Fahrzeug-Psychologie: Was wir mit unseren Autos ausdrücken
Wie Menschen den Kauf teurer Autos begründen, ist bei genauerem Hinsehen häufig ein wenig obskur: "In keinem anderen Auto sitze ich so gut wie in diesem!" Der Psychologe Rüdiger Hossiep von der Ruhr-Universität in Bochum untersucht Beziehungen zwischen Menschen und Automarken und sagt dazu: "Das ist natürlich Quatsch." Für den Preis eines neuen 7-er BMWs bekommt man schließlich etliche andere Modelle mit ähnlich komfortablen Sitzen. Aber keines, mit dem man so gut ausdrücken kann, wie dynamisch man sich selbst fühlt. Genau für dieses Gefühl steht eben BMW. Und das nicht nur, weil das Unternehmen mit "Dynamik beginnt im Kopf" und dem Dauerbrenner "Freude am Fahren" für die Marke wirbt. Sondern eben auch, weil viele Menschen und besonders die Fahrer davon überzeugt sind, ein sehr dynamisches Auto zu lenken, mit dem sie wiederum dem Rest der Welt ihre eigene Dynamik zeigen können.
Beileibe nicht nur bei BMW verknüpft der Fahrer seine Persönlichkeit, Gefühle und Wünsche mit der Automarke. Das Gleiche gilt auch für viele andere Marken. Hossiep und seine Mitarbeiter entlarven das Auto als ein Vehikel, mit dem Menschen anderen sehr leicht das eigene Selbstwertgefühl vorführen können. "In den 1960er Jahren war diese Botschaft oft: Ich habe es geschafft", geht Rüdiger Hossiep einen Schritt in die Vergangenheit. Aus den Trümmern des Zweiten Weltkriegs hatten die Menschen Deutschland wieder aufgebaut. Längst war das Essen nicht mehr knapp, und der eine oder andere Luxus in Form eines Kühlschranks und einer schicken Schrankwand zog in die Wohnungen der Facharbeiter ein. Die Mobilität aber beschränkte sich für weite Kreise der Bevölkerung nach wie vor auf die Reichweite eines Fahrrads oder zu bestimmten Anlässen auf eine Fahrt mit der Bahn.
Auto als Botschaft: "Wir haben es geschafft!"
Im Lauf der 1960er Jahre aber kam dann für Facharbeiter und einfache Angestellte das eigene Auto in greifbare Nähe. Zunächst als Gebrauchtwagen, ein paar Jahre später sogar als Neuwagen. Der Besuch bei Freunden und Verwandten in der Nachbarstadt war jetzt viel einfacher, der Urlaub an der Nordsee, an der Adria oder in Österreich löste die Ferien auf dem eigenen Balkon ab. Und das Symbol für diesen großen Fortschritt stand in Form des eigenen Autos gut sichtbar für alle vor der Haustür und verkündete ein deutliches "Wir haben es geschafft!".
Überbringer dieser Botschaft sei damals häufig ein VW Käfer gewesen, ein Opel oder ein Ford. Heute sei es eher ein Mercedes, der die gleiche Nachricht auf die Straße trägt. Dazu passt der Slogan "Das Beste oder nichts" – was nichts anderes bedeutet als das "Ich hab's geschafft" der 1960er Jahre. Genau wie bei der "Freude am Fahren" von BMW spiegle auch dieser Satz sehr gut die Beziehung zwischen dem Image der Marke und der Selbsteinschätzung der Käufer und Fahrer wider.
Privater Raum auf dem Waldparkplatz
Als in den 1970er Jahren dann die Nachkriegsgeneration in den Fahrschulen ihren Führerschein machte, wandelte sich das Selbstverständnis der Autofahrer bereits. Der fahrbare Untersatz bot so manchem, der bei den Eltern zu Hause kein eigenes Zimmer hatte, einen privaten Raum. "Diesen Raum konnte man sogar mitnehmen", sagt Rüdiger Hossiep. Das war praktisch: konnten jetzt doch junge Menschen im eigenen Auto mit dem Partner endlich ungestört bleiben.
