Direkt zum Inhalt

Weltraum-Jubiläum: Tausche Geburtstagstorte gegen Reparaturteam

Mit fünfzehn steckt man gerade noch in der Pubertät - außer man heißt Hubble, ist ein Weltraum-Teleskop und arbeitet seit geraumer Zeit in den unwirtlichen Wüsteneien des Alls, an die Erde gekoppelt nur durch ein paar Schwerkraftschlingen. Und einen steten, schier unerschöpflichen Datenstrom, aus dem die Bodenstation immer wieder unglaubliche Bilder von leuchtenden Sternen, glimmenden Galaxien, geisterhaften Gaswolken und farbenprächtigen Staubscheiben produziert. Ob aus Teen Hubble jemals ein Twen wird, ist indes fraglicher denn je: Statt produktiven mittleren Jahren hält die Zukunft offenbar nur zwei Optionen für das Teleskop offen - den eisigen oder feurigen, jedenfalls aber baldigen Tod.
Hubble
Vom Sorgenkind zum Superstar und wieder zurück: Hubble, geboren und aufgestiegen in die Erdumlaufbahn am 24. April 1990, hatte die bekannt schwere frühe Jugend – extrem gehänselt von der hämischen Öffentlichkeit wegen ausgeprägter Kurzsichtigkeit, dann übergangslos wegen der dicken Brille, die ihm Wissenschaftler per Weltraumreparaturservice anpassen mussten. Kein Ruhmesblatt soweit für ein Instrument, das kleinste Details in fernsten Tiefen des Weltalls mit unerreichter Schärfe erspähen sollte: Der extrem sorgfältig durchgeführte und leider zuvor völlig falsch berechnete Schleifvorgang seines Teleskop-Hauptspiegels setzte das teure Instrument erst einmal außer Gefecht.

Dann aber entwickelte sich das Millionengrab in eine astronomische Schatzkiste: Die Korrektur der Spiegelfehlsichtigkeit und der Einbau einer neuen Kamera erlaubten zehnmal schärfere Einblicke ins All als jemals zuvor. Seitdem wuchs die Liste von Hubbles Erfolgen von Jahr zu Jahr: Die Daten des Weltraumteleskops erlaubten Astronomen das genaue Alter des Weltraums zu errechnen, die Existenz der umstrittenen dunklen Energie nachzuweisen, winzige Protogalaxien des allerjüngsten Universums und supermassereiche Schwarze Löcher zu entdecken, den Einschlag eines Kometen in Jupiter in Kinoqualität zu beobachten und die Planetenbildung in Sternensystemen als etwas ganz Gewöhnliches anzuerkennen. Vielleicht das Wichtigste: Mehr als 700 000 Bilder wunderschöner astronomischer Objekte machten den Himmel über uns für jedermann spannend und greifbar. Zum Jubiläum präsentiert die Hubble-Crew zwei schöne Beispiele: M51 und den Adler-Nebel.

Der Adler-Nebel | Die Sternenkinderstube des Adler-Nebels, dessen imposante Säule neuneinhalb Lichtjahre in die Höhe ragt. Hubble fotografierte ihn im November 2004.
Mit derlei könnte nun leider bald Schluss sein, machten schon im vergangenen Jahr übereinstimmend der damalige Nasa-Chef und die US-Administration deutlich – der tragische Verlust der Raumfähre Columbia schob alle geplanten Shuttle-Missionen nach hinten und verschärfte dramatisch alle Sicherheitsbestimmungen für Weltraumfahrten. Priorität eins hat nun die Fertigstellung der internationalen Raumstation ISS bis zum Jahr 2010, so die Nasa. Und – aber das sind vielleicht nur böse Gerüchte – der Wunsch der US-Administration, die Mission Mensch auf dem Mars anzugehen. Kein Gerücht jedenfalls, sondern durch die Zuteilung des Nasa-Budgets durch den US-Kongress Realität: Eine Reihe anderer Weltraumvorhaben sind gestrichen, darunter auch eine geplante Servicemission zum Weltraum-Veteranen Hubble, die dem Teleskop die notwendige technische Altenpflege zukommen lassen sollte.

Denn Hubble ist angelegt, regelmäßig gewartet und grundsaniert zu werden: Insbesondere den Batterien des Teleskops geht sonst der Saft aus, und die insgesamt sechs Kreisel zur Lagestabilisierung geben den Geist auf.

