Ozeane: Was erzeugt die seltsamen Klänge in der Tiefsee?
Zwei Expeditionen zum Marianengraben in den Jahren 2014 und 2015 haben rätselhafte Geräusche aufgefangen, deren Quelle bislang nicht ermittelt werden konnte. Wie Sharon Nieukirk von der Oregon State University und ihre Kollegen mitteilten, konnten sie zumindest geophysikalische und menschliche Ursprünge ausschließen. Die Aufzeichnungen ähneln stattdessen am ehesten den Gesängen von Zwergwalen. Doch sie unterscheiden sich so deutlich von deren Klängen, dass die Wissenschaftler eine neue Walart nicht ausschließen wollen. Erfasst wurden die Töne von autonomen Messsonden, die ferngesteuert durch die Tiefsee gleiten und dabei zahlreiche Daten sammeln – unter anderem auch zur Akustik. Mehrfach erfassten die Geräte dabei die Geräusche, welche Nieukirk und ihr Team mit dem Arbeitstitel "Western Pacific Biotwang" versahen. "Der Ruf ist sehr spezifisch und umfasst einige seltsame Komponenten", so Nieukirk. Die fünfteilige Lautfolge dauert 2,5 bis 3,5 Sekunden und reicht über sehr viele Frequenzen – von tiefen 38 Hertz bis zu hohen 8000 Hertz.
Am ehesten ähnele dieser Gesang jenem von Zwergwalen (Balaenoptera acutorostrata) von der australischen Ostküste. Zudem weist die fast weltweit verbreitete Art regional stark unterschiedliche Lautäußerungen auf. Es ist damit nicht ausgeschlossen, dass es sich beim "Biotwang" um einen bislang unbekannten Zwergwal-Dialekt handle, meint Nieukirk. Allerdings singen Zwergwale vor allem im Winter und während der Paarungszeit, die rätselhaften Rufe wurden dagegen das ganze Jahr über verzeichnet. Deshalb möchten die Wissenschaftler eine bislang nicht beschriebene neue Walart nicht ausschließen. Unwahrscheinlich ist das nicht, denn auch im 21. Jahrhundert erfassen Taxonomen weitere Walarten, die trotz ihrer Größe der Forschung bisher entgangen sind. Der Omurawal (Balaenoptera omurai) etwa wurde 2003 erstmals beschrieben und sogar erst 2015 gefilmt. Im Pazifik lebt wiederum eine als Rabenwal bezeichnete Spezies, die noch keinen wissenschaftlichen Namen trägt. Kein Mensch hat sie lebend gesehen, verschiedene Totfunde und sogar ein Skelett in einer Schule in Alaska sprechen jedoch für eine eigene Art.
Nieukirk und Co hoffen darauf, dass andere Forschergruppen ihre Tonbänder ebenfalls nach dem Walgesang durchforsten. Denn womöglich wurde er schon von anderen aufgezeichnet, aber wegen seiner akustischen Vielfalt nicht einer einzigen Quelle zugewiesen und deshalb ignoriert. Womöglich lässt sich dadurch der Ursprung der Töne näher eingrenzen.
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