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News: Weggegangen, Platz vergangen

In lebenden Organismen steuert eine Vielzahl von Faktoren den Ablauf und die Geschwindigkeit biochemischer Reaktionen. Solch ein ausgeklügeltes Reaktionssystem hätten Chemiker auch gerne. Immerhin gelang es Wissenschaftlern jetzt, eine Reaktion in die gewünschte Richtung zu beschleunigen, indem sie Moleküle einkapselten und gezielt wieder freisetzten.
Von dem, was im menschlichen Körper unabdingbar ist, können Chemiker nur träumen: Jahrmillionen der Evolution haben dazu geführt, dass Lebewesen ihre benötigten Substanzen sehr schnell und recht effektiv produzieren. Dagegen bleibt im chemischen Labor die zügige Reaktion mit hoher Ausbeute und ohne Nebenprodukte die Ausnahme.

Forscher um Jian Chen vom Scripps Research Institute sind diesem Ziel nun einen Schritt näher gekommen. Sie untersuchten die Reaktion eines Anilinderivats mit zwei verschiedenen Benzoesäurederivaten als Ausgangsstoffen. Dabei spielt als weiteres Reagens das Dicyclohexylcarbodiimid (DCC) eine wichtige Rolle. Es bildet mit der Säurekomponente eine reaktive Zwischenstufe, koppelt die Ausgangsstoffe aneinander und beschleunigt so die Reaktion wesentlich. Endprodukte sind ein Amid und ein Abkömmling des Harnstoffs. Ohne weitere Zusatzstoffe läuft die Reaktion schnell ab, und es entstehen Amide aus beiden Ausgangsstoffen.

Nun veränderte die Arbeitsgruppe die Bedingungen, indem sie mit Hilfe zweier Nanokapseln das DCC umhüllte. Dabei schließen sich die organischen Hilfsmoleküle wie zwei Eihälften um den Reaktionsbeschleuniger. Anschließend kamen die weiteren Reagenzien hinzu, jedoch lief die Reaktion nur sehr langsam an. Dabei entstand im Gegensatz zur Reaktion ohne Nanokapseln nur eines der beiden möglichen Amide, das heißt, einer der Ausgangsstoffe kam bei der Reaktion nicht zum Zug. Zusätzlich trat ein weiterer interessanter Effekt auf: Die Reaktionsgeschwindigkeit nahm mit der Zeit exponentiell zu.

Wie sind die Ergebnisse zu erklären, und welche Rolle spielen dabei die Nanokapseln? Zu Beginn der Reaktion ist das DCC fast vollständig eingekapselt, sodass nur der Rest an freiem DCC die Reaktion in Gang bringt. Sobald die ersten Produkte entstanden sind, verdrängen diese das DCC aus den Nanokapseln und werden nun selber umschlossen. Da jedes DCC-Molekül zwei Moleküle Produkt erzeugt, läuft dieser Prozess wie eine Kettenreaktion ab und wird dabei immer schneller. Außerdem deaktivieren die Nanokapseln nicht nur die Produkte, sondern auch einen der Ausgangsstoffe, nämlich denjenigen von beiden, dessen Größe und Geometrie besser zu den Kapseln passt.

Die Nanokapseln leisten also zweierlei: Sie beschleunigen die Reaktion, indem sie DCC freisetzen und dem Reaktionsgleichgewicht die Produkte entziehen. Zum zweiten schließen sie einen der Benzoesäurederivate ein und lenken damit die Reaktion auf ein bestimmtes Amid.

Mit dem Experiment haben die Forscher das Verhalten eines komplexen Systems simuliert. Dabei ist aus chemischer Sicht besonders interessant, dass der Prozess mit der Zeit schneller verläuft. Dieses so genannte nichtlineare Verhalten tritt normalerweise nur dann auf, wenn ein Katalysator zugegen ist. Davon kann aber angesichts der inhibierenden Wirkung der Nanokapseln keine Rede sein.

Die Nanokapseln machen es bei entsprechender Dosierung auch möglich, die Reaktivität komplett zu kontrollieren, das heißt die Reaktion ein- und auszuschalten. Und das Forscherteam hat sich bereits ein neues Ziel gesetzt: Mit verschiedenen Kapseln sollen einzelne Reagenzien individuell eingeschlossen und einzeln zur Reaktion gebracht werden.

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