Zusammenleben: Warum wir uns nicht gern entschuldigen
Auch wenn man sich unversehens in eine hitzige Diskussion versteigt und unbedachte Worte fallen, würde doch meist eine aufrichtige Entschuldigung genügen, um die Beziehung wieder zu kitten. Nur kommt es dazu manchmal nicht – stattdessen wird das Fehlverhalten heruntergespielt oder nach Rechtfertigungen gesucht. Was steht dem Sprung über den eigenen Schatten im Weg?
Die Psychologin Karina Schumann von der University of Pittsburgh ordnet die häufigsten Gründe drei Bereichen zu. Vorausgesetzt, der Fehltritt werde überhaupt als solcher erkannt, stünde an erster Stelle mangelndes Interesse am Gegenüber. Es fehle also an Motivation, die Beziehung zu erhalten. Zweite Ursache: Scham und Schuldgefühle bedrohen das Selbstwertgefühl und mindern so die Bereitschaft, sich weiter mit dem Vorfall zu befassen. Wer ein schwaches Selbstwertgefühl habe, narzisstisch veranlagt sei oder sich viel mit der eigenen Wirkung auf andere beschäftige, dem falle eine Entschuldigung deshalb besonders schwer. Hinzu käme, so Schumann, dass Menschen überschätzten, wie unangenehm und peinlich eine Entschuldigung für sie sein werde. Als Drittes nennt sie die Erwartung, dass die Entschuldigung ohnehin nicht angenommen werde: Die Chance auf Vergebung würde systematisch unterschätzt. Signalisiere das Opfer Versöhnungsbereitschaft, steige mit der Hoffnung auf Erfolg auch die Wahrscheinlichkeit einer Entschuldigung.
Daraus leitet Schumann Mittel und Wege ab, um die Chancen auf eine Abbitte zu verbessern. Der Psychologin gelang dies unter anderem in einem Experiment, bei dem sie kurzzeitig das Selbstwertgefühl ihrer Versuchspersonen steigerte. Die Probanden äußerten sich daraufhin weniger abwehrend und bemühten sich verstärkt um Wiedergutmachung. In einem weiteren Versuch beeinflusste sie die Ansichten ihrer Probanden. Je mehr diese daraufhin überzeugt waren, dass Menschen sich grundsätzlich ändern können, desto eher übernahmen sie die Verantwortung für ihr Fehlverhalten.
Eine echte Entschuldigung könne das beschädigte Vertrauen wiederherstellen, glaubt Schumann. Das erfordere jedoch, die eigene Verantwortung anzuerkennen, sich nicht zu rechtfertigen oder anderen eine Teilschuld zuzuschieben und schließlich Wiedergutmachung anzubieten. Wer sich derart in eine schwächere Position begibt und eine Zurückweisung riskiert, offenbare damit Wertschätzung für sein Gegenüber. Mit diesem ausgleichenden Akt würden sich letztlich beide Seiten wieder besser fühlen.
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