Planetenentstehung: Warum ist die Erde so trocken?
Für uns auf der Oberfläche der Erde und beim Blick aus dem Weltall erscheint unsere kosmische Heimat überreich an Wasser bedacht. Dies ist aber nur scheinbar so, denn vergleicht man die Masse des festen Erdkörpers mit der Masse des Oberflächenwassers in Ozeanen, Eiskappen, Flüssen und Seen, so zeigt sich, dass nur 0,023 Prozent der Erdmasse Wasser sind. Schon seit längerem haben sich die Astronomen über unseren trockenen Planeten gewundert. Nach den gängigen Theorien, nach denen sich die Erde aus einer protoplanetaren Scheibe aus Gas und Staub um die junge Sonne bildete, müsste der Blaue Planet eine echte Wasserwelt sein. Sie würde dann aus bis zu 40 Prozent Wasser bestehen. In dem Fall wäre sie aber mit einem mehrere 100 Kilometer mächtigen Mantel aus Wasser umgeben, der in den tieferen Lagen aus Hochdruckvarianten von Wassereis bestände. Die Erde hätte sich also aus wasserhaltigen Kleinkörpern gebildet, die aus einem Bereich um die Sonne stammten, in denen es kühl genug war, dass sich Wasserdampf als Eis niederschlagen konnte. Die Grenze dieser Region nach innen in Richtung Sonne wird als "Schneegrenze" bezeichnet. Warum aber ist dann die Erde so trocken?
Die beiden Astronomen Rebecca G. Martin und Mario Livio vom Space Telescope Science Institute in Baltimore, Maryland, haben hierfür eine neue Theorie entwickelt. Demnach entstanden die Erde und ihre Nachbarn Mars, Venus und Merkur aus sehr viel trockenerem Material, das sich innerhalb der Schneegrenze befand, die heute zwischen den Bahnen von Mars und Jupiter im Asteroidengürtel liegt. Die Schneegrenze im jungen Sonnensystem vor rund 4,5 Milliarden Jahren befand sich den Standardmodellen zufolge zur Entstehungszeit der Erde sehr viel näher an der Sonne und die erdähnlichen Planeten bildeten sich somit aus eishaltigen Stoffen.
In den Standardmodellen gehen die Astronomen davon aus, dass die protoplanetare Scheibe um die Sonne anfangs völlig ionisiert war, das heißt, ihre Gase waren elektrisch geladen. Dadurch konnten diese auf den Stern strömen, wobei sie die Scheibe aufheizten. Zu dieser Zeit befand sich die Schneegrenze weit von der Sonne entfernt, etwa im Bereich der heutigen Umlaufbahn von Jupiter. Nach einer gewissen Zeit war der Vorrat an Gas im inneren Bereich der Scheibe erschöpft, die Scheibe kühlte ab und zog dabei die Schneegrenze in Richtung Sonne. Dies geschah, bevor die Erde und ihre Nachbarn entstanden. Dann setzte dort die Planetenbildung ein, woraufhin Wasserwelten entstehen müssten.
Martin und Livio gehen nun davon aus, dass die Strahlung der jungen Sonne nicht ausreichte, die Scheibe völlig zu ionisieren. Somit fiel kein Material in Richtung zum Zentralgestirn, stattdessen sammelte es sich um die junge Sonne herum an und bildete dort eine "tote Zone" (englisch: dead zone) in der protoplanetaren Scheibe. Diese erstreckte sich etwa von 0,1 Astronomischen Einheiten Abstand zur Sonne bis hinaus zu rund drei Astronomischen Einheiten (eine Astronomische Einheit ist der mittlere Abstand von der Erde zur Sonne und beträgt 149,6 Millionen Kilometer). Die tote Zone wirkte wie ein Verschluss und blockierte den Fluss der Materie zur Sonne. Diese sammelte sich aber weiter in der toten Zone an, wodurch ihre Dichte anstieg. Dabei heizte sie sich auf und gab ihre Wärme an die weiter außen befindlichen Regionen der Scheibe ab. Dadurch wurden leichtflüchtige Stoffe wie Wasser aus dem Material herausgetrieben und das zurückbleibende Material wurde "trocken". Die Erde, Mars und Venus und auch Merkur bildeten sich dann aus diesem trockeneren Material und enthalten daher nur sehr wenig Wasser.
Schreiben Sie uns!
Beitrag schreiben