Biomechanik: Weizenkorn auf Wanderschaft
Was haben Weizen und Frösche miteinander gemein? Die Fortbewegungsart! Denn zumindest die Samen dieses Grases gleiten mit Bewegungen, die dem Beinschlag des Frosches ähneln, über den Boden und graben sich so auch in ihn hinein.
Pflanzen stehen nur still in der Gegend herum? Von wegen: Blätter oder auch Blüten drehen sich zum Licht, und Sprosse von Winden machen durch unterschiedlich schnelles Wachstum Drehbewegungen, bis sie auf ein geeignetes Klettergerüst stoßen, das sie dann spiralig wachsend umwickeln. Allerdings sind solche pflanzlichen Bewegungen in den meisten Fällen so langsam, dass es viel Geduld oder einer Zeitrafferaufnahme bedarf, um sie zu verfolgen.
Aber Grünzeug kann auch ganz schön schnell sein. So klappt die Venusfliegenfalle ihre Fangblätter in Sekundenbruchteilen zusammen. Und auch zur Verbreitung ihrer Samen haben sich einige Pflanzen etwas Flottes einfallen lassen: Spritzgurken und Springkraut beispielsweise schießen sie mit Hilfe eines hohen Saftdrucks mehrere Meter weit durch die Luft.
Samen unterwegs
Manche Samen begnügen sich aber nicht damit, von der Mutterpflanze in hohem Bogen abgeschossen zu werden, sondern kriechen nach ihrer Landung selbst noch etwas weiter – dann aber in etwas geruhsamerem Tempo. So wandert beispielsweise der Samen des Moschus-Reiherschnabels mit Hilfe eines korkenzieherartigen Fortsatzes über den Boden hinweg und gräbt sich sogar etwas ein.
Um diese Vermutung zu überprüfen, nahmen die Wissenschaftler zunächst einmal die Weizengrannen genauer unter die Lupe, respektive unter das Rasterelektronenmikroskop. Dort enthüllte sich eine eigentümliche Struktur: Das Haar ist nicht rund, sondern auf der einen Seite etwas abgeflacht und trägt auf der gegenüberliegenden Seite eine Längsrippe. Außen ist es mit winzigen, harten Härchen besetzt, und innen liegen über die ganze Länge sauber in der Längsachse angeordnete Zellulosefasern – lediglich im unteren, dem Samenkorn nahen Bereich ist dieses Schema unterbrochen: Dort liegen die Zellulosefasern auf der Seite der Rippe kreuz und quer durcheinander.
Gespreizter Gang
Die Forscher fixierten ein Weizenkorn und veränderten – wie es in der natürlichen Umgebung des Samens zur Zeit der Reife durch den Tag-Nacht-Wechsel auch wirklich geschieht – die Luftfeuchtigkeit in zyklischem Wechsel. Und tatsächlich: War die Luft sehr feucht, lagen die Grannen eng beieinander, war sie hingegen trocken, verbogen sie sich etwa zwei Zentimeter oberhalb des Samenkorns – genau an jener Stelle, an der die Zellulosefasern ungeordnet sind – und spreizten sich dadurch.
Diese Fortbewegungstechnik hilft nicht nur dem Weizenkorn, sondern vielleicht eines Tages auch dem Menschen. Es sollte doch möglich sein, der Natur das Prinzip abzuschauen und auf dieser Grundlage der Menschheit nützliche Metrialien zu entwicklen, die allein mit Hilfe von Feuchtigkeit Bewegungen ausführen.
Aber Grünzeug kann auch ganz schön schnell sein. So klappt die Venusfliegenfalle ihre Fangblätter in Sekundenbruchteilen zusammen. Und auch zur Verbreitung ihrer Samen haben sich einige Pflanzen etwas Flottes einfallen lassen: Spritzgurken und Springkraut beispielsweise schießen sie mit Hilfe eines hohen Saftdrucks mehrere Meter weit durch die Luft.
Samen unterwegs
Manche Samen begnügen sich aber nicht damit, von der Mutterpflanze in hohem Bogen abgeschossen zu werden, sondern kriechen nach ihrer Landung selbst noch etwas weiter – dann aber in etwas geruhsamerem Tempo. So wandert beispielsweise der Samen des Moschus-Reiherschnabels mit Hilfe eines korkenzieherartigen Fortsatzes über den Boden hinweg und gräbt sich sogar etwas ein.
