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News: Was Bohrlöcher vom Erdklima erzählen

Eine neue Untersuchung der Temperaturen in 300 Bohrlöchern, die vier Kontinente und fünf Jahrhunderte umfaßt, hat bestätigt, was die meisten Wissenschaftler bereits glaubten - die Erde wird wärmer und die Geschwindigkeit der Erwärmung nimmt seit 1900 rasch zu.
„Was die Klimaveränderung angeht, war das 20. Jahrhundert kein Jahrhundert wie alle anderen”, sagte Henry N. Pollack, Professor für Geologie an der University of Michigan. „Gesteinstemperaturen unter der Erdoberfläche bestätigen, daß die durchschnittliche globale Oberflächentemperatur in den letzten fünf Jahrhunderten um etwa ein Grad Celsius gestiegen ist. Die Hälfte des Anstiegs fand in den vergangenen 100 Jahren statt. Das 20. Jahrhundert ist das wärmste und hat die größte Erwärmungsrate aller fünf Jahrhunderte, die wir in unserer Studie untersucht haben, zu verzeichnen.” (siehe Spektrum der Wissenschaft 8/93, Seite 68).

Während der Konferenz der American Geophysical Union, die diese Woche in San Francisco stattfand, präsentierte Pollack Temperaturmessungen aus 300 unterirdischen Bohrlöchern in Europa, Nordamerika, Australien und Südafrika.

Pollack ist einer von mehreren Geologen, die die Erdtemperatur messen, indem sie empfindliche Thermometer in Bohrlöcher hinablassen. Weil unterirdische Felsen die Temperaturveränderungen auf der Oberfläche speichern, sind Bohrlöcher eine wichtige Datenquelle für Wissenschaftler, die globale Klimaveränderungen untersuchen. Kurzfristige Abweichungen, wie z.B. jahreszeitlich bedingte Schwankungen, dringen nur wenige Meter in die Erde ein. Langfristige Veränderungen über mehrere Jahrhunderte werden in größeren Tiefen bewahrt. Da meteorologische Daten weltweit erst seit ungefähr 100 Jahren aufgezeichnet werden, sind die Bohrlochtemperaturen besonders wichtig bei der Bestimmung der Oberflächentemperaturen in den vergangenen Jahrhunderten.

Die Temperaturen einzelner Bohrlöcher können durch die Topographie oder durch Klimabedingungen vor Ort verfälscht werden. Deshalb haben Pollack und sein Assistent Shaopeng Huang die Messungen eines Kontinents zu einem Datensatz zusammengefaßt, um so lokale Effekte auszugleichen und regionalen Trends Rechnung zu tragen. Dann kombinierten Sie alle vier Datenblöcke, um einen globalen Durchschnitt zu erhalten. Da Meteorologen langfristige Klimaveränderungen in 100-Jahr-Intervallen untersuchen, haben Pollack und Huang auch die Trends in den Bohrlochdaten in 100-Jahr-Schritten ausgewertet.

Als sie die durchschnittlichen weltweiten Veränderungen in den Bohrlochtemperaturen mit den globalen meteorologischen Aufzeichnungen über das letzte Jahrhundert verglichen, entdeckten sie, daß seit 1900 in beiden ein Anstieg der Temperatur um 0,5 Grad Celsius festzustellen war. „Der Boden erzählt die gleiche Geschichte wie die Luft”, erklärte Pollack.

Gemäß Pollack fanden 80 Prozent der gesamten Erwärmung um 1 Grad nach 1750 statt, als die Menschen im Verlaufe der industriellen Revolution anfingen, Holz, Kohle und andere fossile Brennstoffe in großem Umfang zu verbrennen. Er vermutet daher, daß der Temperaturanstieg eher menschlichen Aktivitäten als natürlichen Schwankungen zuzuschreiben ist.

„Wenn der Aufwärtstrend der Emissionen von Treibhausgasen so weitergeht, können wir bis zum Jahre 2050 einen weiteren Anstieg der globalen Temperatur um 1 Grad Celsius erwarten”, warnte Pollack. „Diese Schätzung basiert nicht auf Modellberechnungen, sondern auf einer Projektion der tatsächlichen Daten. Unsere Ergebnisse stimmen mit Schätzungen über eine globale Klimaerwärmung überein, die vom Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) der Vereinten Nationen herausgegeben wurden. Außerdem passen sie zu der Schlußfolgerung des wissenschaftlichen Gremiums des IPCC, daß die menschliche Aktivität eine signifikante treibende Kraft bei der globalen Erwärmung darstellt.”

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