Verschlackt und übersäuert : Was von Detox-Diäten und Fasten zu halten ist
Dieses Jahr ist es also Selleriesaft. Das hellgrüne Getränk soll beim alljährlichen Detox helfen – so wird es jedenfalls von den bekannten Healthy-Food-Bloggern wie der Schauspielerin Katie Holmes oder »Deliciously Ella« propagiert. Detox bedeutet so viel wie: den Körper reinigen, entgiften und entschlacken. Zwar sind immer weniger Menschen in den Industrienationen gläubig, dennoch boomt das Fasten nach der Weihnachts- und Faschingszeit, das auch in den Religionen für Reinigung steht – allerdings geht es beim religiösen Fasten um Spiritualität und nicht um einen gesunden, schlanken Körper oder ein faltenfreies Gesicht wie beim säkularen Entgiften. Für Letzteres schwören diverse meist selbst ernannte Ernährungsapostel wahlweise auf so genannte Superfoods – wie eben Selleriesaft, natives Kokosöl, bestimmte Nahrungsergänzungsmittel, etwa Algentabletten, oder auch basenreiche Lebensmittel sowie Heilfasten und »F.-X.-Mayr-Kuren«. Doch was ist dran an diesen Versprechen?
Bei so genannten Entgiftungsdiäten stehen zehn Tage nur Wasser, Kräutertees und Säfte auf dem Speiseplan. Teils wird destilliertes Wasser empfohlen, Entgiftungstabletten bestehend aus verschiedenen Pflanzenextrakten oder Detox-Fußpflaster. Auch das Trinken des eigenen Urins wird bisweilen als hilfreich angesehen. All dies soll aus dem Körper schädliche Substanzen wie Alkohol, Medikamente oder Umweltgifte ausschwemmen. Doch es fehlen Aussagen darüber, um welche Gifte es sich dabei eigentlich handeln soll und wie diese dann abgebaut werden sollen. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) stellt auf ihrer Website klar: »Ein gesunder menschlicher Körper kann sich selbst ›reinigen‹, indem er unerwünschte Stoffe über Leber, Nieren, Darm, Haut und die Atmung ausscheidet.« Es existieren also keine dubiosen Gifte, mit denen der Körper offenbar nicht allein fertigwird.
Detox und Co
Zwar gibt es einige Tierstudien, die zum Teil auch positive Ergebnisse zum Potenzial von Detox-Produkten lieferten. So verstärken etwa Koriander, Nori-Algen und das Abführmittel Olestra die Leberentgiftung und schleusen vermehrt so genannte persistente organische Schadstoffe (POPs) aus dem Körper, zu denen etwa PCB und Dioxine zählen. Dennoch ist das Fazit einer Übersichtsstudie aus dem Jahr 2014: Entgiftungsdiäten sind zu wenig untersucht; vor allem fehlen Humanstudien, um eine Wirksamkeit nachzuweisen. Der derzeit angesagte Selleriesaft soll etwa allgemein für Fitness sorgen, aber auch Fibromyalgie, Ekzeme, das chronische Müdigkeitssyndrom, Psoriasis oder sogar Krebs kurieren. Studien dazu liegen freilich nicht vor. Wegen der mauen Studienlage haben deutsche Gerichte etwa auch Detox-Werbung auf Tees mehrmals als unzulässige Gesundheitswerbung verboten.
Die Detox-Diäten sind aber nicht nur einfach wirkungslos, sie können sogar Schaden anrichten. Problematisch sind solche alternativmedizinischen Methoden beispielsweise, weil sich die Vermarktung an chronisch Kranke richtet, die dann womöglich lebensnotwendige Therapien abbrechen. Eigenharn zu trinken kann gefährlich sein, da darin manchmal Keime enthalten sind. Eine Fallstudie der University of California aus dem Jahr 2015 zeigte etwa, dass sich bereits bestehende Akne erheblich verschlimmern kann. Auch ist das Risiko groß, im Wust der Angebote zu toxischen Substanzen zu greifen. In einer weiteren im Jahr 2017 erschienenen Fallstudie aus den USA berichten Ärzte von einer 47-jährigen Frau, die mit einem stark erniedrigten Natriumblutwert in der Klinik eingeliefert wurde – ein lebensbedrohlicher Zustand. Sie hatte als »Cleanse«, also als Entgiftung nach den Weihnachtsfeiertagen und Silvester, Unmengen an Tees etwa aus Baldrian, Salbei oder grünem Tee getrunken und außerdem Vitamin-B- und Glutamintabletten eingenommen.
