News: Weit entfernte Weltraum-Kannibalen
Am häufigsten tritt sie in Systemen aus zwei Sternen auf, in denen der kleinere und heißere Stern – der so genannte weiße Zwerg – Materie von seinem kühleren Partner – dem roten Zwerg – an sich zieht. Und der Appetit des weißen Zwerges ist groß, denn er ist sehr dicht gepackt: Etwa von der Größe der Erde komprimiert er eine Masse, die derjenigen unserer Sonne entspricht. Mit seiner gewaltigen Gravitationskraft reisst er Materie in Form von Wasserstoff von seinem großen Bruder an sich, die er an seiner Oberfläche sammelt. Dadurch wird es jedoch auf dem weißen Zwerg immer heißer, bis schließlich am Grunde der gesammelten Gase eine heftige nukleare Explosion startet. Innerhalb weniger Stunden setzt diese Reaktion gewaltige Energiemengen frei und erhöht die Helligkeit des Sternpaares millionenfach. Nach einigen Tagen oder Wochen erreicht das System seine größte Helligkeit, beginnt aber anschließend wieder schwächer zu werden, da der Wasserstoff-Nachschub zur Neige geht und in den Weltraum geblasen wird. Innerhalb nur weniger Wochen setzt die Reaktion soviel Energie frei, wie unsere Sonne in 10 000 Jahren. Das umgesetzte Material wird mit hoher Geschwindigkeit – bis zu 1 000 Kilometern pro Sekunde – ausgeschleudert und kann später als ein sich ausbreitender Gasmantel sichtbar werden. Im Unterschied zur Supernova wird der Stern jedoch nicht zerstört und kann daher sein Schauspiel etwa alle 100 000 Jahre wiederholen, bis er schließlich seinen Partner vollständig aufgezehrt hat.
Der italienische Wissenschaftler Massimo Della Valle vom Osservatorio Astrofisico di Arcetri und seine Mitarbeiter beobachteten mit dem Very Large Telescope des ESO (European Southern Observatory) im Paranal Observatory in Chile die weit entferntesten Novaausbrüche, die je gesehen wurden.
Im Vergleich zur Milchstrasse waren die Novae jedoch viel zu schwach, als dass wir sie mit bloßem Auge hätten sehen können, dazu müsste das Signal etwa 100 Millionen Mal stärker sein. Nach einer Reise von mehr als 70 Millionen Lichtjahren durch den so gut wie leeren Weltraum erreichte jetzt das schwache Licht als Zeuge dieses dramatischen Ereignisses die Erde. Die Entfernung der längst vergangenen Nova ermittelten die Forscher aus der Annahme, dass Novae vom selben Typ tatsächlich die gleiche Lichtintensität besitzen. Da nach den physikalischen Gesetzen die Helligkeit eines Objektes quadratisch zum Abstand des Betrachters abnimmt, können die Forscher so ihre Entfernung bestimmen. Ist beispielsweise das Licht einer Nova in einer Galaxie eine Million Mal schwächer als eine näher liegende, so können die Astronomen daraus schließen, dass sie 1 000 Mal weiter entfernt ist. Die Wissenschaftler können die Novae daher als kräftige "Leuchtfeuer" benutzen, um den relativen Abstand zwischen unterschiedlichen Galaxien zu messen.
Insgesamt entdeckten die Astronomen in der gigantischen Galaxie NGC 1316, die sich im Sternbild Fornax vier Novae in nur elf Tagen. Im Vergleich zur Milchstrasse finden dort etwa dreimal so viele "kannibalische" Ereignisse statt – etwa 100 pro Jahr. Die Forscher vermuten daher, dass sich diese Galaxie von der Milchstrasse unterscheidet und mehr Sterne umfasst.
Siehe auch
- Spektrum Ticker vom 18.4.2000
"Leichte Sterne sterben mit viel Getöse"
(nur für Ticker-Abonnenten zugänglich) - Spektrum Ticker vom 28.12.1999
"Eine aufschlußreiche Supernova"
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