Wasserversorgung: Durstige Stadt
Barcelona hat ein Wasserproblem: Noch vor kurzem musste die katalanische Metropole Trinkwasser per Schiff aus anderen Mittelmeer-Regionen importieren. Die teure und ökologisch fragwürdige Aktion hat das Ansehen der Stadt beschädigt. Jetzt soll das Meer die Wasserversorgung sichern.
19 Millionen Liter – und doch nur ein Tropfen Trinkwasser auf den heißen Stein. Denn innerhalb weniger Minuten hatten die rund fünf Millionen Einwohner Barcelonas dieses gesamte Volumen des kühlen Nass aufgebraucht. Dabei war das Lebenselixier gerade eben erst in einer spektakulären und medienwirksamen Aktion per Tanker aus dem südfranzösischen Marseille importiert worden, um die grassierende Dürre in der katalanischen Metropole zu lindern. Und weitere Schiffe sollten damals im Mai 2008 folgen: Sechs Schiffe mit rund 190 Fahrten waren vorgesehen, um rund drei Millionen Kubikmeter Wasser – den Bedarf von drei Tagen – aus Südfrankreich und dem spanischen Tarragona zu importieren. Kostenpunkt: 53 Millionen Euro.
Auslöser der Wasserkrise vor einem Jahr war eine extreme Dürre – die schlimmste in über 60 Jahren –, die der Großstadt überdurchschnittlich trockene Winter zwischen 2006 und 2008 bescherte. Dadurch sanken die Vorräte in den Wasserspeichern Barcelonas auf historische Tiefstände: In ihnen verblieben nur noch ein Fünftel des vorhergesehenen Volumens – ab einem Pegelstand von 15 Prozent gilt das Wasser als nicht mehr genießbar.
Doch die Trockenheit allein war nicht ausschlaggebend für den Notruf: "Die Versorgungskapazitäten der Stadt wuchsen nicht so schnell wie ihre Bevölkerung, die zwischen 1998 und 2008 von 4,2 auf 4,9 Millionen Menschen zunahm. In Zeiten mit normalen Niederschlägen verursacht dies zwar noch kein Problem. Sobald sie aber ausbleiben, schwinden die Vorräte rasch", erklärt der Geograf David Saurí von der Universitat Autònoma de Barcelona. Sein Kollege Ramón Llamas, Geologe von der Universidad Complutense de Madrid, sieht zudem noch politische Fehler der Vergangenheit als Auslöser: "Der Mangel folgte aus einer früheren extremen Verweigerungshaltung einiger Aktivisten, die sich gegen jeden Transfer aus dem Ebro-Fluss nach Barcelona aussprachen."
Das Vorhaben, aus dem wasserreichsten Fluss Spaniens etwas abzuzweigen, um den durstigen Süden und die Metropolen des Landes zu versorgen, war eines der Lieblingsprojekte der konservativen Regierung unter Ministerpräsident José María Aznar. Als sie 2004 abgewählt wurde, legte es der sozialistische Nachfolger José Luís Rodríguez Zapatero vorerst zu den Akten – sehr zur Verärgerung von Llamas: "Diese Leute waren verantwortlich für die lächerliche Situation, Wasser per Schiff zu importieren."
In diesem Punkt dürfte ihm Dorothea August, zuständig für das Thema Süßwasser beim WWF Deutschland zustimmen: "Der Transport mit Tankern ist nicht nur unverhältnismäßig und teuer, sondern ein Armutszeugnis dafür, wie ineffizient mit den Wasservorräten in Spanien umgegangen wird." Ein Vorwurf, den Saurí wie auch Llamas für Barcelona allerdings nicht unbedingt gelten lassen: "Der Pro-Kopf-Verbrauch in Barcelona gehört zu den niedrigsten in Europa, und er sank noch von 130 Liter pro Person und Tag vor der Dürre auf nur 110 danach. Die katalanische Wasserbehörde ließ 650 000 Sparausrüstungen für Wasserhähne verteilen, von denen die meisten tatsächlich verwendet wurden. Es gab Aufklärungskampagnen und Programme, Regen- sowie aufbereitetes Abwasser wiederzuverwerten", zählt David Saurí auf. Und Llamas ergänzt knapp: "Barcelona leistet gute Arbeit – mehr lässt sich dadurch kaum mehr erreichen."
Ob dies allerdings in der Zukunft ausreicht ist fraglich – trotz der guten Voraussetzungen, welche die Wirtschaftsmetropole auch bei weiter wachsender Bürgerschaft hat, meint der Geowissenschaftler Saurí aus Barcelona: "Zunehmend wohnen hier ältere Menschen und Einwanderer – beides Gruppen, die Wasser eher nicht vergeuden. Zudem herrscht im Großraum eine sehr dichte Bauweise mit kleinen Appartements vor. Es fehlen die Häuser mit verschwenderischen Gärten und Swimmingpools."
Dennoch muss die Stadt vorsorgen, will sie nicht wieder Wasser per Schiff einführen: "Für das internationale Ansehen Barcelonas waren diese Bilder verheerend", meint Saurí. Und die Stadtverwaltung sieht dies offensichtlich ähnlich, denn demnächst soll eine Meerwasserentsalzungsanlage in Betrieb gehen und die Versorgung sicherstellen. "Dies hat natürlich wegen des Energieaufwands und der Entsorgung des Salzes seinen ökologischen Preis. Doch liefert sie Trinkwasser den Unwägbarkeiten des Klimawandels zum Trotz", sagt der Geograf. Die Kosten seien zudem nicht höher, als die Aufwendungen zur Qualitätsverbesserung des Ebrowassers. Auch deshalb fördert die spanische Regierung nun den Bau weiterer Entsalzungsanlagen entlang der Mittelmeerküste.