Auch Detox-Tees sind nicht ungefährlich, sie können so genannte pflanzliche Sennoside enthalten, die in der Medizin als Abführmittel eingesetzt werden. Französische Behörden entdeckten in Spirulina-Kapseln leberschädigende Zyanotoxine. »Durch Algenprodukte können Allergien und Jodvergiftungen ausgelöst werden«, sagt Hans Hauner, Ernährungsmediziner an der TU München. »In der Regel sind Detox-Diäten ziemlicher Unfug, zumal der gesunde Organismus darauf nicht angewiesen ist.«
Anhänger von Entschlackungskuren gehen jedoch davon aus, dass der Körper den heutigen Giftattacken nichts entgegensetzen könne. Hintergrundinformationen zu dieser Idee finden sich zum Beispiel beim »Zentrum der Gesundheit«, einem intransparenten, unter anderem vom Verbraucherschutz kritisch beäugten Internetportal für Gesundheits- und Ernährungstipps: Gifte und Säuren, so der Text, würden als Salze und Schlacken im Bindegewebe gespeichert. Darum empfehle sich etwa beim Basenfasten eine Art Schonkost mit Obst und Gemüse – denn Fleisch wie auch Getreide, Hülsenfrüchte und Milchprodukte würden »übersäuern«.
Diese Übersäuerungshypothese stammt aus den 1920er Jahren, als tierisches Eiweiß als das Nonplusultra angesehen wurde. Dagegen hatte sich damals der Biochemiker Ragnar Berg gewendet, weil seiner Meinung nach tierisches Eiweiß dem Körper durch »Säureüberschuss und Schlackenbildung« schade. »Diese Theorie kommt also aus einer Zeit, als man noch wenig über Ernährung wusste«, fasst Hauner zusammen. Heute ist klar: Verschiedene Puffersysteme sorgen dafür, dass überschüssige Säuren, die sich bei der Verdauung bilden, entweder über die Lunge abgeatmet oder über die Niere ausgeschieden werden und der pH-Wert im Blut stabil bleibt. Ebenso ist unumstritten, dass die meisten organischen Säuren aus Obst und Gemüse im Stoffwechsel zerlegt werden, wobei basische Mineralien frei werden. Dagegen entstehen Säuren beim Abbau von schwefel- und phosphorhaltigen Verbindungen, wie sie in Fleisch, Käse, Getreide und Hülsenfrüchten oder Softdrinks vorkommen. Jedoch: »Weder die Existenz von Schlacken im Körper ist nachgewiesen noch die Annahme, dass Säure bildende Lebensmittel den Säure-Basen-Haushalt des Körpers stören«, schreiben die DGE-Wissenschaftler. Nur bei Erkrankungen der Niere und der Lunge kann der Körper übersäuern, dann werden allerdings entsprechende Medikamente und keine Basenkost verschrieben.