Was ohne Wartung mit dem Teleskop geschehen wird, ist traurig schnell erzählt: Zwei der sechs anfälligen Stabilisierungs-Gyroskope sind schon ausgefallen und mussten ausgetauscht werden. Mit dem Totalverlust der älteren Kreisel ist also jederzeit zu rechnen – und insgesamt drei funktionsfähige Stabilisatoren waren bislang immer benutzt worden, damit Hubbles Bilder nicht verwackeln. Hier könnte ein im Februar durchgeführtes Software-Notfallupdate zumindest etwas Abhilfe schaffen: Die neue Programmierung erlaubt nun zwei statt drei Gyroskope zu nutzen. Knipsen könnte Hubble also weiter – viel Lebenszeit ist damit aber nicht erkauft, denn die Batterien des Teleskops sind langsam am Ende. Sie heizen das Teleskop in der eisigen Kälte des Alls – fallen sie aus, was in drei Jahren sicher passiert sein dürfte, wird Hubble schockgefrostet und für immer irreparabel zerstört.

Die Whirpool-Galaxie M51 | Die bislang höchstauflösende Aufnahme der Whirppool-Galaxie M51 (NGC 5194) schoss Hubbles "Advanced Camera for Surveys" im Januar 2005.
Der verkündete Ausstieg aus dem Hubble-Pflegeprogramm ist allerdings weltweit mit Empörung aufgenommen worden. Seitdem bemüht sich die Nasa, offensichtlich überrascht von der ungebrochenen Popularität des Weltraumveterans, um Schadensbegrenzung. Allerlei Rettungsmaßnahmen und Notfallpläne wurden nicht nur von der amerikanischen Weltraumagentur seitdem überprüft – und verworfen. Da wurde etwa angedacht, das Teleskop per Robotermission reparieren zu lassen, was allerdings wohl noch viel teurer wäre und später durchführbar als eine Shuttle-Reparaturmission. Da wurde auf eine private Spendenaktion gesetzt (die aus juristischen Gründen gar nicht zielgerichtet in den Staatshaushalt und von da in das Nasa-Budget eingehen darf), oder gar auf die Hilfe der Russen und ihrer Sojus-Raumschiffe (wobei vergessen wurde, dass dem auf Shuttle-Wartung ausgerichteten Teleskop mit russischer Technik nur unter großen Anpassungsschwierigkeiten zu helfen wäre).

Nur öffentlicher Druck könnte dazu führen, dass doch noch Gelder für die Hubble-Rettung freigemacht werden. Die nötigen Ersatzteile im Wert von 200 Millionen US-Dollar liegen immerhin eingemottet parat: ein Sensor-Kühlsystem, eine Einheit zum Datenmanagment, Deckschichten für die Teleskop-Außenhülle – dazu eine neue Kameras und Spektrografie-Instrumente. Das runderneuerte Hubble-Teleskop könnte noch jahrelang arbeiten und Daten liefern, so Experten. Gerade zur Erforschung von Typ-1A-Supernovae wäre das alte Teleskop dringend erforderlich – ein Ausfall würde dafür sorgen, dass mindestens bis zum Jahr 2011 kein irdischer Astro-Fernspäher mehr im Orbit kreist. Dann frühestens dürfte das Nachfolgeprojekt von Hubble, das 830 Millionen Euro teure James Webb Space Telescope in Dienst gestellt werden, um insbesondere Aufnahmen im Infrarotbereich des Spektrums zu liefern

Die Teleskope Spitzer und Chandra, die sich seit zwei beziehungsweise sechs Jahren ebenfalls in einer Erdumlaufbahn tummeln, sind indes keine Konkurrenz für ein runderneuertes Hubble: Beide arbeiten nicht bei sichtbaren Licht-Wellenlängen – und Spitzer wird als Kurzzeitprojekt nach dem Ausfall seiner Sensor-Kühlkreisläufe ohnehin schon in drei Jahren Geschichte sein.

Hoffnung, dass Hubble Spitzer überlebt, machte immerhin kürzlich der neue Nasa-Chef Michael Griffin: Nach dem für Mai geplanten Start der Raumfähre Discovery werde entschieden, ob aus dem knappen Budget doch noch ein Shuttleflug zu Hubble herausspringt. Dabei könnte allerdings auch das Ende zementiert werden: Montiert wird vielleicht aus Geldmangel nur ein roboterregulierter Treibsatz, mit dem ein gezielter Absturz eingeleitet werden soll. Hubble würde dann in der Erdatmosphäre verglühen – das Ende eines produktiven Fotografenlebens durch Mangel an schnödem Mammon. Hoffentlich sind Fußabdrücke auf Mond und Mars diesen Verlust wert.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.