Ramón Llamas mahnt zudem eine Umkehr der bisherigen Wasserpolitik an: "Wir müssen wegkommen von der bewässerten Landwirtschaft, die zu viel Ressourcen verschlingt, aber relativ wenig einbringt. Stattdessen sollten die Vorräte den Städten und der Industrie zufließen. Das wäre die billigste und effektivste Lösung. Doch dieser Bewusstseinswandel braucht viel Zeit." In diesem Jahr hat das Wetter Barcelona immerhin eine Atempause geschenkt: Starke Regenfälle im Winter haben die Reservoirs wieder etwas aufgefüllt.
Auslöser der Wasserkrise vor einem Jahr war eine extreme Dürre – die schlimmste in über 60 Jahren –, die der Großstadt überdurchschnittlich trockene Winter zwischen 2006 und 2008 bescherte. Dadurch sanken die Vorräte in den Wasserspeichern Barcelonas auf historische Tiefstände: In ihnen verblieben nur noch ein Fünftel des vorhergesehenen Volumens – ab einem Pegelstand von 15 Prozent gilt das Wasser als nicht mehr genießbar.
Doch die Trockenheit allein war nicht ausschlaggebend für den Notruf: "Die Versorgungskapazitäten der Stadt wuchsen nicht so schnell wie ihre Bevölkerung, die zwischen 1998 und 2008 von 4,2 auf 4,9 Millionen Menschen zunahm. In Zeiten mit normalen Niederschlägen verursacht dies zwar noch kein Problem. Sobald sie aber ausbleiben, schwinden die Vorräte rasch", erklärt der Geograf David Saurí von der Universitat Autònoma de Barcelona. Sein Kollege Ramón Llamas, Geologe von der Universidad Complutense de Madrid, sieht zudem noch politische Fehler der Vergangenheit als Auslöser: "Der Mangel folgte aus einer früheren extremen Verweigerungshaltung einiger Aktivisten, die sich gegen jeden Transfer aus dem Ebro-Fluss nach Barcelona aussprachen."
Das Vorhaben, aus dem wasserreichsten Fluss Spaniens etwas abzuzweigen, um den durstigen Süden und die Metropolen des Landes zu versorgen, war eines der Lieblingsprojekte der konservativen Regierung unter Ministerpräsident José María Aznar. Als sie 2004 abgewählt wurde, legte es der sozialistische Nachfolger José Luís Rodríguez Zapatero vorerst zu den Akten – sehr zur Verärgerung von Llamas: "Diese Leute waren verantwortlich für die lächerliche Situation, Wasser per Schiff zu importieren."
In diesem Punkt dürfte ihm Dorothea August, zuständig für das Thema Süßwasser beim WWF Deutschland zustimmen: "Der Transport mit Tankern ist nicht nur unverhältnismäßig und teuer, sondern ein Armutszeugnis dafür, wie ineffizient mit den Wasservorräten in Spanien umgegangen wird." Ein Vorwurf, den Saurí wie auch Llamas für Barcelona allerdings nicht unbedingt gelten lassen: "Der Pro-Kopf-Verbrauch in Barcelona gehört zu den niedrigsten in Europa, und er sank noch von 130 Liter pro Person und Tag vor der Dürre auf nur 110 danach. Die katalanische Wasserbehörde ließ 650 000 Sparausrüstungen für Wasserhähne verteilen, von denen die meisten tatsächlich verwendet wurden. Es gab Aufklärungskampagnen und Programme, Regen- sowie aufbereitetes Abwasser wiederzuverwerten", zählt David Saurí auf. Und Llamas ergänzt knapp: "Barcelona leistet gute Arbeit – mehr lässt sich dadurch kaum mehr erreichen."
Ob dies allerdings in der Zukunft ausreicht ist fraglich – trotz der guten Voraussetzungen, welche die Wirtschaftsmetropole auch bei weiter wachsender Bürgerschaft hat, meint der Geowissenschaftler Saurí aus Barcelona: "Zunehmend wohnen hier ältere Menschen und Einwanderer – beides Gruppen, die Wasser eher nicht vergeuden. Zudem herrscht im Großraum eine sehr dichte Bauweise mit kleinen Appartements vor. Es fehlen die Häuser mit verschwenderischen Gärten und Swimmingpools."
Dennoch muss die Stadt vorsorgen, will sie nicht wieder Wasser per Schiff einführen: "Für das internationale Ansehen Barcelonas waren diese Bilder verheerend", meint Saurí. Und die Stadtverwaltung sieht dies offensichtlich ähnlich, denn demnächst soll eine Meerwasserentsalzungsanlage in Betrieb gehen und die Versorgung sicherstellen. "Dies hat natürlich wegen des Energieaufwands und der Entsorgung des Salzes seinen ökologischen Preis. Doch liefert sie Trinkwasser den Unwägbarkeiten des Klimawandels zum Trotz", sagt der Geograf. Die Kosten seien zudem nicht höher, als die Aufwendungen zur Qualitätsverbesserung des Ebrowassers. Auch deshalb fördert die spanische Regierung nun den Bau weiterer Entsalzungsanlagen entlang der Mittelmeerküste.
Ramón Llamas mahnt zudem eine Umkehr der bisherigen Wasserpolitik an: "Wir müssen wegkommen von der bewässerten Landwirtschaft, die zu viel Ressourcen verschlingt, aber relativ wenig einbringt. Stattdessen sollten die Vorräte den Städten und der Industrie zufließen. Das wäre die billigste und effektivste Lösung. Doch dieser Bewusstseinswandel braucht viel Zeit." In diesem Jahr hat das Wetter Barcelona immerhin eine Atempause geschenkt: Starke Regenfälle im Winter haben die Reservoirs wieder etwas aufgefüllt.
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