ein Hai einen Ameisenigel erbrach
Ein sehr ungewöhnliches Erlebnis ist einem Team um Nic Lubitz von der James Cook University in Australien während einer Forschungsfahrt in der Nähe des Great Barrier Reef widerfahren. Als sie einen drei Meter langen Tigerhai an ihr Boot zogen, um ihn mit einem Sender auszustatten, spuckte der Raubfisch einen dunklen, stacheligen Klumpen aus. »Wir waren ziemlich schockiert, als wir das sahen«, sagt Lubitz laut einer Pressemitteilung der Universität. »Es war ein vollständiger Ameisenigel mit all seinen Stacheln und Beinen.« Dieses kurzbeinige Landlebewesen mit langer Schnauze lebt im Unterholz der Inseln vor Australien und ist ein mit dem Schnabeltier verwandtes Ursäugetier.
Tatsächlich allerdings ist der ganze Vorfall weniger ungewöhnlich, als er auf den ersten Blick erscheinen mag. Denn auch wenn man es den tapsigen Ameisenigeln erst nicht zutraut: Sie sind durchaus talentierte Schwimmer. Sie benutzen ihre lange Schnauze als Schnorchel, während sie im flachen Wasser zwischen den Inseln paddeln. Dort ziehen jedoch ebenfalls Tigerhaie umher, und einer von ihnen hatte sich anscheinend den Ursäuger geschnappt, kurz bevor er seinerseits von den Forschern zu ihrem Boot gezogen wurde. Was er dann tat, machen Haie häufiger. So erbrach im Jahr 2010 ein Tigerhai vor Florida einen großen Klumpen 20 Zentimeter langer Federn, als Forscher einen Sender an ihm befestigten.
Haie erbrechen immer wieder ihren Mageninhalt, wenn sie gefangen werden oder in andere stressige Situationen geraten. Auch das Team um Lubitz beobachtete das Verhalten ein zweites Mal, als ein Tigerhai den Fachleuten die Überreste eines Meeressäugers vor die Füße spie. Und es geht sogar noch extremer: Ein Hai kann sogar seinen gesamten Magen nach außen stülpen, so dass er als rosafarbene Masse aus dem Maul des Tieres hängt, und ihn dann wieder einziehen. Das Verhalten dient in der Natur vermutlich dazu, unverdauliche Nahrungsteile loszuwerden. Warum Haie erbrechen, wenn sie gefangen werden, ist unklar – manche Fachleute vermuten, dass das Verhalten eine Funktion hat und die Tiere mit leerem Magen besser entkommen können. Aber vielleicht haben sie auch einfach nur ziemliche Angst.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.