News: Wasser gefriert zu Glas
Das ändert sich jedoch allmählich. Die Chemiker Kenichiro Koga von der Fukuoka University of Education, Hideki Tanaka von der Okayama University und Xiao Zeng von der University of Nebraska in Lincoln liefern ein weiteres Puzzlestück zum Verständnis. Sie haben Wasser zu Glas anstelle von Eis gefrieren lassen, indem sie es in einem Spalt von einem Nanometer Breite auf minus zehn Grad Celsius abgekühlten (Nature vom 30. November 2000).
Bereits vor drei Jahren haben Zeng und Koga Computersimulationen zu Wasser unter extremen Bedingungen durchgeführt. Sie stellten fest, dass sich bei einem Druck von ungefähr 50 Megapascal, einer Temperatur von minus 40 Grad Celsius, in einem nur einen Nanometer breiten Spalt zwischen zwei wasserabstoßenden Platten Eiskristalle mit einer hexagonalen Struktur formten. Jedes Wassermolekül hat dabei Wasserstoffbrücken zu den vier nächsten Nachbarn ausgebildet, im Unterschied zu normalem Eis war die Struktur jedoch zwei- nicht dreidimensional. Zeng taufte das Eis zunächst auf den Namen Nebraska-Eis, da Nebraska "flaches Wasser" bedeutet.
Doch mit einer Simulation wollten sich die Forscher nicht zufrieden geben. Tatsächlich sollte es aber weitere drei Jahre dauern, bis sie erfolgreich waren. Schließlich wendete Koga einen kleinen Trick an: Er hielt die Wasser-abweisenden Platten während des Einfriervorgangs fest, um ein frühzeitiges Auskristallisieren zu vermeiden. Damit funktionierte der Versuch.
"Das Glas ist einzigartig nicht nur deshalb, weil es eine neue Eis-Glas-Struktur zeigt, sondern auch weil es einen neuen Aspekt für die Physik liefert. Das Glas hat einen deutlichen Phasenübergang erster Ordnung, das heißt, man hat eine große Energieänderung zwischen flüssiger und fester Phase. Wenn man normales Fensterglas herstellt, ist die Energieänderung eine recht glatte Funktion der Temperatur – deshalb sagen die meisten Leute, es wäre kein richtiger Phasenübergang. Aber dies hier ist ein wirklich deutlicher Phasenübergang erster Ordnung – und der ist sehr, sehr selten."
Zeng sieht im Augenblick keine Anwendung für die neuen Erkenntnisse, wie es bei Grundlagenforschung sonst häufig der Fall ist – besonders, wenn es sich um Forschung im Nanometerbereich handelt. Er meint, der direkte Lohn war der Spaß an der Entdeckung.
"Eine neue Eisstruktur finden zu können, ist sehr aufregend für uns Chemiker", schwärmt er. "Wasser ist eine so fundamentale Substanz, dass es eine Menge Aufmerksamkeit verdient. Wir wollen es in jeder Hinsicht verstehen, vom Verhalten im Nanometerbereich, von den Moleküleigenschaften bis hin zum Großen. Was wir vom Wasser verstehen, ist gerade mal die Spitze vom Eisberg."
Siehe auch
- Spektrum Ticker vom 1.6.2000
"Manchmal gibt es keine einfache Lösung"
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