Wasserkreislauf: Atlantik, Amazonien und die Anden hängen eng zusammen
Der Amazonasregenwald macht sein Klima in Teilen selbst und sorgt über das Wasserrecycling von Brasiliens Osten bis an die Anden dafür, dass hier das größte zusammenhängende Regenwaldgebiet der Erde entstehen konnte. Das ist lange bekannt, doch die gewaltigen Dimensionen dieses Wasserkreislaufs und wie er Sediment- und Nährstoffflüsse über riesige Distanzen beeinflusst, hat die Wissenschaft noch nur in Teilen erfasst. Das zeigt eine Überblicksarbeit von Claire Beveridge und ihrem Team in der »PNAS«.
Feuchte Luftmassen werden demnach von Ostwinden vom Atlantik nach Südamerika verfrachtet, wo sie im nordöstlichen Amazonasbecken erstmals abregnen. Ein Teil des Wassers fließt oberirdisch ab oder versickert, eine größere Menge hingegen verdunstet beziehungsweise wird vom dichten Regenwald wieder transpiriert und nährt die feuchte Höhenströmung erneut. Sie zieht weiterhin mit den vorherrschenden Ostwinden westwärts. Es bilden sich regelmäßig weitere Niederschläge, bis der atmosphärische Fluss auf die Anden an der Westseite des Amazonasbeckens treffen. Dort setzen dann extrem ergiebige Regenfälle ein, die aber ebenfalls nur teilweise oberflächlich abfließen.
Die feuchten Luftmassen, die ebenfalls regelmäßig durch Verdunstung weiter aufgeladen werden, wandern entlang des Gebirgsrandes nach Süden – bis sie durch westliche Höhenwinde wieder nach Osten abgelenkt werden: Dadurch versorgen sich nicht nur das südliche Amazonasbecken mit Niederschlägen, sondern erreichen sogar noch zentrale Regionen Südamerikas wie Zentralbrasilien oder das La-Plata-Becken mit ihrer intensiven Landwirtschaft.
Die Rolle der Erosion
Die teils extrem feuchten Bedingungen an der Ostabdachung der Anden fördern die Erosion des Gebirgszugs, dessen Sedimente mit den Flüssen in Richtung Amazonien befördert werden. Gleichzeitig treiben damit dringend benötigte Nährstoffe und Minerale in das Amazonasbecken, wo sie durch die saisonalen Überflutungen an den Zuflüssen des Amazonas wieder abgelagert werden und dort die Vegetation unterstützen. Ein Teil dieser Fracht gelangt über den Amazonas bis hinein in den Atlantik: Noch tausende Kilometer von der Mündung entfernt konnte man Schwebstoffe aus dem Fluss im Ozean nachweisen.
Laut Beveridge und Co stammen 40 Prozent der Sedimenteinträge des Atlantiks aus dem Amazonas: Das Material unterstützt daher auch die Nährstoffkreisläufe im Meer. Zudem gelangen über den Fluss auch große Mengen an Kohlenstoff in den Atlantik, etwa von gelösten, organischen Molekülen über abgerissenes Pflanzenmaterial bis hin zu ganzen Baumstämmen. Ein Teil davon gelangt bis in die Tiefsee, wo es abgelagert wird und als Kohlenstoffspeicher dient.
Dieser Kreislauf zwischen dem Atlantik, Amazonien und den Anden wird jedoch zunehmend durch Abholzung gestört. Weideland oder Sojafelder erlauben mehr oberflächlichen Wasserabfluss und verringern die Verdunstung durch die Vegetation. Zugleich heizen sie sich stärker auf als der Wald. Beides erschwert die Wolkenbildung. Der Klimawandel sorgt zusätzlich für steigende Temperaturen und verändert dadurch ebenfalls den Wasserkreislauf vor allem im – von Abholzung besonders betroffenen – südlichen Amazonasbecken. Die atmosphärischen Flüsse schwächen sich dadurch ab, weniger Regen fällt in der Region: ein sich selbst verstärkender Prozess.
Gleichzeitig macht sich die Umwandlung von Wald in Farmland auch im Atlantik bemerkbar. Seit 2011 breiten sich im tropischen Ozean zwischen Afrika und Südamerika Braunalgenteppiche aus, die gigantische Dimensionen erreichen können. Oft stranden sie als stinkende Algenberge an den Küsten der Karibik. Studien legen einen Zusammenhang zur sich ausbreitenden Landwirtschaft im Amazonasbecken nahe: Regen wäscht Dünger von den Plantagen aus, der über die Flüsse ins Meer gelangt und dort die Algenteppiche nährt – eine Abwärtsspirale, die ganze Ökosysteme verändert.
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