Weltraumschrott: Erstmals ungeplanter Crash auf dem Mond
Auf den Erdmond gingen schon etliche Teile von Raketen und Sonden nieder. Und jedes Mal waren es planmäßige Einschläge. Nun wird am Freitag, den 4. März 2022, um zirka 13.25 Uhr mitteleuropäischer Zeit erstmals Weltraumschrott ungewollt auf der Rückseite des Monds aufschlagen. Die Forschergemeinde sieht der Tatsache mit Begeisterung, aber auch Sorge entgegen. So könnte der Absturz uraltes bislang unerforschtes Mondmaterial frei legen. Zugleich zeigt sich, dass Weltraummüll besser überwacht werden müsste, um Gefahrenszenarien für die Erde zu vermeiden.
Als einer der Ersten hat William Gray, unabhängiger Astronom in den USA, das Schrottteil mit Hilfe einer selbst programmierten Software für Astrometrie entdeckt. Zunächst identifizierte er es als zweite Stufe einer Falcon-9-Rakete der privaten US-Raumfahrtfirma SpaceX, doch dann korrigierte er seine Beobachtungen: Bei dem Objekt handle es sich um eine chinesische Oberstufe, vermutlich von der Rakete der Mission Chang'e 5-T1. Sie brachte 2014 eine Sonde ins All, die den Mond zu Testzwecken umkreiste und anschließend zur Erde zurückkehrte.
Die Raketenstufe wird auf der Rückseite des Monds einschlagen, in der Nähe des Kraters Hertzsprung. Daher lässt sich das Ereignis von der Erde aus nicht direkt beobachten. Womöglich können aber Sonden, die zurzeit den Mond umfliegen, die Absturzstelle ausfindig machen.
China: Weltraumschrott stammt nicht von chinesischer Rakete
Nach einem Bericht der Deutschen Presse-Agentur (dpa) wies China zurück, dass der Weltraumschrott von einer ihrer Raketen stamme. »China hat Expertenanalysen und Medienberichte dazu zur Kenntnis genommen«, sagt Wang Wenbin, ein Sprecher des Pekinger Außenministeriums. Nach eigenen Erkenntnissen sei die betreffende Rakete verbrannt.
William Gray, der nach eigener Aussage als Einziger weit entfernten Weltraumschrott beobachte, sieht keinen Grund zur Sorge bei diesem Einschlag. Allerdings sei problematisch, dass die Umlaufbahn von Objekten wie dem chinesischen Raketenteil nicht auf lange Sicht vorhersagbar seien. Die Raketenstufe habe eine »chaotische« Umlaufbahn und könne auch Geschwindigkeit aufnehmen. »Die kleine Sorge wäre also, dass solch ein Stück Schrott die Erde treffen würde«, schreibt Gray auf seinem Blog. 2015 waren beispielsweise Raketenteile über Sri Lanka in die Atmosphäre eingetreten, verglühten dort jedoch.
Crash ist eine Chance für die Forschung
Immer mehr Forscherinnen und Forscher sorgen sich zudem um eine intakte Umwelt auf dem Mond. Wie das Fachmagazin »Nature« berichtet, habe eine Gruppe sogar eine Erklärung der Mondrechte veröffentlicht, die allerdings nicht rechtlich bindend ist. Sie wirbt dafür, den Mond nicht weiter anzutasten.
Andere Experten sehen hingegen eine Chance für die Forschung. Seit dem Jahr 1959 haben Weltraumorganisationen Raumsonden und Raketenstufen geplant aufschlagen lassen, um Beben zu erzeugen und so die Eigenschaften der Mondkruste zu erforschen. Ulrich Köhler vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) erklärt gegenüber der dpa: »Ziel war [auch], die entstehende Auswurfwolke geochemisch zu erfassen – etwa, um in abgeschotteten Kratern Eismoleküle nachweisen zu können.« Nach Ansicht von Köhler könnte der bevorstehende Crash ebenfalls neue Daten liefern. »Der Mondboden ist durch Sonnenwind, kosmische Strahlung und eingeschlagene Mikrometeoriten über Jahrmillionen gereift. Der Aufprall legt nun praktisch unverfälschtes Material frei – und das noch dazu auf der kaum untersuchten Rückseite des Mondes.«
Laut Daten eines Teams um Vishnu Reddy von der University of Arizona in Tucson schweben ungefähr 150 Objekte um den Mond. Davon ist nur ein kleiner Teil aktiv für die Forschung im Einsatz – 90 Prozent seien Weltraumschrott. Die erste Raumsonde, die geplant auf den Mond stürzte, war Luna 2 im Jahr 1959. Letztmalig ging Weltraummüll während einer chinesischen Weltraummission 2020 nieder.
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