Tunguska & Co.: Warum es Meteoroiden wirklich zerreißt
Die enorme Detonation eines etwa 20 Meter großen Asteroiden über Tscheljabinsk im Februar 2013 erzeugte neben einem Feuerkugel und einem sehr lauten Knall auch einen Widerspruch. Berechnet man die Kräfte, die zum Zeitpunkt des Ereignis in etwa 30 Kilometer Höhe auf den Körper wirkten, muss der Himmelskörper brüchiger als Glas gewesen sein. Die gefundenen Bruchstücke jedoch erwiesen sich als um zwei Größenordnungen widerstandsfähiger, etwa vergleichbar mit Baustahl. Dafür explodierte der Himmelskörper viel zu früh. Nun präsentieren Henry Melosh und Marshall Tabetah von der Purdue University in Lafayette eine mögliche Erklärung. Demnach lässt Druckluft den Körper in winzige Teile zerplatzen.
In ihrer Veröffentlichung in "Meteoritics & Planetary Science" machen die beiden Forscher die hohe Porösität von Asteroiden als Ursache der vorzeitigen Explosionen aus – jedoch nicht, weil der Körper entlang dieser Schwächezonen zerfallen würde. Das geschehe vermutlich viel früher, im Fall des Tscheljabinsk-Meteoriten wohl bereits in über 80 Kilometer Höhe. Solche Klüfte könnten aber nicht die enorme Explosion in tieferen Luftschichten erklären, bei der mehr als 99,9 Prozent der Masse des Körpers vollständig zerstört wurden.
Vielmehr saugt der enorme Druckunterschied zwischen Front und Rückseite die komprimierte und erhitzte Luft vor dem Meteoroid in die Poren des Materials. Körper wie jener von Tscheljabinsk treten gewöhnlich mit etwa 20 bis 30 Kilometer pro Sekunde in die Atmosphäre ein und erzeugen einen sehr hellen Feuerkugel. Dabei bildet sich außerdem vor dem Körper eine Blase extrem verdichteter Luft, während hinter dem Meteoriten ein kurzlebiger luftleerer Tunnel in der Atmosphäre entsteht. In den Poren selbst befindet sich nur das Vakuum des interplanetaren Raums.
In einer Computersimulation modellieren Melosh und Tabetah, wie ein Himmelskörper beim Eintritt in die Atmosphäre von der erhitzten Luft durchdrungen wird. Der Porendruck in dem Gestein steigt dabei binnen eines Augenblicks von null auf bis zu einem Mehrfachen des Atmosphärendrucks – genug, um den Körper in winzige Fragmente zu zerreißen, die dann in der Hitze der Feuerkugel weiter vergehen. Nur wenn der Meteoroid dicht und wenig porös ist, zerbricht er demnach in größere Fragmente, von denen einige den Erdboden erreichen.
Am stärksten sei die Explosion bei mittlerer Porösität, schreiben die beiden Forscher. Dann nämlich dringt genug Luft in den Meteoriten ein, um ihn zu zerreißen, er ist aber auch stabil genug, dass sich ein hoher Druck aufbauen kann. Melosh und Tabetah erheben allerdings nicht den Anspruch, die atmosphärischen Explosionen letztgültig modelliert zu haben – dafür sei das Modell zu einfach. Zumal andere Prozesse wie das Abtragen der Oberfläche durch den Luftwiderstand oder die Hitze hier nicht berücksichtigt sind.
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