Rivka Elbaum vom Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung und ihr Team hegten nun den Verdacht, dass Weizen ganz ähnlich vorgeht. Die Grannen der Weizenkörner, jene borstigen Haare an den Getreidesamen, seien womöglich nicht nur dazu da, den reifen Samen auszubalancieren, wenn er von der Pflanze abfällt. Sie könnten durchaus in der Lage sein, das Weizenkorn aktiv über den Boden zu schieben.
Um diese Vermutung zu überprüfen, nahmen die Wissenschaftler zunächst einmal die Weizengrannen genauer unter die Lupe, respektive unter das Rasterelektronenmikroskop. Dort enthüllte sich eine eigentümliche Struktur: Das Haar ist nicht rund, sondern auf der einen Seite etwas abgeflacht und trägt auf der gegenüberliegenden Seite eine Längsrippe. Außen ist es mit winzigen, harten Härchen besetzt, und innen liegen über die ganze Länge sauber in der Längsachse angeordnete Zellulosefasern – lediglich im unteren, dem Samenkorn nahen Bereich ist dieses Schema unterbrochen: Dort liegen die Zellulosefasern auf der Seite der Rippe kreuz und quer durcheinander.
Diese sonderbare Anordnung sollte nicht ohne Folgen sein, vermuteten die Wissenschaftler: Wird die Granne feucht, quellen die Zellulosefasern in Querrichtung auf. Der obere, lange Teil der Borste wird dadurch lediglich etwas dicker. In dem Bereich, in dem die Fasern ungeordnet liegen, sieht das jedoch ganz anders aus: Dieser Teil quillt auch in Längsrichtung auf und wirkt nun ähnlich wie ein Gelenk, um das sich die Granne bewegt. Da ein Weizenkorn zwei Grannen trägt, zieht diese lokale Längsbewegung die Grannen zueinander. Trocknen die borstigen Haare anschließend aus, spreizen sie sich wieder auseinander und kehren in ihre ursprüngliche Lage zurück. So weit die Theorie – würde sie der Praxis standhalten?
Gespreizter Gang
Die Forscher fixierten ein Weizenkorn und veränderten – wie es in der natürlichen Umgebung des Samens zur Zeit der Reife durch den Tag-Nacht-Wechsel auch wirklich geschieht – die Luftfeuchtigkeit in zyklischem Wechsel. Und tatsächlich: War die Luft sehr feucht, lagen die Grannen eng beieinander, war sie hingegen trocken, verbogen sie sich etwa zwei Zentimeter oberhalb des Samenkorns – genau an jener Stelle, an der die Zellulosefasern ungeordnet sind – und spreizten sich dadurch.
Nun überprüften die Wissenschaftler noch, ob diese Bewegung das Weizenkorn überhaupt vorwärts bewegen kann. Als sie Weizensamen auf ein Stückchen Filz legten und zyklisch die Luftfeuchtigkeit veränderten, begannen die Körner zu wandern. Dabei kamen sie vorwärts, weil sie sich zusätzlich zur Bewegung der Grannen mit den winzigen, harten Härchen an der Oberfläche der Grannen im Filz verkeilten und dadurch ein Widerlager schufen. So konnte die Bewegung der langen Fortsätze ähnlich wie der Beinschlag der Frösche die Weizensamen vorantreiben. Mit dieser Methode gleiten die Samen nicht nur kurze Strecken über den Boden, sondern sie können sich auch, wenn sie mit der Spitze nach unten liegen, etwas in die Erde hinein graben – so verbessern sie ihre Ausgangslage für eine erfolgreiche Keimung.
Diese Fortbewegungstechnik hilft nicht nur dem Weizenkorn, sondern vielleicht eines Tages auch dem Menschen. Es sollte doch möglich sein, der Natur das Prinzip abzuschauen und auf dieser Grundlage der Menschheit nützliche Metrialien zu entwicklen, die allein mit Hilfe von Feuchtigkeit Bewegungen ausführen.
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