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Eissorten: Wassermoleküle zerfallen unter Druck

Eis bei hohem Druck

Wassermoleküle im Eis zerfallen schon bei wesentlich geringeren Drücken als erwartet. Neutronenbeugungsexperimente eines Teams um Malcolm Guthrie von der Carnegie Institution in Washington zeigen, dass sich ein Teil der Wasserstoffatome bereits bei 13 Gigapascal (130 000 Bar) aus seinen Bindungen entfernt und in Form positiv geladener Protonen normalerweise unbesetzte Positionen im Gitter einnimmt. Bisher war man davon ausgegangen, dass sie auf ihren Positionen zwischen je zwei Sauerstoffatomen bleiben. Das Ergebnis deutet darauf hin, dass die Wassermoleküle bei noch höheren Drücken zum Beispiel im Inneren von Eisplaneten in Protonen und Oxidionen zerfallen, ein Vorgang, der bislang nur theoretisch vorhergesagt worden war.

Bisher war bekannt, dass Eis ab Drücken um 26 Gigapascal (GPa) zwei mögliche Strukturen einnimmt, die man Eis VII und Eis VIII nennt. In beiden sind die Moleküle über Wasserstoffbrücken aneinander gebunden, das heißt, jedes Wasserstoffatom liegt zwischen zwei Sauerstoffatomen. An das eine ist es über eine klassische Molekülbindung gebunden, an das andere über eine weit längere und weit schwächere Wasserstoffbrückenbindung.

Man ging davon aus, dass diese Bindungen mit steigendem Druck immer stärker zusammengepresst werden, bis ab einem Druck von 60 Gigapascal beide Bindungen nicht mehr unterscheidbar sind und die Wasserstoffatome in der Mitte zwischen den Sauerstoffatomen liegen. Bei weiter steigendem Druck ordnen sich die Protonen schließlich so um, dass ein neuer, hochsymmetrischer Kristall entsteht, den man als Eis X bezeichnet.

Das allerdings waren bisher kaum mehr als Vermutungen. Man kennt zwar dank Röntgenstrukturanalyse die Positionen der Sauerstoffatome in diesen Eisarten sehr genau – sie ordnen sich in einem kubisch-raumzentrierten Gitter an, vergleichbar mit der Kristallstruktur vieler Metalle –, die entscheidenden Wasserstoffatome sieht man mit dem Verfahren aber nicht. Sie wiederum kann man mit Neutronenbeugung erkennen, die jedoch bisher bei sehr hohen Drücken nicht funktionierte. Guthrie und sein Team haben diese Hürde genommen und dabei festgestellt, dass das klassische Modell von Eis bei hohem Druck grundsätzlich revidiert werden muss.

Eis bei hohem Druck | "Künstlerische Darstellung" eines Ausschnitts der Kristallstruktur von Wasser bei hohen Drücken. Einige Protonen, hier gelb eingezeichnet, lösen sich aus ihren Positionen und nehmen Plätze in den oktaedrischen Lücken der Kristallstruktur (grau) ein.

Zum Beispiel stellte sich heraus, dass die Struktur des Eises schon ab 13 GPa nicht mehr mit dem klassischen Modell übereinstimmt. Schuld daran sind, wie das Team um Guthrie herausfand, die Wasserstoffatome, die sich anders verhalten, als man bisher vermutete. Einige von ihnen machen sich selbstständig, lange bevor sich die Moleküle nach dem klassischen Modell auflösen sollten, und bewegen sich auf neue Gitterplätze im Kristall. Der Anteil dieser frei beweglichen Protonen nimmt anscheinend mit steigendem Druck zu.

Das steht in eklatantem Widerspruch zu Computermodellen, nach denen die Wasserstoffatome auf ihren Positionen zwischen den Sauerstoffatomen verharren sollten. Strukturell ähnelt das neue Eis sogar eher den Metallhydriden, in denen der Wasserstoff eine negative Ladung trägt. Weshalb die Modelle das Verhalten von Eis nicht korrekt beschreiben, ist noch völlig unklar. Dass die Wasserstoffatome beweglicher sind als bisher erwartet, lässt vermuten, dass die Wassermoleküle bei noch höheren Drücken tatsächlich komplett in geladene Teilchen zerfallen. Die jetzt gewonnenen Erkenntnisse sind auch für die Planetenforscher interessant, die den inneren Aufbau eishaltiger Welten in unserem Sonnensystem und bei fernen Sternen modellieren. Aus den Überlegungen könnten sich neue Phasenbeziehungen im tiefen Inneren jener Welten ergeben.

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