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News: Wege aus der Krise

El Niño und lange Trockenzeiten sind in den peruanischen Küsten- und Hochlandsregionen keine neuen Erscheinungen. Schon immer mussten sich dort lebende Kulturen damit auseinandersetzen - und dafür nutzten sie ganz unterschiedliche Strategien.
Cañoncillo
Erdbeben, Dürrezeiten, Wüstenbildung, Überschwemmungen: Die Küste von Peru verlangt ihren Bewohnern einiges ab. Und trotzdem siedelten schon seit frühesten Zeiten Menschen in den schmalen, steilen Tälern mit ihren unsicher wasserführenden Flüssen, versuchten sich in Ackerbau und Viehhaltung und ersannen Mittel und Wege, zerstörerischen Umwelteinflüssen zu trotzen.

Ein klassisches Beispiel ist das Tal des Jequetepeque-Flusses im Norden Perus und die angrenzenden Regionen der Flüsse Chaman und Zaña. Die breite Talsohle wird flankiert von 800 Meter steil aufragenden Hängen. Die Küstenebene hier ist warm und mit einem Jahresniederschlag von 23 Millimetern sehr trocken. Trotzdem ist im Tal und auf bewässerten Wüstenflächen Landwirtschaft möglich, und Fluss wie Ozean liefern reiche Beute an Fisch, Meeresfrüchten und weiteren Resourcen.

In den Sedimenten fanden Tom Dillehay von der University of Kentucky und Alan Kolata von der University of Chicago zahlreiche Hinweise auf die wechselhafte Klimageschichte der Gegend. Offenbar wütete El Niño um 500, 1230 und 1770 nach Christus besonders stark, denn entsprechende Ablagerungen zeugen von heftigen Überschwemmungen. Andererseits entdeckten die Forscher Reste von alten Dünen bis 25 Kilometer landeinwärts, die zum einen auf eine Dürreperiode im 6. Jahrhundert sowie zum anderen auf eine ähnliche lang anhaltende Trockenphase Mitte des 13. Jahrhunderts hinweisen. Aber auch in den Jahren dazwischen kam es immer wieder abwechselnd zu Hochwassern und Trockenzeiten, welche die landwirtschaftlichen Einrichtungen wie Bewässerungskanäle schwer beschädigten.

Wie aber reagierten die Menschen in der Gegend auf die unsichere Wasserversorgung, wie schützten sie sich vor der nicht abzuschätzenden Umweltbedingungen der Zukunft? Hier sind verschiedene Modelle möglich: Die Bewohner richten sich ein auf eine den lokalen Verhältnissen angepasste Bewirtschaftungstechnik, die sie flexibel auch an plötzliche Schwankungen anpassen können. Dazu gehören beispielsweise kleine, dezentrale und einfach konstruierte Bewässerungsanlagen, die ein bisschen Unabhängigkeit von schwankenden Niederschlägen bieten. Oder aber sie investieren in weiser Vorausschau in hochwertige, ausgedehnte und ausgeklügelte Bewässerungssysteme, die zu Trockenzeiten noch genügend Wasser verfügbar machen, gleichzeitig aber durch Dämme, Rückhaltebecken und andere Sicherungsmaßnahmen die Felder vor Überschwemmungen schützen. Der große Nachteil: Die gebotene Sicherheit fordert einen hohen Aufwand in der Instandhaltung.

Insgesamt, so zeigt sich an den Überresten von Kanälen, ehemaligen Behausungen und vielem mehr, kamen die Talbewohner mit den Fluten besser zurecht als mit den Dürren. Immer wieder wurden die Einrichtungen nach Überschwemmungen repariert, während der eingetragene Sand die Anlagen offenbar so unter sich begrub, dass die Menschen auf das Freischaufeln und Wiederherrichten verzichteten.

