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Anatomische Tricks: Wegwerfhaut hilft Stachelmäusen auf der Flucht

Afrikanische Stachelmaus <em>(Acomys percivali)</em>

Wenn nichts anderes mehr hilft, um hungrigen Feinden doch noch zu entwischen, greifen einige Wirbeltiere zur Selbstamputation – der Autotomie. Bekannt sind etwa Eidechsen, die auf der Flucht vor Räubern ihren Schwanz bei Bedarf an einer Sollbruchstelle abtrennen und abwerfen; später regenerieren sie ihn allmählich. Säugetiere arbeiten viel seltener autotonom – wobei die afrikanischen Stachelmäuse allerdings eine auffällige Ausnahme darstellen, wie nun Ashley Seiferts US-amerikanisches Zoologenteam zusammenfasst.

Den Forschern war zunächst die offensichtlich fragile Konstitution von auf die Hand genommenen Stachelmäusen (Acomys kempi und Acomys percivali) in Kenia aufgefallen: Die kontaktscheuen Tiere werfen beim Versuch, sich zu entwinden, nicht nur die langen Stachelborsten und Teile ihres Schwanzes ab, sondern auch kleine bis größere Partien ihrer Haut. Dabei entstehen notgedrungen großflächige Wunden: Gelegentlich verlieren die Tiere bis zu 60 Prozent ihrer Hautoberfläche. Radikal ist dann aber auch die Regenerationsfähigkeit von ungestört in Gefangenschaft beobachteten Tieren: Den demolierten Stachelmäusen wächst rasch neue Haut mit Haaren und Follikeln.

Afrikanische Stachelmaus (Acomys percivali) | Die Stachelmäuse mit ihrem spitzen Gesicht und den im Vergleich zur Gemeinen Hausmaus überproportional großen Ohren gehören in die Familie der Langschwanzmäuse. Ihren Namen verdanken sie den groben Borstenhaaren – die sie auch schon einmal mitsamt großflächiger Hautpartien abwerfen, wenn es ihrem Entkommen aus der Gefahr dienen könnte.

Die meisten Säuger sind nur als Embryos in der Lage, komplexe Gewebe von Grund auf neu heranwachsen zu lassen. Das liegt unter anderem daran, dass die verschiedenen beteiligten Zellen intensiv miteinander kommunizieren müssen. In der Haut von ausgewachsenen Menschen oder Hausmäusen wäre zur narbenlosen Regeneration zum Beispiel die Kommunikation zwischen den äußeren Epidermiszellen und dem tiefer liegenden Dermisgewebe notwendig; ein Kontakt wird aber durch die dazwischenliegende Trennschicht der Basalmembranzellen verhindert. Bei der Stachelmaus bildet sich dagegen eine regenerierende Einsatztruppe aus umgewandelten Mesenchymalzellen, die zu neuen Hautschichten heranwachsen – die Basalmembran ist an den entscheidenden Stellen aufgelöst, wie die Untersuchungen von Seifert und Kollegen zeigen. Die Regeneration ähnelt in dieser Hinsicht der von Eidechse und Co.

Den Stachelmäusen gelingt es damit, auch größere Wunden zu schließen und das Gewebe dabei offenbar vollständig zu regenerieren. Dies zeigt sich etwa auch daran, dass die Tiere kleine, in ihre Ohren gestanzte Löcher schnell wieder schließen können – vielen anderen Säugern bleibt das verwehrt. Die Forscher möchten nun die Wundheilungs- und Regenerationsprozesse auf molekularer Ebene noch genauer vergleichen. Womöglich, so ihre Hoffnung, ergeben sich dabei Hinweise auf generelle Mechanismen der Regeneration, die auch in der Humanmedizin nützlich werden können. Spannend wäre zudem herauszufinden, wie das Immunsystem von Acomys den Körper selbst dann noch vor Mikrobenattacken schützen kann, wenn die halbe Hautoberfläche als natürliche Keimbarriere ausfällt.

  • Quellen
Nature 489, 561, 2012

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