Artbeschreibung: "Weitere Arten dürften entdeckt werden"
Ein deutsch-amerikanisch-vietnamesisches Team von Primatenforschern hat einen neuen Menschenaffen beschrieben: den Nördlichen Gelbwangen-Schopfgibbon Nomascus annamensis. Auf die richtige Fährte lockte die Wissenschaftler dabei der charakteristischer Gesang des Tiers. Nach einer Analyse der Tonfrequenz und Erbgutuntersuchungen stand fest, dass es sich bei den in den Wipfeln des tropischen Urwalds lebenden Tieren tatsächlich um eine bis dato unbekannte Spezies handelt. Es bleibt allerdings dabei, dass die monogam lebenden Schopfgibbons zu den am stärksten bedrohten Affenarten der Welt gehören. spektrumdirekt sprach mit Christian Roos vom Deutschen Primatenzentrum in Göttingen über die Entdeckung der neuen Spezies.
spektrumdirekt: Herr Roos, wie kommt es dass Primatologen nun – nach Jahrzehnten der Forschung – auf einmal eine neue Art kleiner Menschenaffen finden?
Christian Roos: Die Methoden haben sich in den letzten Jahren geändert. Früher nutzte man überwiegend morphologische Merkmale zur Beschreibung neuer Arten; heute werden auch genetische und andere Merkmale herangezogen – wie zum Beispiel Unterschiede in der Vokalisation. Daher konnten in den letzten 20 Jahren über 80 neue Primatenarten beschrieben werden. Mehr als bei den großen Menschenaffen – Orang-Utans, Gorillas, Schimpansen und Bonobos – bleiben aber bei Gibbons, den kleinen Menschenaffen, noch viele Fragen ungeklärt; etwa über ihre Evolution und Vielfalt. Auch unsere Beschreibung einer neuen Affenart wird nicht die Letzte bleiben: Vor allem in Südamerika dürften bald weitere neue Primaten gefunden werden, und auch unter den Gibbons könnten noch unbeschriebene Spezies auftauchen.
Hinweise auf eine neue Art in Indochina gab es schon länger. Aber erst unsere umfassenden Arbeiten zur Genetik und Vokalisation in den letzten drei Jahren haben den endgültigen Beweis geliefert.
Die Artbestimmung bei Gibbons ist schon deshalb schwierig, weil sie hoch oben in den Bäumen leben und kleine Unterschiede in der Fellfärbung von unten kaum zu erkennen sind. Die stark bedrohten Affen zu betäuben kam nicht in Frage – einen Sturz aus großer Höhe würden sie kaum überleben. Die Forscher haben daher vor Ort die Ausscheidungen der Tiere gesammelt, um aus Darmzellen genetische Information abzulesen. Ergänzt wurden diese Daten durch genetische Analysen von Tieren, die in Museen ausgestellt sind und der Auswertung von Tonaufnahmen.
Wie genau muss man sich den Prozess vorstellen, der dann am Ende in einer neuen Artbeschreibung mündet? Wie läuft die Beobachtungen vor Ort im Feld ab; wie die spätere Laborarbeit?
Wir hatten vor drei Jahren eine Studie ursprünglich mit dem Ziel begonnen, einige ungeklärte Fragen über Schopfgibbons zu klären. Diese Tiere sind stark bedroht: Von einigen Arten gibt es nur noch wenige 100, vom Hainan-Schopfgibbon nur noch etwa 20 Individuen. Zunächst sammelte dabei Van Ngoc Thinh, Doktorand am DPZ, Proben in Museen und vor allem im Freiland – unter der üblichen Mühsal, die solche Freilandarbeit mit sich bringt: Morgens früh um halb fünf aufstehen, die Berge erklimmen, Kotproben für genetische Analysen und Lautaufnahmen für die akustischen Analysen sammeln. Im Labor später geht es dann vergleichsweise eher einfach und standardisiert zu.
Und am Ende stehen dann Belege dafür, dass es sich bei dem Südlichen Weisswangen-Schopfgibbon nicht um eine, sondern vielmehr um zwei verschiedene Spezies handelt?
Was könnte dagegen getan werden?
Herr Roos, wir danken Ihnen für das Gespräch.
