Wegen Leukämie: Dritter HIV-Infizierter durch Stammzellspende geheilt
Mit Hilfe einer Stammzellspende ist ein krebskranker HIV-Patient von der Infektion mit dem HI-Virus geheilt worden. Das vermeldet jetzt ein internationales Wissenschaftlerteam um Björn-Erik Ole Jensen von der Universität Düsseldorf. Den Medizinern zufolge ist der 53-jährige Mann vollständig frei von den krank machenden Viren – und das, obwohl er bereits seit 2018 auf eine antivirale HIV-Therapie verzichtet.
Weltweit gibt es bislang nur eine Hand voll ähnlicher Fälle. In Fachmagazinen publiziert sind aktuell lediglich zwei weitere: Die unter ihren Pseudonymen »Berliner Patient« und »Londoner Patient« bekannt gewordenen Männer hatten ebenfalls Stammzellspenden gegen ihre Leukämie erhalten. Hinzu kommen Fälle, über die noch nicht in Fachzeitschriften berichtet wurde, wie der einer Frau aus New York.
Das Team um Jensen beschreibt nun den Fall des »Düsseldorfer Patienten« im Fachblatt »Nature Medicine«. Der Mann hatte sich 2008 mit HIV infiziert, 2011 entwickelte er dann zusätzlich eine Leukämie, eine Krankheit, bei der Immunzellen von Krebs befallen werden. Eine gängige Behandlung sieht vor, erst sämtliche Immunzellen des Erkrankten abzutöten und diese dann durch neue zu ersetzen. Dazu entnimmt man einer gesunden Person Stammzellen, aus denen sich Immunzellen entwickeln, und transplantiert sie in den Körper des Erkrankten.
Das Besondere: Im Fall der HIV-Patienten transplantierten die Mediziner Stammzellen von Menschen, in deren Immunzellen das HI-Virus nicht eindringen kann. Eine Genmutation macht sie unempfindlich gegenüber dem Erreger, denn sie verändert die Eintrittspforte, durch die HIV üblicherweise in die Zellen gelangt. Das machten sich die Wissenschaftler zu Nutze: »Ziel der Transplantation war von Beginn an, sowohl die Leukämie als auch das HI-Virus in den Griff zu bekommen«, sagt Guido Kobbe von der Uniklinik Düsseldorf, der den Eingriff durchführte, in einer Pressemitteilung der Universität.
Eine solche Therapie ist derzeit allerdings nur für wenige Patienten möglich: zum einen, weil die Zahl geeigneter Spender mit der gewünschten Mutation im so genannten CCR5-Rezeptor so gering ist, und zum anderen, weil eine Stammzelltransplantation auf Grund der vielen Risiken nur im Rahmen der Behandlung anderer lebensbedrohlicher Erkrankungen wie eben Krebs eingesetzt werden kann. Zudem hat die Transplantation von Stammzellen mit der schützenden Mutation nicht immer den gewünschten Erfolg.
Dennoch wäre es theoretisch möglich, die gewünschte Mutation in den Immun-Stammzellen durch einen gezielten gentechnischen Eingriff künstlich zu erzeugen. Das würde das Problem lösen, dass die Zahl der Spender so gering ist. Auch das Team der aktuellen Studie weist auf diese Möglichkeit explizit hin. Allerdings müsste dann auch sichergestellt werden, dass erstens nur noch wenige der ursprünglichen, nicht mutierten Stammzellen überleben und zweitens die überwiegende Zahl an transplantierten Immun-Stammzellen die gewünschte Mutation trägt. Andernfalls könnte das HI-Virus in den empfänglichen Zellen überdauern, bis es dann beim Absetzen der antiretroviralen Therapie erneut ausbricht.
Gängige Techniken würden das derzeit jedoch nicht erlauben, geben Fachleute zu bedenken. Hinzu komme, dass die Transplantation der fremden Stammzellen mit einer sehr belastenden Prozedur mit teils schweren Nebenwirkungen verbunden sind.
HIV-Infizierte mit gut eingestellter Therapie hätten inzwischen eine ähnlich hohe Lebenserwartung wie die Normalbevölkerung, sagt etwa Toni Cathomen vom Universitätsklinikum Freiburg. »Das Risiko, das zurzeit mit einer Stammzelltransplantation verbunden ist, ist meines Erachtens für ›gesunde‹ HIV-Infizierte deshalb nicht vertretbar.«
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