Im Alter arbeiten die Nieren nicht mehr so gut, weshalb es bei einer säurereichen Ernährung dann durchaus zu einer schwachen Übersäuerung kommen kann – wodurch sich das Risiko für Osteoporose und Harnsteine leicht erhöht. »Dazu braucht man aber schon eine hohe Eiweißzufuhr, die ältere Menschen meist nicht erreichen und die weit über den empfohlenen 1 bis 1,2 Gramm Eiweiß pro Kilogramm Körpergewicht liegt«, so Hauner. Zwar gibt es auch unter Medizinern den einen oder anderen Vertreter, der eine sehr säurehaltige Ernährung für schädlich hält. Einig sind sich jedoch alle, dass eine pflanzenbetonte Mischkost, wie sie die DGE empfiehlt, als gesündeste Variante verschiedenen Volksleiden vorbeugen kann. Der komplette Verzicht auf tierisches Eiweiß und Getreide ist also wenig sinnvoll, und Trennkost bietet ebenso wenig einen besonderen Schutz gegen Übersäuerung. Dabei ist gegen das Basenfasten prinzipiell erst einmal wenig einzuwenden. Wenn der Körper jedoch über einen längeren Zeitraum kaum Eiweiß bekommt, können jene Leberenzyme, die giftige Stoffe unschädlich machen, nicht mehr gebildet werden. Dann hat der Körper also tatsächlich ein Giftproblem. Bei der DGE kommt man zu dem Fazit: »Weil wichtige Nährstoffe in zu geringen Mengen zugeführt werden könnten, ist langfristiges Basenfasten nicht empfehlenswert.«
Fasten nach Buchinger, mit Brötchen oder im Intervall
Auch das Heilfasten nach Buchinger, F.-X.-Mayr-Kuren oder Intervallfasten ist groß in Mode. Die F.-X.-Mayr-Kur ist eine Milch-Semmel-Kur, wobei über mehrere Tage trockene Brötchen langsam zu kauen sind. Dies soll einen gestörten Darm entlasten. Es gibt aber keine Studien dazu. Das jährliche Heilfasten, das meist sieben bis zehn Tage dauert, ist dagegen durchaus sinnvoll: Es lindert laut der DGE etwa rheumatische Schmerzen. Denn beim Fasten werden viele Entzündungsstoffe wie Interleukin-6 herunterreguliert. Ebenfalls belegt sind vorteilhafte Effekte des Heilfastens beim metabolischen Syndrom oder bei psychosomatischen Krankheiten. Sicher verliert man auch Pfunde. »Es besteht jedoch eine große Gefahr des Jo-Jo-Effekts«, sagt Hauner. Darum ist Heilfasten laut der DGE zum dauerhaften Abnehmen ungeeignet. Zudem sollte die Fastenkur unter ärztlicher Aufsicht erfolgen. Denn es können Nebenwirkungen wie Gichtanfälle, Kreislaufkollaps oder Herzrhythmusstörungen auftreten.
Weniger kritisch ist in dieser Hinsicht das Intervallfasten. Dabei wird entweder täglich abwechselnd gedarbt und gefuttert (Alternate Day Fasting), fünf Tage normal gegessen und zwei Tage sehr kalorienreduziert gespeist (5/2-Fasten) oder an einem Tag 16 Stunden Verzicht geübt und an 8 Stunden Nahrung zugeführt (16/8-Fasten). Doch auch wenn es mittlerweile Belege gibt, dass Intervallfasten bei einigen Abnehmwilligen als Diät taugt, sind andere vollmundig propagierte Auswirkungen auf Herzkrankheiten, Alzheimer oder Krebs bislang nicht ausreichend in Humanstudien nachgewiesen worden. Eine Gefahr ist etwa, dass man in den Essphasen nur Fastfood in sich hineinstopft. Und das ist auf Dauer sicher ungesund. Bei der DGE hält man daher das Intervallfasten für nicht sinnvoll.
Regelmäßiger Nahrungsverzicht senkte allerdings in Tierstudien und kleineren Humanstudien tatsächlich die Cholesterin- und Blutzuckerwerte, programmierte das Immunsystem neu oder schützte vor Depressionen sowie Demenz. Neuere Studien zeigten auch, dass sich sogar die Verträglichkeit von Chemotherapeutika verbesserte. Selbst wenn dies Hoffnung gibt, raten Ärzte in diesem Fall von voreiligen Fastenkuren noch ab. Auf der Website des Deutsche Krebsforschungszentrums liest man etwa: »Derzeit ist es zu früh, um Aussagen über eine mögliche Wirkung und den Stellenwert des Kurzzeitfastens unter Chemotherapie zu machen.« Zumal eine Mangelernährung bei Tumorerkrankungen die Prognose verschlechtern kann.
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