Christian Roos: Die Methoden haben sich in den letzten Jahren geändert. Früher nutzte man überwiegend morphologische Merkmale zur Beschreibung neuer Arten; heute werden auch genetische und andere Merkmale herangezogen – wie zum Beispiel Unterschiede in der Vokalisation. Daher konnten in den letzten 20 Jahren über 80 neue Primatenarten beschrieben werden. Mehr als bei den großen Menschenaffen – Orang-Utans, Gorillas, Schimpansen und Bonobos – bleiben aber bei Gibbons, den kleinen Menschenaffen, noch viele Fragen ungeklärt; etwa über ihre Evolution und Vielfalt. Auch unsere Beschreibung einer neuen Affenart wird nicht die Letzte bleiben: Vor allem in Südamerika dürften bald weitere neue Primaten gefunden werden, und auch unter den Gibbons könnten noch unbeschriebene Spezies auftauchen.
Wann waren Sie sicher, tatsächlich eine neue Art gefunden zu haben?
Hinweise auf eine neue Art in Indochina gab es schon länger. Aber erst unsere umfassenden Arbeiten zur Genetik und Vokalisation in den letzten drei Jahren haben den endgültigen Beweis geliefert.
Die Artbestimmung bei Gibbons ist schon deshalb schwierig, weil sie hoch oben in den Bäumen leben und kleine Unterschiede in der Fellfärbung von unten kaum zu erkennen sind. Die stark bedrohten Affen zu betäuben kam nicht in Frage – einen Sturz aus großer Höhe würden sie kaum überleben. Die Forscher haben daher vor Ort die Ausscheidungen der Tiere gesammelt, um aus Darmzellen genetische Information abzulesen. Ergänzt wurden diese Daten durch genetische Analysen von Tieren, die in Museen ausgestellt sind und der Auswertung von Tonaufnahmen.
Wie genau muss man sich den Prozess vorstellen, der dann am Ende in einer neuen Artbeschreibung mündet? Wie läuft die Beobachtungen vor Ort im Feld ab; wie die spätere Laborarbeit?
Wir hatten vor drei Jahren eine Studie ursprünglich mit dem Ziel begonnen, einige ungeklärte Fragen über Schopfgibbons zu klären. Diese Tiere sind stark bedroht: Von einigen Arten gibt es nur noch wenige 100, vom Hainan-Schopfgibbon nur noch etwa 20 Individuen. Zunächst sammelte dabei Van Ngoc Thinh, Doktorand am DPZ, Proben in Museen und vor allem im Freiland – unter der üblichen Mühsal, die solche Freilandarbeit mit sich bringt: Morgens früh um halb fünf aufstehen, die Berge erklimmen, Kotproben für genetische Analysen und Lautaufnahmen für die akustischen Analysen sammeln. Im Labor später geht es dann vergleichsweise eher einfach und standardisiert zu.
Und am Ende stehen dann Belege dafür, dass es sich bei dem Südlichen Weisswangen-Schopfgibbon nicht um eine, sondern vielmehr um zwei verschiedene Spezies handelt?
Ja. Wobei die beiden Arten sich sehr ähneln: Die Weibchen sind hell gefärbt, die Männchen schwarz mit gelb-rötlichen Wangen. Bei allen äußerlichen Übereinstimmungen unterscheiden sich beide Arten aber deutlich in ihrer genetischen Struktur und Vokalisation. Ihr Verbreitungsgebiet umfasst das zentrale Annamiten-Gebirge im Grenzgebiet zwischen Vietnam, Laos und Kambodscha. Von der neu beschriebenen Art dürfte es derzeit noch an die 10 000 Tiere geben, jedoch werden in den nächsten Jahren mehrere Straßen und Staudämme in geschützten Gebieten gebaut. Dadurch wird die neu beschriebene Art vermutlich deutlich zurückgehen.
Was könnte dagegen getan werden?
Es wäre wichtig, sichere Schutzgebiete zu finden, in denen die Gibbons eine langfristige Überlebenschance haben. Die illegale Jagd für den Haustiermarkt oder für traditionelle Medizin ist in Vietnam und den Nachbarländern weiterhin ein großes Problem. Dazu kommt illegale Abholzung, so dass immer mehr Lebensraum für die Gibbons verschwindet. In all diesen Fällen müssen die bestehenden Gesetze strikter vollzogen werden. Verstöße erfolgen ja auch eher nicht, um das Überleben der Landbevölkerungen zu sichern, sondern meist vor dem lukrativen Hintergrund schierer Geschäftemacherei. Das betrifft natürlich nicht nur den Nördlichen und Südlichen Gelb- oder Weißwangen-Schopfgibbon: Fast die Hälfte der 371 bekannten Primatenarten ist gefährdet – werden sie nicht effektiv geschützt, so sind sie in 20 Jahren ausgestorben. Um dies zu verhindern, muss dringend gehandelt werden.
Herr Roos, wir danken Ihnen für das Gespräch.
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