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Weiche Roboter: Multitasking-Material ist halb Gel, halb Metall

Am Ende könnte man vielleicht sogar ein Roboter-Nervensystem damit bauen, sagen die Entwickler. Ihr neues Material heilt sich von selbst und leitet Strom.
Schnecke mit Multitasking-Material
Bei diesem Schneckenroboter leitet der Strang aus weichem Material an der Seite Strom. Dank der selbstheilenden Eigenschaften des Materials fügt er sich fast von allein wieder zusammen, wenn er durchtrennt wird.

Manchmal schreitet die Wissenschaft im Schneckentempo voran, aber in diesem Fall ist das eine gute Sache: Forscher haben ein weiches Material entwickelt, das Polymere mit flüssigem Metall kombiniert und dessen Eigenschaften mit einem schneckenartigen Roboter demonstriert. Laut den Entwicklern könnte dieses elektrisch leitfähige Gel für selbstheilende elektronische Schaltkreise und biologische Sensoren verwendet werden, mit denen man die Herz- und Muskelaktivität misst. Vielleicht sogar könnte mit einem solchen Material eine Art Roboter-Nervensystemen erzeugt werden.

Das Verbundmaterial ist dehnbar und weich wie lebendes Gewebe. Wenn es bricht oder reißt, kann man die Ränder wieder aneinanderdrücken, wodurch sich die molekularen Bindungen des Materials erneut ausbilden – ganz ohne zusätzliche Hitze oder chemische Behandlung. Das Entscheidende ist, so die Entwickler, dass es das erste Material dieser Art ist, das auch Strom leitet.

Dank dieser Eigenschaften könnte man neben drahtlosen medizinischen Sensoren auch komplett weiche Roboter daraus bauen. »In meiner Forschung geht es vor allem um die Frage: Wie kann man mehrere Funktionen in einem einzigen Material unterbringen?«, sagt Lillian Chin, die im Rahmen ihrer eigenen Forschung am Massachusetts Institute of Technology Komponenten für solche »soft robots« entwickelt. Bereits existierende Beispiele für derartige Roboter brauchen oft noch zumindest einige starre Bauteile aus Metall oder Silizium. In unserem Körper aber erfüllen weiche, flexible Gewebe mehrere Aufgaben auf einmal, sagt Chin. Muskeln etwa bewegen unsere Gliedmaßen und geben dem Gehirn gleichzeitig eine elektrische Rückmeldung über diese Bewegung.

© Carnegie Mellon University College of Engineering
Schnipp!
Selbst nach einem Schnitt mit der Schere bewegt sich diese Schnecke weiter. Auch ein Fahrzeug betrieb das Forscherteam mit Hilfe seines Materials.

Um ein solches Multitasking-Material zu entwickeln, begannen die Forscher mit einem Gewirr langer Polymerketten, die in einem Lösungsmittel getränkt wurden, um sie geschmeidig zu halten. Dann mischten sie vorsichtig mikroskopisch kleine Tropfen Gallium-Indium-Flüssigmetall sowie winzige Silberplättchen hinein. Auf diese Weise entstand ein Gel mit geringer Dichte, das mit leitenden Metallen durchsetzt ist und genügend Strom leiten kann, um beispielsweise einen Motor zu betreiben.

In einer kürzlich in »Nature Electronics« veröffentlichten Studie verwendeten die Forscher ihr neues Material in zwei einfachen Maschinen: einem schneckenartigen Softroboter und einem Spielzeugauto. Das Material verband darin jeweils die Motoren mit einer Stromquelle. Die Selbstheilungsfähigkeit des Materials half diesen einfachen Schaltkreisen, der Abnutzung standzuhalten – und leicht neu konfiguriert zu werden. So schnitt das Team beispielsweise die stromführenden Gel-»Kabel« des Autos durch und verlegte sie neu, um sowohl den Antrieb als auch eine kleine, am Fahrgestell angebrachte Lampe mit Strom zu versorgen.

Die Schnecke »zeigt, wie man diese Materialien im Grunde als künstliches Nervengewebe für Softroboter verwenden könnte«, sagt Carmel Majidi, Maschinenbauingenieur an der Carnegie Mellon University und Hauptautor der Studie. Für wirklich multifunktionale Roboter brauche es jedoch komplexere Anwendungen des neuen Materials. »In der Praxis würden wir uns wünschen, dass wir das Material drucken können, um komplexere Schaltkreise herzustellen. So könnten wir Schnittstellen zu Mikrochips oder anderen Komponenten herstellen, die man für anspruchsvollere Robotik- und Elektronikanwendungen braucht«, sagt Majidi. »Es ergeben sich so viele Möglichkeiten, wenn man Maschinen und Roboter aus ihrem harten Gehäuse befreit und sie aus weichen und biegsamen Materialien herstellt.«

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