Dritte Impfdosis: Was Booster-Impfungen leisten können
Der Trend geht zur Drittimpfung. Am 4. November 2021 sagte Gesundheitsminister Jens Spahn, allen Menschen, deren Zweitimpfung bereits länger als sechs Monate zurückliegt, solle eine so genannte Booster-Impfung angeboten werden. Demnach hätten knapp 56 Millionen vollständig Geimpfte ab zwölf Jahren einen Anspruch auf diese Impfschutz-Auffrischung. Auch die Ständige Impfkommission (STIKO) schrieb in einer Stellungnahme am Montag, es sei aus »immunologischen und infektionsepidemiologischen Gründen sinnvoll«, mittelfristig allen Menschen in Deutschland eine Auffrischungsimpfung anzubieten.
Schon jetzt sind bereits 2,7 Millionen Menschen in Deutschland zum dritten Mal geimpft. Hintergrund dieser als Booster bezeichneten Drittimpfung ist, dass der Impfschutz gegen Covid-19 nach einiger Zeit schwächer wird – ein Effekt, den man schon von früheren Impfungen gegen Coronaviren kennt.
Was macht eine Booster-Impfung?
In den vergangenen Wochen zeigten Forscherinnen und Forscher in zahlreichen Studien, dass der Impfschutz durch die aktuell in Deutschland zugelassenen und verwendeten Impfstoffe mit der Zeit abnimmt. Besonders gefährdet sind Menschen über 60 Jahre sowie Personen mit Vorerkrankungen. Außerdem sank die Wirksamkeit gegen die Delta-Variante von Sars-CoV-2 fünf Monate nach einer Impfung deutlich stärker ab als gegen andere Varianten. Trotz alledem schützten die Impfungen auch nach bis zu neun Monaten weiterhin vor schweren Krankheitsverläufen, vor allem aber jüngere Menschen.
Eine Booster-Impfung soll nun der angeschlagenen Schutzwirkung wieder auf die Sprünge helfen. Im optimalen Fall stabilisiert sie die Immunantwort des Geimpften erneut oder erhöht sie gar im Vergleich zum Status nach der Grundimmunisierung. Das Prinzip ist einfach: Je häufiger das menschliche Immunsystem in Kontakt mit charakteristischen Merkmalen – vor allem dem Spike-Protein – von Sars-CoV-2 kommt, umso besser erinnert es sich auch auf Dauer an diesen Erreger und umso effektiver ist eine Immunantwort auf eine erneute Infektion. Allerdings schützt eine Impfung niemals zu 100 Prozent vor einer Infektion, auch direkt oder zwei Wochen nach der Immunisierung nicht.
Ist die Impfung also unwirksam?
Nein, das ist sie nicht.
Allerdings beobachten wir derzeit ein paradoxes Phänomen: Das erste Mal seit Beginn der Corona-Pandemie liegt die Sieben-Tage-Inzidenz über 200 und damit sogar höher als im vergangenen Herbst und Winter. Im Jahr 2020 war aber noch kein Impfstoff verfügbar. Warum also schlägt Sars-CoV-2 in dieser vierten Welle derart intensiv zu, obwohl doch inzwischen viele Menschen in Deutschland geimpft sind?
Dafür gibt es mehrere Gründe. Der wichtigste Unterschied zum Jahr 2020 ist sicherlich das Auftreten der Delta-Variante von Sars-CoV-2 (B.1.617.2), deren Verbreitung in Deutschland mittlerweile bei nahezu 100 Prozent liegt. Diese Variante ist mehr als doppelt so ansteckend wie die Ursprungsvariante.
Eine Studie aus Israel zeigt zudem, dass die Immunität gegen diese Delta-Variante unabhängig vom Alter einige Monate nach Erhalt der zweiten Impfstoffdosis nachlässt. Die aktuell in Deutschland erreichte Impfquote von etwa 67 Prozent reicht nicht aus, um die Verbreitung der Delta-Variante einzudämmen.
Im Herbst und Winter 2020 hatten wir zudem etliche Maßnahmen, die den Kontakt der Menschen untereinander einschränkten, etwa Zugangsbeschränkungen in Geschäften und Gaststätten, eine flächendeckende Maskenpflicht sowie vermehrt Homeoffice. Jetzt, im Herbst 2021, sind viele dieser Maßnahmen wieder gelockert oder sogar aufgehoben. Als Folge steigt die Kontaktrate der Menschen.
Diese Kombination – hohe Rate an Infizierten, Delta-Variante und viele Kontakte untereinander – führen zur aktuell beobachteten Virus-Ausbreitung. Außerdem gilt: Je mehr Menschen geimpft sind, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass es sich bei einer infizierten Person um eine geimpfte handelt. Dementsprechend nimmt auch die Anzahl der so genannten Impfdurchbrüche zu. Das führt bei vielen Menschen zu dem Eindruck, dass die Corona-Impfung kaum noch wirkt – das ist aber irreführend.
