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Gewässerökologie: Wasser in Seen und Flüssen wird weltweit brauner

Der Weltklimarat warnt in seinem sechsten Sachstandsbericht erstmals davor, dass Gewässer sich zunehmend braun färben. Das erschwert die Trinkwasserversorgung, führt zu einem erhöhten CO2-Ausstoß und trägt lokal sogar zum Artensterben bei.
See in Schweden
Vor allem in den skandinavischen Ländern färben sich Seen zunehmend braun.

Gletscherseen erscheinen häufig türkis, algenreiche Gewässer sind grün. Warum aber werden etliche Flüsse und Seen immer brauner? Diesen Vorgang beobachteten Forscherinnen und Forscher zuerst in Skandinavien und Kanada. Die Länder liegen in der kaltgemäßigten Klimazone und sind von der Erderwärmung stärker betroffen als gemäßigte Klimazonen. Wenn Gewässer sich braun verfärben, können zahlreiche Tierarten darin nicht überleben. Außerdem wird das Trinkwasser ungenießbar.

Die braune Färbung entsteht, weil mehr organisches Material eingetragen wird. Besonders bei Starkregen, der im Zuge des Klimawandels häufiger stattfindet, wird Kohlenstoff aus den umliegenden Böden ausgewaschen und gelangt so in die Oberflächengewässer. Das Phänomen der Gewässerbräunung ist inzwischen so weit verbreitet, dass es 2022 in den Sachstandsbericht der Arbeitsgruppe II des Weltklimarats aufgenommen wurde.

Auch Gewässer in Deutschland sind von klimabedingter Bräunung betroffen

Die deutsch-schwedische Erdsystem-Wissenschaftlerin Gesa Weyhenmeyer gehörte zu den Ersten, die dieses Phänomen mit den Klimaveränderungen in Verbindung gebracht haben. Ihre Studie aus dem Jahr 2015 wird im IPCC-Bericht prominent erwähnt. Sie sagt: »Gegenden, in denen es wärmer, aber nicht trockener wird, zählen zu den Risikogebieten.« Dazu gehören vor allem Regionen in Schweden, aber es sind auch Gebiete in Deutschland betroffen. Schreitet der Klimawandel weiter voran, sei mit einer zunehmenden Bräunung von Seen und Flüssen zu rechnen, warnt Weyhenmeyer: »Wenn das Klima wärmer wird, wird mehr organisches Material zersetzt. Es kann dann leichter in die Gewässer gelangen.« Ob und wie stark sich ein Gewässer verfärbt, sei von der Landnutzung, der Lufttemperatur und dem Niederschlag abhängig.

Skandinavische Wissenschaftler stellten in den letzten Jahren zudem fest, dass die durch den Klimawandel begünstigte Bräunung auch weit reichende Auswirkungen auf das Ökosystem von Flüssen, Seen und Auen hat: Das Wasser wird durch die Verfärbung immer wärmer, weil es die Sonnenstrahlen absorbiert, anstatt sie zu reflektieren. Für die Tierwelt hat das Folgen. Habitate verändern sich. Lokal kann das zum Aussterben von Tierarten beitragen.

Stark betroffen seien alle Organismen, die Licht brauchen, erklärt Gesa Weyhenmeyer. Denn das Licht in braunem Wasser ist deutlich schwächer. Wenn sich dann die temperaturbedingte Wasserschichtung verstärke, könne das zu einem Sauerstoffmangel in den Gewässern führen. »Hauptsächlich leiden die am Boden lebenden Lebewesen darunter.«

Dramatischer Schwund von Sauerstoff im Tiefenwasser

Eine Forschungsgruppe des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) konnte vor einigen Jahren am Kleinen Gollinsee nördlich von Berlin beobachten, dass der gelöste organische Kohlenstoff nach ausgiebigen Regenfällen binnen weniger Monate von 10 auf 50 Milligramm pro Liter zunahm und das Seewasser braun färbte. Das hatte erhebliche Folgen, etwa einen dramatischen Schwund des Sauerstoffs im Tiefenwasser. »Dadurch sind damals alle Wasserpflanzen und bodenlebende Wassertiere in dem See abgestorben«, berichtet der Gruppenleiter und Gewässerökologe Mark Gessner.

Ein Grund für den extrem schnellen und starken Anstieg hat Gessner zufolge vermutlich darin gelegen, dass in den trockeneren Jahren der Grundwasserspiegel gesunken sei und sich dadurch vermehrt organische Substanz umgewandelt hat. Mit dem später wieder steigenden Wasserstand wurde der gelöste organische Kohlenstoff mobilisiert und aus den Böden im Einzugsgebiet ausgewaschen. Begünstigt wurde die Braunfärbung des Sees dadurch, dass sich die hohen Einträge auf ein relativ kleines Wasservolumen verteilten. Gessner: »Momentan erholt sich der See aber wieder.«

»Flüsse vor allem in den Waldgebieten der Mittelgebirge werden zunehmend verbräunen«Harald Biester, Geochemiker

Forschende des Instituts für Geoökologie der Universität Braunschweig haben sich die Flüsse und Seen im Harz bereits genauer angesehen. Mit Blick auf die erhobenen Daten stellt Harald Biester, Leiter der Arbeitsgruppe für Umweltgeochemie, fest: »Flüsse vor allem in den Waldgebieten der Mittelgebirge werden zunehmend verbräunen.« Grund seien auch hier in erster Linie die häufigeren Starkregenereignisse.

In Deutschland muss sich daher die Wasserwirtschaft auf die zunehmende Bräunung von Oberflächengewässern einstellen. »Braunes Wasser aus dem Wasserhahn wird nicht sehr geschätzt – obwohl die Farbe an sich zunächst kein gesundheitliches Problem darstellt«, sagt Mark Gessner. Wenn das braune Wasser aber mit Chlor behandelt wird, können chlororganische Verbindungen entstehen. »Die schmecken fürchterlich und haben sicher auch ein gesundheitsgefährdendes Potenzial.«

Und es gibt noch ein weiteres Problem. Das organische Material enthält viel Kohlenstoff, der Mikroorganismen als Nahrung dient. Wenn sie das Material zersetzen, verbrauchen sie Sauerstoff und produzieren Kohlendioxid (CO2). Steht mehr Nahrung für die Kleinstlebewesen zur Verfügung, bilden sie auch mehr von dem klimaschädlichen Gas. So können sich Seen und Flüsse von einer CO2-Senke zu einer CO2-Quelle wandeln.

Zudem tragen Forst- und Landwirtschaft zur Bräunung bei, wenn sie nicht nachhaltig betrieben werden. In Deutschland wird ein Drittel der Auen als Ackerflächen sowie als Siedlungs-, Verkehrs- und Gewerbeflächen genutzt, steht also nicht als Versickerungsraum zur Verfügung. Nur neun Prozent der Auen sind ökologisch noch weitgehend intakt. Funktionierende Auen aber filtern Oberflächenwasser und halten es in der Landschaft. So beugen sie Dürren vor und bieten Raum für einen Schutz vor Hochwasser und Fluten, etwa nach Extremregenereignissen. Flüsse zu renaturieren und die Auen wieder zu aktivieren, könnte nicht nur die zunehmende Bräunung stoppen, sondern auch Raum für eine vielfältige Tier- und Pflanzenwelt schaffen.

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