News: Weltweit einsam
Der Sozialpsychologe Robert Kraut und seine Mitarbeiter von der Carnegie Mellon University waren von den Ergebnissen ihrer Studie HomeNet selbst überrascht. Die lieferte ein konsistentes Bild von den Folgen eines extensiven Gebrauchs des Internets als Informationsquelle, Ort für Freundschaften oder sozialen Rückhalt (The American Psychologist vom September 1998, Vorversion).
Insgesamt 169 Computer-Nutzer aus 73 Familien in Pittsburgh nahmen an der Untersuchung teil. Etwas mehr als die Hälfte von ihnen war weiblich, ein Viertel der Personen gehörte einer Minderheit an, das Jahreseinkommen war über einen weiten Bereich gestreut. Eine bunte Mischung also, welche in etwa die demographische Zusammensetzung der USA wiedergibt, allerdings nicht typisch für die deutschen Verhältnisse ist.
Die Testpersonen verbrachten unterschiedlich viel Zeit im World Wide Web, mit dem Schreiben und Lesen von E-Mails, mit Computerspielen und anderen Programmen, die in Haushalten genutzt werden. Am längsten saßen Teenager vor dem Rechner. Die Jugendlichen waren auch am anfälligsten für die sozialen Nebenwirkungen des Internets.
"Viele Nutzer tendieren dazu, ihre festen Beziehungen aus dem wirklichen Leben gegen schwache Online-Freundschaften zu tauschen", meint die Sozialwissenschaftlerin Sara Kiesler, die an der Studie beteiligt war. "Man muß mit keinen unangenehmen Dingen klar kommen, denn wenn einem das Verhalten von jemandem nicht gefällt, kann man sich einfach ausloggen. Im wirklichen Leben sind Beziehungen nicht immer einfach. Aber es ist gut für uns, mit einigen dieser schwierigen Situationen umzugehen. Es hält uns in Verbindung zu Menschen." Die verstärkte Nutzung des Internets ging mit einer statistisch signifikanten Abnahme dieser Sozialstrukturen einher. Das war meßbar an der verminderten Kommunikation innerhalb der teilnehmenden Familien, der Größe des sozialen Netzes der Teilnehmer und Berichten der Versuchspersonen über die Zunahme von Einsamkeit, Depressionen sowie psychologischen Zuständen, die mit geringen Sozialkontakten zusammenhängen. "Wir sprechen nicht von Internet-Besessenen, sondern normalen Leuten", betont Kraut. "Dies sind nicht die Folgen eines extremen Gebrauchs. Und das sind dieselben Leute, die das Internet als eine positive Sache bezeichnen, wenn man sie fragt."
Besonders um die Jugendlichen vor der Vereinsamung zu bewahren, raten die Wissenschaftler, den Computer an einem Ort aufzustellen, an dem Familienleben stattfindet: zum Beispiel im Wohnzimmer. Dadurch wird der Gebrauch durch die Teenager auf ein vernünftiges Maß eingschränkt.
Die Forscher betrachten das Internet weder als sozial gut noch schlecht. Sie sehen darin ein komplexes soziales Phänomen mit vielen Facetten, das sich rasant entwickelt. Es wird unser Leben verändern, und "wir wollen helfen, daß es gute Veränderungen werden", sagt Kraut.
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