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Klimawandel: Wasserdicht?

Wirbelstürme sind wohl sichtbarster Ausdruck für die zerstörerischen Kräfte, die Wetterunbilden entfachen können: Ziehen sie mit Wucht über Land, hinterlassen sie vielfach nichts als Zerstörung. Nun mehren sich die Hinweise, dass der Mensch ihre Kraft zusätzlich ankurbelt.
Hurrikan "Florence" östlich der USA
Langsam kommt die Hurrikan-Saison 2006 nun doch etwas in Schwung: Mit "Florence" wirbelt der zweite große Sturm der Saison nach "Ernesto" durch den Atlantik – allerdings fernab der Küste auf dem offenen Meer, sodass vorerst nur die Schifffahrt verstärkt gefährdet scheint. Gleichzeitig köchelt das siebte nennenswerte Tropentief des Jahres nordöstlich der Kleinen Antillen auf noch kleiner Flamme vor sich hin und zieht gemächlich in Richtung Bermuda: Sollte es in den Rang eines Tropen- oder gar Wirbelsturms erhoben werden, dürften sich die Schäden also dennoch in Grenzen halten.

Tropentief Nr. 7 und Hurrikan "Florence" im Atlantik | Tropentief Nr. 7 und Hurrikan "Florence" im Atlantik: Die gegenwärtige Sturmsaison hinkt den Vorhersagen noch beträchtlich hinterher – die aktuellen Wetterbedingungen hemmen die Entwicklung von Hurrikanen.
Trotzdem hinkt die gegenwärtige Sturmzeit immer noch beträchtlich den Vorhersagen der Meteorologen hinterher. Sie hatten auch dieses Jahr eine ähnlich aktive atlantische Wetterküche wie 2005 prophezeit, da den langfristigen meteorologischen und ozeanischen Eckpunkten kein umfassender Wandel bevorstand. Hurrikane bilden sich jedoch nur, wenn ihnen wirklich alle Wasser- und Klimabedingungen am Entstehungsort und in ihren Zugbahnen zuspielen. Neben mindestens 26 Grad Celsius warmen Meeresbereichen in ausreichend großer Ausdehnung müssen auch die großräumigen Druckverhältnisse und die Windrichtung stimmen – der Drehung zuwider laufende Scherwinde blasen den Wirbel bereits in der Entstehung aus.

Dass die Saison wohl die früheren Schätzungen verfehlt, hängt mit drei Faktoren zusammen, die zum Zeitpunkt der Prognose nicht absehbar waren: Zum einen stieg der Luftdruck über dem Atlantik im Jahresvergleich leicht an, was wiederum mehr Scherwinde auslöste. Gleichzeitig kühlte sich der Ozean im Jahresvergleich leicht ab, was die Energieversorgung der Stürme hemmte. Für eine Entwarnung ist es dennoch zu früh, denn Hurrikane können bis in den November hinein entstehen, und die Wassertemperaturen an ihrem Hauptgeburtsort vor der Westküste Afrikas liegen weiterhin über dem langjährigen Durchschnitt. Sobald sich die Druck- und Windverhältnisse umstellen, kommen neuerlich stürmische Zeiten auf.

Wegen dieser überhöhten Wassertemperaturen gibt es nun seit einem knappen Jahr einen veritablen Wissenschaftlerstreit, denn die eine Fraktion beharrt darauf, dass sie einzig einem natürlichen, sich über Jahrzehnte hinziehenden Strömungszyklus im Atlantik geschuldet ist – der so genannten Atlantic Multidecadal Oscillation (AMO). Eine zweite – stark wachsende – Gruppe sieht dagegen einen Zusammenhang mit dem globalen Klimawandel, der letztlich neben der Atmosphäre ebenso die Ozeane erwärmt. Zu ihr gehören beispielsweise Benjamin Santer vom Lawrence Livermore National Laboratory und seine Kollegen [1], welche die Temperaturentwicklung in den atlantischen und pazifischen Kernarealen von Hurrikanen während des letzten Jahrhunderts in 22 verschiedenen Computersimulationen nachgespielt haben.

Je nach Datenbasis erwärmte sich der tropische Atlantik vor Westafrika zwischen 1906 und 2005 tatsächlich um 0,41 bis 0,67 Grad Celsius und der Pazifik vor Mittelamerika und Mexiko zwischen 0,32 und 0,38 Grad Celsius. Diesen Anstieg simulierten die Forscher nun, indem sie ihre Programme mit unterschiedlichen natürlichen Faktoren wie abkühlenden Stäuben aus Vulkanausbrüchen und aufheizenden Sonnenaktivitätshöchstständen sowie entsprechenden Menschen gemachten Einflüssen wie höherem Rußausstoß oder Kohlendioxidemissionen fütterten. Ebenso berücksichtigten sie die Einflüsse von El-Niño-Ereignissen im Pazifik sowie der AMO im Atlantik, die periodisch in großem Maßstab die Temperaturen in ihren Meeresbecken verändern.

Wie zu erwarten, bestimmten vulkanische Eruptionen wie jene des Pinatubo 1991 und die zyklischen ozeanischen Strömungsveränderungen die Entwicklung der Meerestemperaturen mit – die Asche des Pinatubo etwa schirmte den Pazifik gegen die Sonneneinstrahlung ab und bewirkte dort eine temporäre Abkühlung, die aber die stetige Erwärmung nur unterbrach. Doch natürliche Faktoren allein konnten im Modell den gemessenen Anstieg nicht erklären: Erst mit der Zugabe der anthropogenen Emissionen zeichneten die Simulationen die reale Entwicklung in Atlantik und Pazifik nach. Mit einer statistischen Wahrscheinlichkeit von mehr achtzig Prozent verantworten Kohlendioxid, Methan und andere Treibhausgase mindestens zwei Drittel der beobachteten Aufheizung.

Ein Resultat, das auch die Untersuchungen von James Elsner von der Florida State University in Tallahassee stützt [2]. Er verglich, wie sich die Luft- und Wassertemperaturen des tropischen Atlantiks in der eigentlichen Hurrikan-Saison von August bis Oktober während des letzten halben Jahrhunderts entwickelten und welche Sturmstärken dabei aufkamen: Treibt die Atmosphäre den Ozean an oder umgekehrt? Denn gründen intensivere Sturmzeiten auf meeresinternen Temperaturerhöhungen wie im Rahmen der AMO, sollten die Wasser- die Lufttemperaturen im Verlaufe der Saison positiv beeinflussen und ihre Entwicklung vorhersagen, so die Hypothese.

Zumindest seit 1951 fand Elsner aber keine derartige Wechselwirkung. In all diesen Jahren ließen steigende Gradzahlen in der Atmosphäre mit einer gewissen Verzögerung diejenigen des Atlantiks nachziehen. Je stärker die Erwärmung zwischen Juni und November ausfiel, desto häufiger und intensiver entwickelten sich in der Folgezeit die Wirbelstürme. Dieser statistisch signifikante Zusammenhang stützt letztlich die Verfechter des Klimawandels, nach denen der Mensch über das sich aufheizende Erdklima die Meere erwärmt und damit den Hurrikanen mehr Energie zukommen lässt – relativ ruhige Zwischenpausen à la 2006 sind vielleicht bald nur noch Ausnahmen, die diese Regel bestätigen.

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