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Mondlicht-Jäger: Weiße Schleiereulen jagen mit Freeze-Effekt

Anders als es zu erwarten ist, sind hell gefiederte Eulen besonders in Vollmondnächten die erfolgreichsten Jäger ihrer Art. Sie bringen ihre Beute zum Erstarren.
Schleiereule im Flug

Nahezu lautlos und blitzschnell schlagen Eulen zu, wenn sie in der Dämmerung oder nachts ihre Beute erspäht haben. Um die Beute, Feldmäuse oder andere Kleinsäuger, zu orten, nutzen die Jäger ihre exzellente Nachtsicht und ihr präzises Gehör. Die weiß gefiederte Schleiereule, Tyto alba, bedient sich noch eines weiteren Jagdvorteils, den schweizerische Verhaltensbiologen im Fachjournal »Nature Ecology & Evolution« beschreiben: Bei Vollmond blenden sie die Beute mit ihrem strahlend weißen Federkleid, die dann für einige Zeit länger erstarrt, so dass der Nachtvogel das Beutetier leichter ergreifen kann.

Viele nachtaktive Tiere haben ihr Verhalten an den Mondzyklus angepasst, um etwa bei Vollmond leichter Beutetiere ausfindig zu machen. Aber offenbar steht auch die phänotypische Entwicklung von Tieren mit den verschiedenen Mondphasen in Verbindung. Welche Vor- oder Nachteile diese Anpassung den Tieren verschafft, haben Alexandre Roulin und Luis San José von der Universität Lausanne an der Schleiereule T. alba beobachtet. An der Oberseite sind alle Eulen dieser Art goldbraun gefärbt, doch das Bauchgefieder ist bei einem Teil von T. alba weiß und beim anderen Teil braun. Die Forscher beobachteten mit Hilfe von Infrarotkameras die Tiere einer großen Eulenpopulation (im Westen der Schweiz) bei der Jagd – und zwar zu den verschiedenen Mondphasen. Ihr Ergebnis: In der Zeit von Neumond bis Vollmond nahm der Jagderfolg der braun gefiederten Eulen sukzessive ab. Offenbar können die Feldmäuse die braunen Eulen bei Mondlicht besser sichten und ihnen eher entkommen. Für die Jäger mit weißem Bauchkleid ließ sich dieser Zusammenhang nicht erkennen. Roulin und San José vermuteten, dass der Unterschied mit der Gefiederfarbe korreliert. Von Nagern ist nämlich bekannt, dass sie beim Anblick heller Lichtflächen erstarren, in diesem Fall also beim Anblick des weißen Federkleids.

Dazu testeten die Forscher ihre Annahme in einem Experiment: Sie setzten Feldmäuse (Microtus arvalis) in einen verdunkelten Raum, in dem sie mit Scheinwerfern verschiedene Mondphasen simulierten. Über eine Seilrutsche ließen sie dann ausgestopfte Schleiereulen über die Mäuse gleiten – eine weiße und eine braune. Das Ergebnis: Fast immer, wenn die Mäuse eine der beiden Dummy-Eulen erblickten, verharrten die Mäuse an Ort und Stelle. Im Durchschnitt hielt dieser Zustand 9,5 Sekunden an. Doch bei Vollmondbedingungen dauerte der Freeze-Effekt gute 5 Sekunden länger. Aber nur, wenn sie der weißen Eule begegneten. Simulierten die Forscher eine Jagdsituation bei Neumond, gab es keine Unterschiede im Verhalten der Mäuse.

Die Unterschiede im Jagderfolg wirken sich auch auf die Brutzeiten der weißen und braunen Schleiereulen aus. Für gewöhnlich gehen die Männchen auf die Jagd, um den Nachwuchs zu ernähren. Damit die Nestlinge auch genügend Futter bekommen, legen die Weibchen von braun gefiederten Eulen ihre Eier eher zu den dunkleren Mondphasen, die Partnerinnen von weißen Männchen eher zu Zeiten, wenn über die Hälfte der Mondfläche oder ein Vollmond am Himmel erstrahlt.

Wie Roulin und San José betonen, belegen ihre Erkenntnisse, dass auch bei nachtaktiven Tieren die Fell- oder Federfärbung eine entscheidende Rolle im Jagdverhalten spielt. Dies sei besonders bedeutsam, wenn man die Auswirkungen von Lichtverschmutzung beurteilt, die für die braunen Schleiereulen zu einem evolutionären Nachteil führen könnte.

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