Wie soll eine Booster-Impfung dagegen helfen?
Mehrere Studien haben inzwischen deutlich gezeigt, dass eine Booster-Impfung die Wahrscheinlichkeit einer Infektion mit Sars-CoV-2 senkt und sogar die langfristige Immunantwort stabilisiert. Dadurch sind besonders gefährdete Gruppen, wie alte Menschen sowie Personen mit Vorerkrankungen, besser gegen eine Covid-19-Erkrankung geschützt. Die besten Ergebnisse gab es übrigens nach so genannten Kreuzimmunisierungen. Das heißt etwa, dass ursprünglich mit dem Impfstoff von BioNTech/Pfizer geimpfte Personen nun einen Booster mit dem Impfstoff von Moderna erhalten sollten und andersherum.
Nach einer Booster-Impfung ist zudem die Viruslast infizierter Menschen deutlich niedriger als bei Infizierten ohne Booster. Damit sinkt die Wahrscheinlichkeit, das Virus zu übertragen. Allerdings hat sich gezeigt, dass dieser Effekt nur wenige Monate anhält. Trotzdem können auf diesem Weg Ansteckungen kurzfristig verhindert werden, um etwa die vierte Welle abzuschwächen.
Wer soll geboostert werden?
Ende Oktober hat das Robert Koch-Koch-Institut (RKI) seine Empfehlungen aktualisiert. Demnach sollen folgende Gruppen eine Booster-Impfung erhalten:
- Personen, die älter als 70 Jahre sind
- Bewohnerinnen und Bewohner von Pflege- oder Altenheimen, auch wenn sie jünger als 70 Jahre sind
- Personal in medizinischen und Pflegeeinrichtungen, die entweder Kontakt zu Covid-19-Patienten oder zu Personen der zuvor genannten Gruppen haben
- Personen, die mit dem Impfstoff von Johnson & Johnson geimpft wurden, da sie im Vergleich zu Menschen, die mit anderen Vakzinen geimpft wurden, die meisten Impfdurchbrüche zeigen und daher von einem geringen Impfschutz ausgegangen wird
Aktuell gilt als optimaler Zeitpunkt der Auffrischung sechs Monate nach der Grundimmunisierung, also in der Regel nach der zweiten Impfdosis. Weiter empfiehlt das RKI, mit einem mRNA-Impfstoff aufzufrischen, unabhängig davon, mit welchem Impfstoff grundimmunisiert wurde.
Was ist mit geimpften Genesenen? Brauchen sie auch eine Booster-Impfung?
Derzeit wird Genesenen, die vor oder nach einer Impfung eine mittels PCR-Test gesicherte Sars-CoV-2-Infektion durchgemacht haben, keine Booster-Impfung empfohlen. Hintergrund ist hier, dass geimpfte Genesene sowieso besser gegen eine Infektion mit dem Coronavirus geschützt sind als Geimpfte, die sich nicht mit Sars-CoV-2 infiziert haben.
Was spricht gegen eine Booster-Impfung?
Wir haben festgestellt: Für Ältere und Personen mit Vorerkrankungen sind Booster-Impfungen durchaus sinnvoll. In Studien traten ähnlich kurzfristige Nebenwirkungen wie bei vorangegangen Impfdurchläufen auf, so dass auch dies kein Grund für einen Verzicht auf eine Booster-Impfung ist. Aber wie sieht es mit Menschen unter 60 Jahren aus?
In einigen Ländern der Erde warten Menschen noch immer auf ihre erste Impfung, weil der Impfstoff ungleich verteilt ist. »Global betrachtet wäre es […] vermutlich schlauer, die Impfungen, die hier zu Lande als Drittimpfungen eingesetzt werden, im globalen Süden als Erstimpfung einzusetzen. So würde man die Pandemie weltweit noch schneller in den Griff bekommen«, sagte beispielsweise Till Koch Ende Oktober 2021 gegenüber dem »Science Media Center« (SMC). Koch ist Facharzt für Innere Medizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE).
Außerdem scheint es sinnvoll, auch in Deutschland erst einmal die Impfquote zu erhöhen. Während bereits knapp 86 Prozent der über 60-Jährigen vollständig geimpft sind, gibt es vor allem bei Kindern und Jugendlichen noch große Lücken. Erst knapp die Hälfte der 12- bis 17-Jährigen hat beide Impfdosen erhalten. Und 9,2 Millionen Kinder unter zwölf Jahren gingen bislang leer aus, weil der Impfstoff in Deutschland für sie nach wie vor nicht zugelassen ist.
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