Direkt zum Inhalt

Weißkopfseeadler: Adler sterben durch bakterielles Nervengift

Seit über 25 Jahren sterben Vögel an amerikanischen Seen. Dahinter stecken Bakterien, die ein Nervengift produzieren. Das Baumaterial dazu liefert ihnen wohl der Mensch.
Sowohl der Weißkopfseeadler, als auch Fische und Wasservögel sind von der Nervenkrankheit betroffen.

Ein bakterielles Nervengift ist dafür verantwortlich, dass in mehreren US-Staaten immer wieder Weißkopfseeadler umkommen. Das haben nun Forscherinnen und Forscher der Universität Halle-Wittenberg und der University of Georgia nachgewiesen. Wie sie im Fachjournal »Science« berichten, wachsen die Bakterien auf einer bestimmten Wasserpflanze. Das Toxin bilden sie allerdings vermutlich nur dann, wenn die Pflanze mit einem Herbizid bekämpft wird.

Im Winter 1994 starben erstmals Weißkopfseeadler am DeGray Lake in Arkansas an der damals unbekannten Erkrankung. Zunächst entwickelten die Vögel massive Bewegungsstörungen: Sie flogen in Bäume oder legten Bruchlandungen hin; schließlich starben sie. Analysen ihres Hirngewebes zeigten, dass sich in der Isolierschicht der Nervenbahnen, dem Myelin, viele flüssigkeitsgefüllte Bläschen bildeten, die das Nervensystem zerstörten. Die neuartige Erkrankung erhielt den Namen vakuoläre Myelopathie (VM).

In den Folgejahren wurden in mehreren Bundesstaaten an VM verstorbene Tiere – darunter auch andere Vogelarten sowie Reptilien, Amphibien und Fische – in Wassernähe gefunden. Auffällig war, dass alle betroffenen Seen von einer invasiven Wasserpflanze, der Grundnessel, befallen waren. Die Nesseln selbst wurden wiederum von einem seinerzeit unbekannten Zyanobakterium besiedelt.

Weil Zyanobakterien bekannte Toxinbildner sind, vermutete das Team um Timo Niedermeyer und Susan Wilde ein Nervengift als Auslöser der Krankheit. Bei einer genauen Untersuchung der bakteriell besiedelten Blätter entdeckten sie eine bromhaltige Substanz, die sie für das gesuchte Gift halten. Auch in der Petrischale bildeten die Zyanobakterien das unbekannte Molekül, sofern sie in einem bromhaltigen Nährmedium gezüchtet wurden. Um herauszufinden, ob sich hinter der Substanz wirklich das gesuchte Gift verbarg, testeten sie seine Wirkung an Hühnern: Diese entwickelten in kurzer Zeit VM-typische Hirnschädigungen und bestätigten so die Vermutung der Wissenschaftler.

Ungewöhnlich ist, dass die Bakterien zur Bildung des Toxins Brom benötigen – und es gerade auf den Blättern der Grundnesseln finden. Warum sich das chemische Element dort ansammelt, ist unklar. Es könnte aus Kraftwerken oder Kraftstoffen stammen. Vor allem aber hat das Team um Niedermeyer und Wilde ein bromhaltiges Herbizid im Verdacht, das zur Bekämpfung der Nesseln eingesetzt wird. Graskarpfen, die die Wasserpflanzen auffressen, könnten die invasive Art auf natürliche Weise eindämmen. Sie sind bei Fischereibehörden allerdings nicht sehr beliebt, da die Gefahr besteht, dass die Karpfen in großer Zahl am Ende selbst zum Problem für die Seen werden könnten. Ob das Nervengift auch für Menschen gefährlich werden könnte, die das belastete Wasser trinken, müsse beobachtet werden.

WEITERLESEN MIT »SPEKTRUM +«

Im Abo erhalten Sie exklusiven Zugang zu allen Premiumartikeln von »spektrum.de« sowie »Spektrum - Die Woche« als PDF- und App-Ausgabe. Testen Sie 30 Tage uneingeschränkten Zugang zu »Spektrum+« gratis:

Jetzt testen

(Sie müssen Javascript erlauben, um nach der Anmeldung auf diesen Artikel zugreifen zu können)

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.