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Chloramine: Warum man nicht ins Schwimmbecken pinkeln soll

Rund 75 Liter Urin sollen sich in jedem 50-Meter-Schwimmbecken befinden. Eine kleine Menge - und doch kann sie die Gesundheit schädigen, wie ein Fallbeispiel zeigt.
Ein Hund schwimmt im Schwimmbad und markiert hoffentlich nicht sein Revier

Kinder tun es, Senioren wohl ebenso – und sogar ein Profisportler wie Michael Phelps hat schon zugegeben, dass er sich ins Schwimmbecken erleichtert. Eine Erhebung in mehr als 30 Schwimmbädern über drei Wochen hinweg hat daher auch ergeben, dass in einem 50-Meter-Becken durchschnittlich 75 Liter Urin mit herumschwappen. In Thermalbädern liegt der Gehalt sogar noch höher, wobei unklar ist, ob das warme Wasser eher zum Wasserlassen animiert oder einfach mehr inkontinente Menschen solche Badeanstalten besuchen. Auch wenn die Urinkonzentration angesichts des Fassungsvermögens der Becken mit einem Liter Urin auf 11 000 Liter Wasser gering erscheint, kann das Fehlverhalten durchaus gesundheitliche Beschwerden hervorrufen, wie ein Fallbericht der US-amerikanischen Centers for Disease Control and Prevention (CDC) darstellt.

Im »Morbidity and Mortality Weekly Report« vom 22. September 2017 berichten Sophia Chiu und Co über ein Ereignis, das sich 2015 in einer überdachten öffentlichen Badeanstalt in Chicago zugetragen haben soll. Im Juli jenes Jahres hatten sich mehrere Personen an das lokale Gesundheitsamt gewandt und über Augenreizungen, Atembeschwerden und Übelkeit berichtet, nachdem sie das Hallenbad besucht hatten. Eine folgende Untersuchung zeigte, dass mindestens 19 Menschen – Angestellte und Besucher – davon betroffen waren, weswegen die CDC eingeschaltet wurden. Die Behörde führte anschließend eine epidemiologische Studie durch, entnahm Proben und überprüfte die Belüftungsanlagen des Schwimmbads.

Nachdem sie alle Faktoren bewertet hatten, kamen Chiu und ihr Team zu einem eindeutigen Schluss: Die Betroffenen litten unter leichten bis mittleren Vergiftungen durch Chloramine – eine Verbindung aus Chlor und Stickstoff, die auf diverse Organe und das Nervensystem toxisch wirkt. Die Substanz entsteht, wenn stickstoffhaltige Mittel mit Chlor reagieren, mit dem viele Schwimmbäder ihr Wasser desinfizieren. An erster Stelle steht dabei Urin, der immer wieder durch Badende ins Becken eingebracht wird. Daneben spielen noch Schweiß, Hautzellen, Sonnenschutzmittel und andere Pflegeprodukte eine Rolle.

In Chicago kam erschwerend hinzu, dass sich diese Chloramine in der Atemluft anreichern konnten, weil die Belüftungsanlage nur unzureichend funktionierte. Zusammen mit etwas niedrigeren Temperaturen und einer höheren Luftfeuchtigkeit als vorgeschrieben bildete sich eine zumindest für einige Anwesende toxische Atmosphäre, die zu den gesundheitlichen Problemen führte. Angestellte, die diesen Bedingungen über längere Zeit ausgesetzt waren, hatten daher auch ein viermal so hohes Risiko zu erkranken wie Besucher. Die CDC empfahlen allerdings jedem Besucher, wachsam zu sein: Wer nach einem Badbesuch gerötete Augen, Übelkeit und andere Symptome verspürt, sollte das an die Behörden melden. Und sie gaben auch Tipps, damit es gar nicht erst so weit kommt – man solle etwa vor dem Schwimmen duschen, um Schweiß und Cremes zu entfernen. Und natürlich sollte jede Person schon zum Selbstschutz einfach kurz eine Toilette aufsuchen, wenn die Blase drängt.

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