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Persönlichkeit: Was Tanzvorlieben verraten

Psychologisch gesehen haben Tanzen und Musizieren einiges gemeinsam. Aber in einem Persönlichkeitsmerkmal unterscheiden sich ihre Fans deutlich. Und auch der Tanzstil spielt eine Rolle.
Beine eines Paares, das im Freien tanzt
Tanzfreudige Menschen sind im Mittel offener, extravertierter und ausgeglichener als der Durchschnitt. (Symbolbild)

Tänzerinnen und Tänzer ticken ähnlich wie Musikerinnen und Musiker: Sie sind überdurchschnittlich extravertiert und offen für Neues. Doch in einem unterscheiden sie sich deutlich: ob sie sich eher als emotional labil oder stabil beschreiben. Und auch der Tanzstil spielt eine Rolle, berichtet eine Forschungsgruppe vom Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik in Frankfurt am Main in der Fachzeitschrift »Personality and Individual Differences«.

Das Team um die Psychologin und ehemalige Balletttänzerin Julia Christensen hat Persönlichkeitsprofile von rund 6000 Erwachsenen ausgewertet: zum einen von mehr als 5400 Zwillingen aus Schweden, zum anderen von knapp 600 tanzbegeisterten Erwachsenen aus Deutschland, die über Social-Media-Netzwerke von Tanzorganisationen angeworben wurden. Alle beantworteten einen Fragebogen zu den fünf großen Persönlichkeitsdimensionen (»Big Five«). Außerdem gaben die schwedischen Versuchspersonen Auskunft über ihre kreativen Aktivitäten, darunter Tanzen und Musik, und die Deutschen darüber, welche Tanzstile sie regelmäßig praktizierten und in welchem Ausmaß: privat, professionell oder ob sie sogar eine Tanzschule leiteten.

Alle Tanzaktiven waren demnach überdurchschnittlich offen, extravertiert und emotional stabil, verglichen mit den Normwerten dieser Persönlichkeitsmerkmale in der Allgemeinbevölkerung. Die Profis und Tanzschulinhaber waren zudem noch überdurchschnittlich verträglich. In Schweden sah es ähnlich aus: Dort waren Profis und Amateure offener und extravertierter sowie verträglicher als Befragte, die nicht tanzten. Die fünfte Persönlichkeitsdimension der »Big Five« – Gewissenhaftigkeit – war bei den Tänzern und Tänzerinnen durchschnittlich ausgeprägt.

In Sachen Extraversion gab es keine Unterschiede zwischen den Tanzstilen, bei den übrigen Merkmalen durchaus. Die Stile waren sechs Kategorien zugeordnet: Ballett, Standard (beispielsweise Walzer, Tango und Foxtrott), Lateinamerikanisch (wie Rumba und Cha-Cha-Cha), Streetdance (wie Hiphop), Swing (darunter auch Rock ’n’ Roll und Lindy Hop) sowie Tango Argentino, der sich durch freie Improvisation vom Standardtango unterscheidet. Die Anhänger von Ballett und Tango Argentino fielen mit außergewöhnlicher Offenheit auf; Ballett-, Latino- und Street-Tänzer mit besonderer Verträglichkeit und Swing-Fans mit der größten emotionalen Stabilität. Die Standardtänzer fielen am wenigsten aus der Reihe.

Die Persönlichkeitsunterschiede könnten auf verschiedene Veranlagungen zurückzuführen sein, vermuten Julia Christensen und ihr Team. Zum Beispiel seien manche Stile sehr komplex, eine Eigenschaft, die offene Menschen per Definition besonders mögen. Und die emotionale Ausgeglichenheit der Swing-Tänzer ließe sich womöglich damit erklären, dass sich neurotische Menschen von beschwingten Rhythmen weniger angezogen fühlen. Die Unterschiede könnten aber auch mehr mit Vorlieben für ein Musikgenre als mit den Tanzbewegungen zu tun haben.

Die schwedischen Daten zeigten zudem: Wie die Tanzaktiven berichteten auch Musikschaffende über ein höheres Maß an Extraversion und Offenheit. Doch während sich Tänzer außerdem mehr emotionale Stabilität bescheinigten als Nichttänzer, war es bei Musikern umgekehrt: Sie beschrieben sich verglichen mit Nichtmusikern sogar als neurotischer. Die Forschenden vermuten, dass eine Tendenz zu negativen Emotionen beim Tanzen mehr störe als beim Musizieren; so komme es zu einer Selbstselektion. Eine andere mögliche Erklärung: Über die körperliche Anstrengung baut das Tanzen emotionalen Stress ab, und die beschwingten Bewegungen wirken auf die Stimmung zurück.

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  • Quellen
Personality and Individual Differences, 10.1016/j.paid.2024.112603, 2024

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