Dabei reagierten die Menschen im Laufe der Jahrhunderte ganz unterschiedlich auf die unwägbare natürliche Unbill. In der späten Phase der Moche – also von 700 nach Christus bis etwa zu ihrem Ende um das Jahr 800 – waren die urbanen Zentren der Kultur bereits zerfallen, und die Bevölkerung lebte verstreut in kleinen Siedlungen, die um das nutzbare umgebende Land konkurrierten. Bei der Wahl des Wohnorts zeigten sich die Menschen sehr flexibel – wurde es irgendwo unwirtlich, zog man um. Daher wurde nicht groß in Straßen, Gebäude oder aufwändige Bewässerungsanlagen investiert, und Schäden an den einfachen Einrichtungen wurden möglichst schnell und kostengünstig repariert. Auf wandelnde Umgebungsbedingungen reagierten die Bauern prompt: Gab es durch El Niño mehr Regen, bestellten sie einfach größere Felder.

In den Jahren von 800 bis 1100 – nach dem Ende der Moche-Kultur – setzte sich der Zerfallstrend noch stärker fort: Selbst kleinere Zentren wurden nun verlassen, die Menschen lebten in winzigen, verteidigungsfähigen Siedlungen und ernährten sich von den unmittelbar umgebenden Feldern. Selbst der zuvor noch bestehende Handel zwischen den verschiedenen Anbauregionen schien erloschen zu sein, und dementsprechend gab es auch keine Anstrengungen, Straßen oder größere Kanalanlagen zu pflegen oder einzurichten. Damit litten die Bauern aber auch stärker unter lang anhaltenden und die Landwirtschaft beeinträchtigenden Klimaveränderungen, denn sie konnten den entstehenden Mangel nicht mehr mit Produkten aus anderen Regionen abschwächen.

Diese Vereinzelung dürfte wohl ganz entscheidend den Boden für die neuen Herrscher der Chimú-Kultur geebnet haben. Und mit ihnen brachen auch neue Zeiten an, wie die Menschen mit den nicht vorhersagbaren Veränderungen der Umweltbedingungen umgingen. Denn nun wurde sehr wohl investiert: Die Chimú bauten ausgedehnte Straßennetze und ausgeklügelte Bewässerungsanlagen, um selbst ferne Wasserquellen noch zu erschließen. Es entstanden strategisch ausgewählte städtische Zentren, die eine Organisation der Landwirtschaft in den umliegenden Regionen nach sich zog. Damit verbunden bremsten die neuen Herrscher die Umzugslust ihrer Untertanen, um die Versorgung der Stadtbewohner zu gewährleisten.

Insgesamt bot sich nun im 13. bis 15. Jahrhundert ein Bild straff organisierten Zentralismus, der sich durch alle Lebensbereiche zog. Im Gegensatz zu den Zeiten der Moche, als die Menschen ganz lokal und höchst flexibel auf Umweltveränderungen reagierten oder mit einfachen Methoden versuchten, das Risiko zu mindern, wurde "Natur" zu Zeiten der Chimú offenbar als etwas Rationales betrachtet, das sich beherrschen und manipulieren lässt – und von dem man sich, so weit es ging, unabhängig zu machen wünschte. Innovationsfreude und technologischer Fortschritt prägen das Bild.

Geholfen hat es ihnen letztendlich nicht: Vielleicht hat die dadurch entstehende Unflexibilität und ein zu großes Vertrauen und zu hohe Investitionen in die spezialisierten Anbaumethoden sogar dazu beigetragen, dass auch die Kultur Chimú letztendlich im 15. Jahrhundert ihr Ende fand und im Reich der Inka aufging. Viel Widerstand setzten sie den Eroberern jedenfalls nicht entgegen – aber vielleicht hatten diese auch einfach nur die besseren Waffen.

Arm ist die Region übrigens heute noch – auch die moderne Technologie hat nicht dazu beigetragen, den Menschen dort Wohlstand zu bringen. Und noch dazu werden sie womöglich im Zuge des globalen Klimawandels zukünftig noch mehr mit schwankenden Umweltbedinungen von Dürre bis Überflutung zu kämpfen haben.

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