Häufig standen damals VW Käfer im Halbdunkel der abgelegenen Ecken. Aber auch andere Marken bogen in die Waldparkplätze ein, die oft genug auch typisch für die Persönlichkeit ihrer Fahrer waren. "Linke Liberale fuhren damals gerne einen Renault 4 (R4), Snobs bevorzugten den Mini, der damals in Deutschland nur selten verkauft wurde", erinnert sich Rüdiger Hossiep. Der Psychologe selbst war in dieser Zeit mit einem Saab 900 unterwegs – und zeigte damit seiner Umwelt ein ganz anderes Lebensgefühl: "Hauptsache ich fahre etwas ganz anderes als alle anderen", fasst der Forscher nicht nur sein Lebensgefühl zusammen. Daneben gab es auch noch einige linke Alternative, die natürlich mit dem Kult-Auto ihrer Zeit unterwegs waren, der 2CV, der "Ente" von Citroen. In Frankreich hieß dieses Modell einfach "deux chevaux", was schlicht "zwei Pferde" bedeutet und in Schwyzerdütsch zu einem "Döschwo" wurde. Der in Deutschland übliche Begriff "Ente" kommt ursprünglich aus dem Niederländischen: Dort hatte ein Journalist das Fahrzeug mit seinen etwas eigenwilligen Formen bereits 1948 spontan als "hässliches Entchen" bezeichnet, woraus im Englischen "ugly duckling" wurde.
Diesen Kultstatus gibt es auch heute noch. Zum Beispiel sei der Mini bei Frauen sehr beliebt. "Damit signalisiert man: Ich bin 'in'", erklärt Rüdiger Hossiep. Damit profitiert die Marke noch heute von den 1960er Jahren, als der Mini gleich dreimal die berühmte Rallye Monte Carlo gewann und die etablierten Ferraris und Porsches auf die Plätze verwies. Dieses Underdog-Gefühl symbolisiere der Mini noch heute, obwohl er längst in die BMW-Werkstatt mit ihren hohen Kosten muss und andere Fahrzeuge für gleiches Geld mehr bieten.
"Mit einem Geländewagen lässt sich eben sehr gut demonstrieren, dass man sich Luxus leisten kann" Rüdiger Hossiep
So ungefähr das Gegenteil symbolisiert der große Geländewagen vor der Haustür. Abgesehen von einigen Förstern und Almbauern braucht in Mitteleuropa kaum jemand tatsächlich ein Fahrzeug, das auch abseits der Straßen ohne größere Probleme fahren kann. "Nur lässt sich mit einem Geländewagen eben sehr gut demonstrieren, dass man sich Luxus leisten kann", erklärt Rüdiger Hossiep. "Wer auf den Putz klopft, hat es meist auch nötig", schiebt der Psychologe gleich nach.
Neuwagen kauft bis heute vor allem die Nachkriegsgeneration
Andere wiederum könnten es sich leisten, mit dem Auto nichts ausdrücken zu müssen. Sie sehen es einfach als Nutzfahrzeug, das sie von A nach B bringt und den Wocheneinkauf bequem nach Hause fährt. Die Marke sei ihnen dabei ziemlich egal, meist kaufen sie einen Gebrauchtwagen, der auf die Dauer viel billiger als ein Neuwagen ist. Neue Autos dagegen werden heute viel eher von der "Ich habe es geschafft"-Nachkriegsgeneration und vor allem von Firmen als Dienstwagen gekauft. "Privatleute erwerben dagegen nur rund ein Viertel der Neuwagen", berichtet Rüdiger Hossiep. Und manche Modelle wie der Audi A4 gehen zu mehr als 90 Prozent als Geschäftsfahrzeuge an den Neuwagen-Käufer.
Firmen wiederum erlauben in ihren Richtlinien oft nur vier oder fünf bestimmte Marken. "Wer signalisieren will, dass er sich etwas anderes leisten kann, fährt daher einen Jaguar oder einen Volvo", erklärt Rüdiger Hossiep. Daneben gibt es natürlich noch weitere Aussagen. Mit einem Porsche weisen manche Menschen zumindest unbewusst darauf hin, dass trotz fortgeschrittenen Alters die Manneskraft noch vorhanden sein könnte. Der Volvo wiederum signalisiert "Ich gehe auf Nummer sicher". Und dann gibt es noch den Dacia, der für den Slogan "Mein Auto ist mir ziemlich egal" steht. Das gibt es also auch, das Anti-Status-Symbol.
Wer sich fragt, ob er im richtigen Auto sitzt, kann die Testfragen der Psychologen beantworten. Wer seine E-Mail-Adresse hinterlässt, bekommt mitgeteilt, welche Marken der eigenen Persönlichkeit am meisten entgegenkommen und welche Fahrzeuge für den eigenen Typ eher untauglich sind. Ganz nebenbei erfahren die Forscher aus den Antworten in diesem Fragenkatalog mehr über die Beziehung zwischen den Fahrern und ihren Autos.
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